Nach dem Kroos-Ärger Die legendärsten Interview-Ausraster
30.05.2022, 19:06 Uhr
Lothar Matthäus echauffierte sich einst in Karlsruhe.
Die heftige Reaktion von Toni Kroos auf die Fragen des ZDF-Reporters Nils Kaben hat hohe Wellen geschlagen. Doch bei all der Aufregung darf man nicht vergessen, dass der Champions-League-Sieger Kroos mit seinem Interview-Abbruch bei weitem nicht der Erste war, der für einen medialen Eklat sorgte.
"Mir ist aber kalt jetzt. Wirklich. Boah!" Irritiert hatte Weltmeister Olaf Thon dem TV-Mann Ecki Heuser zuvor zugehört, wie dieser meinte, dass das Spiel der Schalker "heute ja nicht berauschend" gewesen sei und der Trainer dennoch "geschmunzelt" habe. Und als der Sat1-Reporter abschließend fragte, wie sich Olaf Thon dies erklären könne, hatte sich der S04-Profi nur kurz unterhalb der Nase gekratzt und dann diese denkwürdigen Worte gesprochen - die viele Fußballfans noch heute aus dem Stehgreif rezitieren können.
Natürlich hatte der "Professor", wie man Thon früher gerne nannte, kurz zuvor nicht gerade die Champions League gewonnen, sondern nur eine Freitagabendpartie im kalten Parkstadion absolviert, aber seine souveräne Antwort auf die leicht ketzerische Frage des Reporters ist immer noch Kult.
Die ruhige Art des Olaf Thon war hingegen nie die Sache des Bielefelder Jahrhunderttrainers Ernst Middendorp. Stets darum bemüht entsprechend wahrgenommen zu werden, hatte er bereits bei einer Pressekonferenz im Frühjahr 1988 den versammelten Medienvertretern klargemacht, dass eine weitere gute Zusammenarbeit auch von vermeintlichen Kleinigkeiten abhängen würde: "Mein Name ist Middendorp! M-i-d-d-e-n-d-o-r-p! Ich sage dies ausdrücklich, weil es bereits dreimal Schwierigkeiten gab."
"Knien Sie nieder, Sie Bratwurst!"
Legendär wurde der Arminen-Coach dann endgültig knapp zehn Jahre später, als er am 22. November 1997 einen Reporter von Radio Bielefeld nach allen Regeln der Kunst zusammenfaltete. Nachdem die Arminia beim 1. FC Köln gewonnen hatte, riss Middendorp - emotional äußerst aufgeputscht - dem armen Mann das Aufnahmegerät zur Seite und schrie: "Hauen Sie ab, Sie Arschloch, Sie Schwein, nehmen Sie das Mikro weg!" Und weil Middendorp gerade so schön in Fahrt war, fügte er abschließend die mittlerweile zum geflügelten Wort gereifte Sentenz hinzu: "Knien Sie nieder, Sie Bratwurst!"
Auf der anschließenden Pressekonferenz lief das Fass dann beim Bielefelder Trainer endgültig über, als er sich einmal richtig "auskotzte" und dabei die versammelte Journaille verbal und frontal anging. Damit leistete er sich damals den Ausraster der Saison. Hinterher versuchte sein Freund und damaliger Manager der Arminia, Rüdiger Lamm, Middendorp noch aus der Schusslinie zu nehmen, als er meinte: "Solche Geschichten entstehen nur dadurch, dass man ihn nicht kennt." Doch das war leider ein äußerst verzweifelter Versuch. Denn Lamm selbst hatte nur wenige Wochen zuvor einer Reporterin von Radio Bielefeld die wenig nette Aufforderung zukommen lassen: "Lecken Sie mich doch da, wo Sie es am liebsten haben!"
In Österreich gehörte es eine Zeitlang quasi zum guten Ton, dass Fußballer, Trainer und Funktionäre nicht mehr jede Frage eines Journalisten einfach so hinnahmen. Der ehemalige Spieler und Trainer des TSV 1860 München, Peter Pacult, leistete sich damals fast im Wochentakt neue Ausraster. Einmal wies er den Sky-Reporter Matthias Folkmann mit folgendem Spruch in die Schranken: "So viel Blödheit, wie Sie dort erzählen, ist schon einmal grenzwertig."
