
Jean Löring (l.) war eine große Figur der deutschen Fußball-Geschichte. Hier zeigt er sich mit der Kölner Messe-Gastronomin Hertha Reiss in einem klassischen 80er-Jahre-Setting.
(Foto: imago images/United Archives)
Jean Löring lebte den Fußball - und seinen Verein. Sein größter Traum war der erneute Aufstieg mit Fortuna Köln in die erste Bundesliga. Dieser blieb ihm verwehrt. Doch auf dem Weg erlebte "De Schäng" unvergessliche Anekdoten der Fußballgeschichte - wie einen Trainer-Rauswurf zur Halbzeitpause.
"Wer den Fußball liebt, muss dankbar sein, dass es Jean Löring gibt", hat einst der Fußball-Weltmeister Wolfgang Overath über den langjährigen Präsidenten von Fortuna Köln gesagt. Und tatsächlich: Kaum eine Figur der deutschen Fußballgeschichte steht für so viele verrückte Geschichten, ausufernde Leidenschaft und ganz viele Emotionen wie Hans Löring, den alle nur Jean oder auch "De Schäng" nannten.
"Wir müssen es diesmal schaffen. Die Fortuna gehört einfach in die Bundesliga!" Vor 35 Jahren wagte der umtriebige Unternehmer wieder einmal mit viel Getöse und Aufwand den Sprung in die Beletage des deutschen Fußballs. Und erneut hatte Jean Löring sich nicht lumpen lassen. "Ich habe noch mal richtig in den Klub investiert. Da muss jetzt was passieren", meinte er mit funkelnden Augen, und deutete auf die drei DDR-Nationalspieler Matthias Döschner, Hans-Uwe Pilz und Andreas Trautmann am anderen Ende des Trainingsplatzes hin - die Löring für die stattliche Summe von 1,5 Millionen Mark von Dynamo Dresden losgeeist hatte. Natürlich wieder einmal aus seiner Privatschatulle.
"Entschuldige mich beim lieben Gott"
Viele Millionen hatte Jean Löring zu diesem Zeitpunkt über all die Jahre schon in seinen Herzensverein gebuttert, um endlich den Triumph von 1973 zu wiederholen, als die Fortuna eine Saison lang mit dem Stadtrivalen aus Müngersdorf in einer Liga spielen durfte. Doch nach dem direkten Abstieg sollte es einfach nicht mehr sein - egal was der verrückte Fußballfanatiker ("Der Fußball hat mir als junger Mensch so viel gegeben, also habe ich ihm später so viel zurückgegeben, wie ich nur konnte") auch versuchte. Am Ende stand immer nur die große Enttäuschung, es wieder einmal nicht ganz geschafft zu haben.
Doch mit Jean Löring hatte Fortuna Köln einen Vorsitzenden, der mit seinem Charisma den Verein imposanter und schillernder erscheinen ließ, als er tatsächlich war. Die Medien liebten ihn vor allem aus einem Grund: "Jedes Jahr habe ich drei- oder viermal Mist gebaut. Ich habe auch schon mal einem gegnerischen Spieler die Schuhe ausgezogen, weil er zu lange Stollen hatte. Doch ich ändere mich nicht. Ich entschuldige mich dann immer beim lieben Gott, nicht beim DFB." Es ist nur eine Geschichte von vielen - denn die Anekdoten, die sich um die Erlebnisse dieses Mannes ranken, sind in ihrer Anzahl wie inhaltlich spektakulär.
Und häufig hatte der aufbrausende, stets eher emotional denn rational agierende Präsident bei seinen Aktionen ein Glas gut gekühltes Kölsch in der Hand. Am nächsten Tag, als er dann die Schlagzeilen über sich las, reagierte Löring zumeist erstaunlich gelassen. Denn sein Spruch dazu war: "Morgens denke ich nicht, da nüchtere ich höchstens meinen Kater aus." Für Fortuna Köln tat er eben alles - denn es war SEIN Klub, wie er bei der Entlassung des Trainers Toni Schumacher in der Halbzeitpause einer Partie selbst so schön einmal sagte: "Ich als Verein musste reagieren!"
"Hau ab in die Eifel!"
Dieser 15. Dezember 1999 war ohnehin ein besonderer Augenblick in der Geschichte der Stadt. Zur Halbzeit des Spiels gegen den SV Waldhof Mannheim stand es 0:2. Löring war außer sich. Beim Gang in die Katakomben fragte er die Ordner, was er denn jetzt tun solle? Einstimmige Antwort: Du musst den Toni entlassen. Und das tat Löring dann auch. Sein Wortlaut vor der versammelten Mannschaft in der Kabine: "Hau ab in die Eifel. Du machst meinen Verein kaputt. Du hast hier nichts mehr zu sagen, du Wichser!" Die Partie endete übrigens 1:5. Natürlich hatten die Ordner eigentlich gemeint, dass man den "Kölner Jung" Schumacher wie gewöhnlich nach dem Spiel entlassen solle und nicht mittendrin.
