Fußball-WM 2018

WM? Gut fürs Geschäft! Adriano dankt der Copa und der Fifa

Adriano wohnt in Salvador da Bahia. Er interessiert sich nicht für Fußball, findet die WM aber gut - weil er von ihr profitiert.

Adriano wohnt in Salvador da Bahia. Er interessiert sich nicht für Fußball, findet die WM aber gut - weil er von ihr profitiert.

Dass in Brasilien viel im Argen liegt, sieht auch Adriano. Doch der Geschäftsmann steht für die schweigende Mehrheit in Land, die nicht gegen die WM protestiert. Schuld sei die Regierung, die sich dem Diktat der Fifa beugt.

Es ist nicht so, dass Adriano nicht nachdenkt über diese Fußball-Weltmeisterschaft. Er kommt nur zu einem anderen Schluss als die, denen es lieber wäre, das Turnier würde nicht in Brasilien stattfinden. Adriano ist 43 Jahre alt, er wohnt mit seiner Frau in einem der besseren Viertel von Salvador da Bahia, der Stadt an der Atlantikküste, in der die deutsche Mannschaft ihr erstes Gruppenspiel mit 4:0 gegen Portugal gewonnen hat. Die beiden haben drei Kinder und sind Teil von dem, was man vielleicht auch in Deutschland noch als Mittelschicht bezeichnen würde. Für Brasilien heißt das: Es geht ihnen also gut.

Nicht alle Bewohner von Salvador da Bahia sind im WM-Fieber.

Nicht alle Bewohner von Salvador da Bahia sind im WM-Fieber.

(Foto: imago/GlobalImagens)

Adriano interessiert sich nicht sonderlich für Fußball. Auch das kommt in Brasilien vor. Aber er interessiert sich für die WM. Er denkt und handelt da ganz pragmatisch. Das Turnier ist gut fürs Geschäft. Er vermietet Autos an Touristen und fährt sie durch die Stadt, wenn sie es wollen. Gäste kommen dank der WM zahlreicher als sonst, im Winter ist sonst nicht viel los. Wobei Winter im Nordosten des Landes heißt: 28 Grad und ab und zu ein Schauer.

Adriano fährt mit offenen Augen in seinem schwarzen Ford Mondeo durch die Stadt. Das bietet sich an, grundsätzlich natürlich und in Salvador besonders, weil der Verkehr überwältigend ist. Er sieht durch die getönten Scheiben, dass vieles im Argen liegt. Ständig steht er im Stau, an vielen Stellen haben sie die Straßen aufgerissen, um sie bis zur WM breiter und schöner zu machen. Nur: Sie haben es nicht überall zu Ende gebracht. Arbeiter sind nicht zu sehen. Aber sonst, sagt Adriano, "sind die Straßen viel besser geworden. Weniger Schlaglöcher, neuer Asphalt, da lässt es sich besser fahren". Gut fürs Geschäft. Dank der "Copa".

Die U-Bahn ist fertig - sechs Kilometer nach 14 Jahren

An der U-Bahn haben sie 14 Jahre lang gebaut, jetzt sind sechs Kilometer fertig, drei Stationen gibt es. Benutzen darf sie nur, wer eine Eintrittskarte für eines der sechs Spiele hat, die in Salvador stattfinden. "Nach der WM soll sie für alle fahren", sagt Adriano. "Das ist doch gut." Klar sei das eine unverschämt lange Bauzeit. "Aber ohne die WM wäre gar nichts passiert." Er selbst schaut sich kein Spiel im Stadion an, er hat sich vorgenommen, jeden Tag so viel wie möglich zu arbeiten und so viel Geld wie möglich zu verdienen. "Aber Freunde von mir haben Karten für die Spiele hier in Salvador bekommen und sind überglücklich."

Adriano profitiert. Aber was ist mit den Protesten? Was sagt er dazu, dass der brasilianische Staat aberwitzige Milliardensummen ausgegeben hat, um neue Fußballstadien erbauen zu lassen? Anstatt das Geld für Bildung, Gesundheit und dafür auszugeben, die teilweise katastrophale Infrastruktur zu verbessern? Auch darüber hat Adriano nachgedacht. Und antwortet: "Ob mit oder ohne Copa, diese Dinge liegen im Argen. Daran hätte sich aber auch nichts geändert, wenn Brasilien die WM nicht veranstaltet hätte." Und schließlich habe die Fifa sich nicht aufgedrängt.

Brasilien beugt sich dem Diktat der Fifa - wie alle anderen auch

"Die Proteste müssten sich gegen die Regierung richten." Die Arbeiterpartei PT von Präsidentin Dilma Rousseff "ist eine der korruptesten Parteien, die dieses Land je gesehen hat", sagt Adriano. Ihr größter Fehler sei es gewesen, "der Fifa absolute Steuerfreiheit einzuräumen". Die Wahlen im Oktober seien der richtige Zeitpunkt, sie dafür abzustrafen. Dem Weltverband dürfte das egal sein. Wer mit der Fifa ins Geschäft kommen will, muss ihr zusichern, dass sie auf ihre Gewinne keine Abgaben zahlen muss. Wer die WM ausrichten will, muss sich diesem Diktat beugen. Brasilien hat das wie alle anderen Gastgeber zuvor getan - und lässt sich die WM etwa acht Milliarden Euro kosten. Die Fifa hingegen verdient geschätzte 1,5 Milliarden Euro.

Seine älteste Tochter, erzählt Adriano zum Schluss, ist 18 Jahre alt. "Sie gehört zu denen, die die WM ablehnen." Argemiro Almeida würde sich darüber freuen. Der WM-Gegner Aktivist im Volkskomitee von Salvador, den wir auch getroffen haben, kämpft für einen, wie er es nennt, "kritischen Diskurs". Wieder eine, bei der seine Botschaft angekommen ist. Aber es bleibt ein Kampf gegen Windmühlen. Eine Massenbewegung ist der Protest nun wirklich nicht. Adriano drückt es so aus: "Die Fifa hat uns viel Gutes gebracht." Die Frage der Gegner, Copa pra quem?, WM für wen?, beantwortet er so: Für ihn, seine Familie - fürs Geschäft.

Quelle: ntv.de

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