"Die nächste depperte Frage"
Legendär in Österreich ist auch ein kurzes Gespräch mit dem Spieler Günther Neukirchner, das damals nach einem Derby zwischen Sturm Graz und dem Grazer AK stattfand - und sehr an die Situation vom letzten Samstag in Paris erinnert. Reporter: "0:4 im Derby gegen den GAK … Günther Neukirchner, wie froh sind Sie denn, dass der Schiri jetzt abgepfiffen hat?" Neukirchner: "Was soll die Frage jetzt? Für was ist die Frage jetzt? Erklären Sie mir das! Sollen wir uns jetzt freuen, wenn wir 4:0 verlieren oder was? Bei uns haben ein paar die Hosen voll, wir machen kapitale Eigenfehler, mehr brauchen wir nicht sagen, aber die Frage brauchen Sie mir jetzt auch nicht stellen." Interviewer: "Na, haben Sie nicht Angst gehabt vor einer noch höheren Niederlage, den Eindruck hatte man jetzt zum Schluss …" Neukirchner: "Das ist die nächste depperte Frage … fällt Ihnen jetzt nichts Gescheiteres ein?"
Auch ein Lothar Matthäus fiel das eine oder andere Mal vor der Kamera aus der Haut. So auch im Frühjahr vor elf Jahren vor einem Champions League Spiel. Doch dieses Video war eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt - wurde aber anschließend dennoch ein viraler Hit. Der Weltmeister von 1990 war damals im Irrglauben angereist, er sei an diesem Abend für den arabischen TV-Sender Al-Jazeera als Experte gebucht. Um das Missverständnis aufzuklären, verband man Matthäus telefonisch mit einem Vorgesetzten. Nun war der Franke allerdings nicht mehr zu halten: "Hey, hey - I tell you now something. I stay in Munich only for this fucking job tonight. I cancelled ... I calm down, sorry. You give me nothing, sorry. You think you can play with me, I'm not a child. I respect you a lot. You don't respect me now in this moment. Okay, finish, it's okay."
"Das ist Arbeit, wo man leistet"
Die wütende Aufgeregtheit erinnerte an eine andere legendäre Szene von Lothar Matthäus viele Jahre zuvor in Karlsruhe. Damals regte sich der Bayern-Star vor der laufenden TV-Kamera des Senders "Premiere" über den Schiedsrichter auf: "Das ist doch eine Frechheit, was der pfeift. Nur für eine Richtung. Gelbe Karte für uns, rote Karte für uns, der Freistoß, der keiner war. Der pfeift doch alles gegen uns. Eine Frechheit. Das ist Arbeit, wo man leistet. Samstagnachmittag. Und ein Mann im Stadion bringt die Spieler um ihre Leistung, um ihre Prämie und alles. Und das ist eine absolute Frechheit. Und wenn da der DFB nicht langsam einschreitet, gegen so was, dann verstehe ich das nicht mehr."
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Wie man übrigens unangenehme Reporterfragen elegant umgeht, zeigte auf einmalige Art und Weise der damalige Wolfsburger Trainer Klaus Augenthaler. Seinen letzten großen Auftritt bei den Wölfen zelebrierte der Coach am Ende der Saison 2006/07 mit einer ebenso fulminanten wie kurzweiligen Showeinlage. Genau 42 Sekunden saß er bei der Pressekonferenz auf der Bühne: "Guten Tag! Meine Herren, es gibt vier Fragen und vier Antworten. Die Fragen stelle ich und die Antworten gebe ich auch. Stimmung der Mannschaft, wie ist die Stimmung der Mannschaft, Zustand der Mannschaft? Die Mannschaft hat hervorragend gearbeitet. Zur Taktik: Ein oder zwei Stürmer? Das hängt davon ab, wie die personelle Situation ist - es ist der eine oder andere verletzt. Wie ich den Gegner erwarte: Aachen wird sicherlich Druck machen, Aachen muss das Spiel gewinnen, darauf sind wir vorbereitet. Ist die Mannschaft dem Druck gewachsen? Was ich beobachtet habe in der Woche im Training: Die Mannschaft hat sehr gut gearbeitet und wird die Antwort auf dem Platz geben. Dankeschön!"
Vielleicht auch eine Idee für Toni Kroos demnächst? Vorab den Pressevertretern einfach einen Zettelkasten mit genehmen Fragen überreichen und hinterher lächelnd die ebenfalls zuvor schon ausgearbeiteten Antworten präsentieren? Das könnte vermutlich sogar ganz spaßig sein!
Quelle: ntv.de