Auch für einen anderen Trainer setzte sich der impulsive Präsident einst lieber selbst auf die Bank. Zuvor hatte er seinen Übungsleiter Volker Kottmann entlassen. Dessen Verhalten erschien ihm suspekt: "Ich kann keinen Trainer gebrauchen, der am Freitag die Sterne fragt, wen er am Samstag aufstellen soll. Nach dem Motto: Wenn der Jupiter schlecht steht, dann spielt der nicht, bei der Venus darf der mal ran!" Für seine geliebte Fortuna gab es eben nichts, was es für Löring nicht gab - egal, wie irre die Geschichte auch war.
So soll der gelernte Elektriker angesichts einer deutlichen Führung seines Klubs, als bei einem Spiel der Rot-Weißen wenige Minuten vor Schluss der Begegnung das Flutlicht ausfiel, die Behebung des Kurzschlusses im wahrsten Sinne des Wortes selbst in die Hand genommen haben: Mit bloßen Arbeiterprangen hielt er zwei Starkstromkabel bis zum Schlusspfiff zusammen. Doch selbst der charismatische Präsident und seine spektakulären Aktionen konnten leider nie etwas am mangelnden Zuschauerinteresse in der Südstadt ändern. Und so war der Verein häufig sogar dem Gespött der Fußball-Öffentlichkeit ausgesetzt.
"Wenn Sie Namen wissen wollen ..."
Der legendäre WDR-Moderator Eddie Körper hatte einmal vor dem Spiel der Fortuna gegen den SV Meppen live im Radio gesagt: "Das Spiel sehen 500 Zuschauer. Wenn Sie Namen wissen wollen, rufen Sie uns an." Doch das wollten die Kölner Offiziellen nicht auf sich sitzen lassen: Sie teilten Körper mit, dass nicht 500, sondern genau 1308 Zuschauer im Stadion gewesen seien - und fügten dem Brief ein kleines Paket anbei, in dem sie eine Rechenmaschine verstaut hatten. Doch das half alles nichts. Einige Jahre später griff der populäre TV-Kommentator Werner Hansch die alte Geschichte süffisant wieder auf und rief ins Mikrofon: "Und wieder nur 500 Zuschauer im Kölner Südstadion, rufen Sie an und ich gebe Ihnen die Namen durch."
Und dann verscherzte es sich Jean Löring Anfang der neunziger Jahre auch noch höchstpersönlich mit einer speziellen Zuschauergruppe - den Beamten. Als seine Spieler mal wieder nicht so agierten, wie er sich das vorstellte, warf er ihnen mangelnde Berufsauffassung und "Beamtenmentalität" vor. Er verglich ihr Verhalten mit dem seines Briefträgers: "Kommst du heute nicht, kommst du morgen." Die Beamtenverbände liefen natürlich Sturm.
Aber im Grunde war der Protest auch ganz praktisch. Denn die notorisch unter Zuschauermangel leidenden Südstädter hatten endlich einmal eine plausible Erklärung für die wenigen Anhänger. Und als kurz nach Lörings Aussage gegen Bayreuth nur noch rund 450 Menschen den Weg ins Fortuna-Stadion fanden, erklärte Kölns Vorstandsmitglied Rudolf Fähnrich das mangelnde Interesse ganz einleuchtend: "Ist doch kein Wunder. Die Briefträger sind allesamt nicht gekommen."
"Alles gelogen!"
Auch mit einer anderen Berufsgruppe hatte es Löring in seiner fast dreißig Jahre andauernden Zeit als Fortuna-Mäzen nicht so. Denn die Männer in Schwarz waren für ihn oftmals ein rotes Tuch. Legendär ist seine Anmoderation nach einem Spiel seines Klubs: "Nachdem die größte Witzfigur, die ich seit 35 Jahren kennengelernt habe, das Fußballspiel Fortuna Köln gegen Hertha BSC abgepfiffen hat, eröffne ich die Pressekonferenz."
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Ein anderes Mal war er sogar so wütend auf die Leistung des Schiedsrichters, dass er hinterher in die Schiri-Kabine lief und auf den offiziellen Berichtsbogen "Alles gelogen!" schrieb. Löring wurde vom DFB mit einem Stadionverbot bestraft. Doch da es kurz vor Weihnachten war, schnappte er sich ein rotes Kostüm, einen Rauschebart und dicke schwarze Winterstiefel und stellte sich unerkannt in die Kurve seiner Fortuna.
In der Spielzeit 1990/91, die Jean Löring mal wieder mit so viel Vorfreude und Begeisterung angegangen war ("Mit den Dresdenern können wir den Aufstieg packen. Die kennen das Gefühl Meister zu werden") sollte es erneut nicht klappen - wie in all den Jahren darauf ebenfalls nicht. Und als schließlich auch noch der Sponsor der Fortuna das großzügige Angebot von Jean Löring ausschlug ("Sie bekommen eine Million von mir, wenn Sie Fortuna Köln als Präsident übernehmen"), dämmerte es dem immer so emsigen und leidenschaftlichen Mäzen langsam, dass seine Zeit vorbei war. Im Jahr 2001 gab Jean Löring sein Präsidentenamt bei der Fortuna ab. Nur vier Jahre später verstarb eine der schillerndsten Persönlichkeiten der deutschen Fußballgeschichte in seiner Heimatstadt Köln.
Quelle: ntv.de