
Simone Thomalla und Rudi Assauer waren Werbeikonen.
Vor 20 Jahren hielt die TV-Gemeinde an einem Sonntagmorgen den Atem an. Hatte der Moderator des "Doppelpass" das gerade wirklich live im deutschen Fernsehen gesagt? Der verbale Tiefschlag von Jörg Wontorra unter die Gürtellinie von Rudi Assauer schrieb im September 2005 TV-Geschichte.
"Ich zische gerne mal ein Bierchen, aber ich habe kein Alkoholproblem." Schalkes Manager Rudi Assauer war sauer. Nicht nur, dass sein Klub in der Champions League einen klassischen Fehlstart in Eindhoven hingelegt hatte und er daraufhin Ärger mit seinem Aufsichtsrat bekam, weil er direkt nach der Niederlage nicht nur das Team scharf kritisiert hatte, sondern auch Coach Ralf Rangnick ("Das war eine Katastrophe, eine Frechheit. Darüber reden wir noch. Auch mit dem Trainer!").
Nein, nun musste er auch noch eine harte Attacke von "Doppelpass"-Moderator Jörg Wontorra - live beim sogenannten TV-Frühschoppen am Sonntagmorgen geäußert - kontern. Rudi Assauer war im September vor zwanzig Jahren wahrlich nicht zu beneiden.
Alles angefangen hatte mit einem eher durchschnittlichen Start in der Liga und dem dann folgenden unglücklichen Beginn in der Champions League. Als Vizemeister der Vorsaison hatten sich auf Schalke zuvor Erwartungen gebildet, die nun nach wenigen Wochen bereits wieder wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen drohten. Assauer, der alte Fuchs, ahnte da offensichtlich bereits, dass die Entwicklung in die falsche Richtung lief - doch im Verein hatten sich die Machtverhältnisse mittlerweile verschoben.
"... ein ganz kleines Problem"
Und das merkte der langjährige Schalker Manager nicht nur durch den direkten Gegenwind im Klub ("Rudi ist emotionsgeladen - okay. Aber er tut sich und auch uns keinen Gefallen, wenn er rumtobt und anfängt, den Trainer anzuzweifeln", Aufsichtsrat Clemens Tönnies), sondern vor allem auch an dem verbalen Fausthieb unter die Gürtellinie von TV-Legende Jörg Wontorra. Der hatte nach den Steilvorlagen der Schalker Offiziellen ziemlich schamlos in der "Doppelpass"-Runde gefragt: "Wenn man da so ein bisschen auf den Zungenschlag hört, die 'Bild' würde da sehr doppeldeutig titeln: 'Assauer voll dabei'. Das ist vielleicht auch noch ein ganz kleines Problem, das man besprechen sollte. Inwieweit sollte ein Manager aufpassen, dass sein Grundnahrungsmittel nicht den ganzen Tag über flüssig ist?"
Ein Aussetzer, der Fernsehgeschichte schrieb. Denn nun war es der TV-Moderator plötzlich selbst, der im Fokus der Schlagzeilen stand - und sogar um seinen Job fürchten musste, wie Wontorra erst neulich in einem Interview mit den "Lübecker Nachrichten" erzählte: "Ich hatte in der Beziehung riesengroßes Glück." Denn von seinem Sender gab es damals ein Statement, das keine Zweifel offen ließ. DSF-Geschäftsführer Thomas Deissenberger: "Diese niveaulosen Äußerungen gegenüber Rudi Assauer waren ein Alleingang von Jörg Wontorra. Ohne jegliche Rücksprache mit der Redaktion. Das DSF kann und wird ein solches Verhalten nicht akzeptieren. Jörg Wontorra wird mit disziplinarischen Konsequenzen rechnen müssen."
Doch diese führten am Ende nicht zum Ausschluss von der Sendung für Wontorra, weil Assauer besonnen reagierte und gemeinsam mit dem TV-Moderator alle Unstimmigkeiten "sportlich fair aus der Welt" (Wontorra) räumte: "Er hat mich zweimal persönlich angerufen, Sonntagabend und Montagvormittag, und mir gesagt, dass es ihm furchtbar leidtut. Es war ein Blackout. Ich habe die Entschuldigung mit dem Hinweis angenommen, dass er das in der nächsten Sendung geraderückt. Hätte ich seine Entschuldigung nicht angenommen, hätte es seinen Kopf gekostet."
Möglicherweise hatte sich Jörg Wontorra damals auch etwas von der überaus populären Bierwerbung leiten lassen, die Assauer mit seiner damaligen Lebensgefährtin Simone Thomalla seit 2003 unter dem Motto "Nur gucken, nicht anfassen" in mehreren Spots in Szene setzte.
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"Ob Sie dann noch hier sitzen?"
Und zudem hatte es Neckereien zuvor auch schon vom Schalker Manager in Richtung des TV-Moderators gegeben. In einer Sendung im Jahr 2002 hatte Assauer auf die Frage, ob er eine Schalker Meisterschaft noch als Alterspräsident miterleben würde, geantwortet: "Herr Wontorra, ich weiß nicht, ob Sie heute Morgen schon in den Spiegel geguckt haben? Erstens sind Sie zwanzig Jahre jünger als ich und sehen vierzig Jahre älter aus als ich. Und in der Tat werde ich es noch erleben, dass Schalke 04 in den nächsten Jahren Meister wird. Die Frage sei erlaubt, ob Sie dann noch auf dem Stuhl hier sitzen?"
Eine deutsche Meisterschaft konnten sie auf Schalke zwar nicht mehr feiern, aber im Nachhinein muss man sagen, dass Assauer mit seiner Kritik am Trainer früh in der Saison am Ende recht behalten sollte. Rangnick musste noch vor der Winterpause gehen.
Doch die Differenzen im Verein selbst verliefen tiefer. Rudi Assauer trat im Mai 2006 als Manager zurück, nachdem ihm der Aufsichtsrat einstimmig das Vertrauen entzogen hatte. Und so war der verbale Tiefschlag von Jörg Wontorra im Rückblick nur einer der vielen kleinen Hiebe auf dem Weg zum endgültigen Aus des langjährigen und legendären Managers Rudi Assauer auf Schalke.
Quelle: ntv.de