Fia zeigt Gnade für McLaren Ende eines Patriarchen
29.04.2009, 14:57 UhrEin Kommentar von
Markus Mechnich
Bewährung für McLaren. Die Silbernen unter Beobachtung für den Rest der Saison. Das ist das Urteil der Rennkommission der Fia in der Lügen-Affäre von Melbourne. Das hört sich zunächst mal hart an. Auf den zweiten Blick ist der Entscheid des Ausschusses jedoch die mildeste Variante, die man sich vorstellen konnte. McLaren-Mercedes ist gut aus der Geschichte rausgekommen. Sollten sich das Team nochmals irgendwas zu Schulden kommen lassen, dürfte es so oder so ziemlich ungemütlich werden für den britisch-deutschen Rennstall.
Lewis Hamilton jedenfalls werden heute gleich mehrere Steine vom Herzen gefallen sein. Der junge Fahrer, der sich unter der Anleitung von Ron Dennis und seinem Sportdirektor Dave Ryan zu der dreisten Lüge hat hinreißen lassen, musste ernsthaft um die gesamte Saison fürchten. Nun kann er relativ beruhigt weiterfahren und versuchen, seinen in Bahrein erkennbaren Aufwärtstrend weiter zu verfolgen. Auch das Team ist mit einem blauen Auge davon gekommen. Glimpflicher ging es kaum.
Das Urteil deckt aber auch auf, was in den vergangenen Jahren zwischen McLaren-Mercedes und der Fia schief gelaufen ist. Und das konzentriert sich in der Person von Ron Dennis. Der entlassene Dave Ryan hatte sicher seinen Anteil an dem Missverhalten in Australien, doch nichts passierte bei McLaren ohne den Segen des Team-Patriarchen Dennis. Und der war schon länger sich selbst ein Problem.
43 Jahre Motorsport
Seit 1981 ist der 61-Jährige in der Formel 1 aktiv. Damals kaufte er sich bei McLaren ein. Im Motorsport ist er aber bereits seit 1966 unterwegs. Damals startete er als Mechaniker bei Copper Racing Cars, wechselte später zu Brabham und wurde 1971 dort Chefmechaniker. Die Partnerschaft zwischen McLaren und Mercedes geht maßgeblich auf sein Wirken zurück. Als bisherige Höhepunkte dieser Ehe können die WM-Titel von Mika Häkkinen 1998 und 1999 sowie der Erfolg von Lewis Hamilton im vergangenen Jahr gelten. Viel Erfahrung im Rennzirkus also.
Doch diese hat ihn nicht vor entscheidenden Fehlern bewahrt. Allen voran stand ihm immer seine Arroganz und Beratungsresistenz im Wege. Er galt als einer der schwierigsten Teamchefs überhaupt. Und das will im Zirkus der Eitelkeiten namens Formel 1 schon was heißen. Das wäre vielleicht noch verzeihlich gewesen. Als er aber vor geraumer Zeit zunehmend versuchte, bei den mächtigen Bossen des Formel-1-Geschäfts, namentlich Fia-Chef Mosley und Bernie Ecclestone, in den Pfründen zu wildern, war das Maß voll. Zuletzt hatte er über die Vereinigung der Teams, der Fota (Formula One Teams Association), versucht, seinen Einfluss zu vergrößern, obwohl er selbst dabei kaum in Vordergrund trat.
Harte Strafen gegen McLaren
Die Mächtigen schlugen zurück wo sie nur konnten. MacLaren-Mercedes wurde bereits in der vergangenen Saison teils überhart bestraft. Die 25-Sekunden-Strafe für Hamilton beim Rennen in Spa, die ihn fast den WM-Titel gekostet hätte, ist sicherlich gegen Dennis gerichtet gewesen. Ebenso wie die Zurückversetzung nach einer Rempelei in den Boxen zwischen Hamilton und Rosberg beim Rennen in Kanada.
Aber da wunderte das harte Vorgehen schon gar nicht mehr. Denn im Jahr zuvor hatte sich McLaren von einem frustrierten Ferrari-Mechaniker geheime Unterlagen der Italiener andrehen lassen. Über den tatsächlichen Nutzen dieser Dokumente bleibt die F1-Welt bis heute im Unklaren. Die Rekordstrafe von 100 Millionen Euro und die Aberkennung des Konstrukteurstitels war jedoch ein Exempel, das die Fia an McLaren statuiert hatte.
Massiver Druck von Mercedes
Auf Druck von Mercedes hatte man jetzt im Zuge der Lügenaffäre die Konsequenzen gezogen. Ron Dennis hatte zunächst seinen Sportdirektor Ryan entlassen und wohl geglaubt, dass es damit getan sei. Doch für die Schwaben war diesmal das Maß voll. Es wurde unmissverständlich klar gemacht, dass der Stern nicht zwangsläufig auf dem McLaren prangen müsse. Zumal der Gegenwind in der Heimat durch die Wirtschaftskrise immer heftiger wurde. Erst auf das massive Einwirken von Mercedes kam der Rücktritt zustande. Von Einsicht bei Dennis war jedenfalls wenig zu spüren.
Das Urteil der Fia untermauert ein neues Aufeinanderzugehen zwischen McLaren-Mercedes und dem Weltverband. Es ist eine ausgestreckte Hand der Organisation an das Team. Wenn nichts mehr Derartiges vorkommt, dann ist ein Neuanfang möglich. Das ist vor allem dem neuen Teamchef Martin Whitmarsh zu verdanken. Ganz anders als Dennis ist er eine diplomatische Persönlichkeit, der vermittelt und nicht polarisiert. Deshalb ist zu hoffen, dass künftig wieder der Sport im Vordergrund steht und Rennergebnisse nicht mehrfach in einer Saison am grünen Tisch revidiert werden. Das freut die Fans und dient dem Sport. Um den geht es schließlich am Ende doch im Jahrmarkt der Befindlichkeiten namens Formel 1.
Quelle: ntv.de