Die große Nacht von Rom Als Brehme ganz Deutschland jubeln ließ
12.07.2014, 15:52 Uhr
Matthäus wollte nicht schießen, Brehme verwandelte sicher - da klatscht sogar der Argentinier.
Argentinien ist zum dritten Mal WM-Endspielgegner der Deutschen. Beim ersten Aufeinandertreffen 1986 kommt die DFB-Elf gegen einen überragenden Maradona nicht an. Vier Jahre später stürzt ein einziger Elfmeter das Land in einen Freudentaumel.

Ciao Kaiser! Franz Beckenbauer brachte Deutschland als Trainer ab 1984 wieder auf Erfolgskurs.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Andreas Brehme zielte in der 85. Minute ganz genau: Flach, knapp neben den linken Pfosten platzierte er am 8. Juli 1990 im Olympiastadion von Rom den wichtigsten Elfmeter seiner Karriere und sorgte für grenzenlose Freude im sich wiedervereinigenden Deutschland. Das Tor zum hochverdienten 1:0 (0:0)-Sieg über Argentinien bescherte der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes den dritten WM-Titel nach 1954 und 1974 - und diente als Revanche für das 2:3 im Endspiel vier Jahre zuvor in Mexiko-Stadt.
Der zweite Triumph der Südamerikaner um den überragenden Diego Maradona war damals so gerecht wie der des deutschen Teams um Antreiber Lothar Matthäus in Italien. Matthäus wollte den Elfmeter im Finale nicht schießen - er musste in der Halbzeit seine Schuhe wechseln, weil Stollen herausgebrochen waren. Brehme blieb cool gegen Elfmeter-Töter Sergio Goycochea, der im zweiten Spiel Stammkeeper Nery Pumpido nach dessen Schienbeinbruch ersetzte.
Die Argentinier schimpften nicht nur wegen des Fallers von Rudi Völler im Strafraum auf Schiedsrichter Edgardo Codesal Mendez. Der Mexikaner stellte zwei der nur auf Spielzerstörung ausgerichteten Südamerikaner vom Platz. Maradona konnte sich gegen Guido Buchwald nie durchsetzen, der bei der WM den Spitznamen "Diego" bekam. Defensive Ausrichtung trotz eines Weltstars in der Offensive, dazu ein Elfmeter-Spezialist im Tor - manches erinnert an Argentiniens Auftritte in diesem Sommer in Brasilien.
"Wir sind über Jahre nicht mehr zu besiegen"
"Die Voraussetzungen sind ähnlich wie 1990", sagte Buchwald. Der 53-Jährige empfahl, Messi wie einst Maradona "die Lust am Fußball zu nehmen". Buchwald erklärte seinen Plan gegen Maradona: "Es war ganz wichtig, ihm wenig Ballkontakte zu geben, dass er nicht mit dem Gesicht auf einen zudribbeln kann, denn dann war er unberechenbar." Teamchef Franz Beckenbauer habe ihm im Vorfeld selbst überlassen, wie er seine Spezialaufgabe angehen solle. "Er hat gesagt: Du kennst ihn, du bist gut drauf, schalt ihn aus."
Beckenbauers einsamer Spaziergang über den Rasen nach dem Abpfiff wurde eines der prägenden Bilder des Finales. 16 Jahre nach seinem WM-Titel als Spieler behauptete der "Kaiser" angesichts der bevorstehenden Vereinigung kühn: "Wir sind über Jahre nicht mehr zu besiegen. Es tut mir leid für den Rest der Welt, aber es ist so." Fast ein Vierteljahrhundert ist seitdem vergangen, am Sonntag soll das Warten auf WM-Titel Nummer vier endlich vorbei sein. Matthäus lobte Beckenbauer als Baumeister der damals wiedergefundenen Stärke des deutschen Fußballs.
Der Kapitän des Weltmeisterteams von 1974 saß wenige Monate nach dem Vorrunden-Aus bei der EM erstmals am 12. September 1984 auf der Bank. In Düsseldorf gab es ein 1:3 - gegen Argentinien. Knapp zwei Jahre später folgte ein Wiedersehen, das so wohl kaum jemand erwartet hatte - im WM-Endspiel am 29. Juni 1986. Dank ihrer Turnierqualitäten schaffte es Beckenbauers Truppe trotz spielerisch mäßiger Leistungen ins insgesamt fünfte Finale eines DFB-Teams.
Mit Helmut Kohl in der Kabine
Dort patzte ausgerechnet der bis dahin überragende Toni Schumacher vor dem 0:1. Der Kölner Torhüter verpasste eine Flanke, Abwehrchef José Luis Brown köpfte ein (23.). Als Jorge Valdano (56.) erhöhte, schien die Partie zur Mittagszeit zugunsten des Favoriten entschieden. Doch Beckenbauers Schützlinge zeigten vor fast 115.000 Zuschauern im Azteken-Stadion ungeahnte Qualitäten.
Kapitän Karl-Heinz Rummenigge (74.) und der für Klaus Allofs zur Pause eingewechselte Völler (81.) schafften den nicht mehr für möglich gehaltenen Ausgleich. In die Euphorie hinein schloss Jorge Burruchaga (84.), auf Pass von Maradona, einen Konter gegen die entblößte deutsche Abwehr zum Sieg ab.
Auf der Tribüne saß bei beiden Endspielen Bundeskanzler Helmut Kohl. 1990 gratulierte er den halbnackten Siegern in der Kabine zum Titel und musste aufpassen, keine Champagner-Spitzer abzubekommen, während Völler eine Sause ankündigte und die Spieler "We are the champions" sangen. Was Selfies sind, konnte damals noch niemand wissen.
Quelle: ntv.de, Robert Semmler, dpa