Kolumnen

Bayern entlässt Klinsmann Rolle rückwärts

Ein Kommentar von
Stefan Giannakoulis

Was wäre eigentlich passiert, wenn Jürgen Klinsmann Trainer des FC Bayern München geblieben wäre? Nicht nur bis zum Saisonende, nein, sagen wir, die kommenden fünf Jahre.

Was wäre, wenn die Verantwortlichen gesagt hätten: Leute, hört mal zu. In dieser Saison ist nicht alles so gelaufen, wie wir uns das gewünscht haben. Wir werden noch versuchen, Deutscher Meister zu werden. Wenn es klappt – wunderbar. Wenn nicht – Mund abputzen und weiter. Was wäre, wenn sie gesagt hätten: Jürgen Klinsmann braucht Zeit. Er hat nicht alles richtig gemacht, aber es ist ja auch sein erster Job in einem Verein. Wir haben das vorher gewusst, ihn aber dennoch geholt. Wir haben uns das damals gut überlegt, so schnell ändern wir unsere Meinung nicht. Weil wir glauben, dass er ein guter Trainer werden kann. Jetzt unterstützen wir ihn und überlegen, wie wir aus dem Schlamassel wieder herauskommen.

Wir werden es nie erfahren

Ja, was wäre dann gewesen? Wissen wir auch nicht, waren ja auch eine ganze Menge rhetorischer Fragen. Vielleicht wäre es schiefgegangen. Vielleicht wäre es der Beginn einer wunderbaren Erfolgsgeschichte geworden. Wir werden es nie erfahren. Denn darum geht es nicht. So läuft das im bezahlten Fußball nicht.

Der FC Bayern München, immer noch Deutscher Fußballmeister, hat beschlossen, nicht länger mit Jürgen Klinsmann zusammenzuarbeiten. Das ist eine Nachricht, die viel Aufsehen erregt, wie alles, was rund um den FC Bayern geschieht. Dennoch ist es eine Nachricht, die im Kern wenig überrascht. Die "Süddeutsche Zeitung" deutete seit Wochen an, dass der Rauswurf Klinsmanns spätestens nach dem Ende der Saison beschlossene Sache sei. Die "Bild"-Zeitung ließ ihre Leser bereits darüber abstimmen, wer der beste Nachfolger für Klinsmann sei, titelte beinahe täglich, dass es nun aber ganz, ganz eng für den umstrittenen Trainer werde und zählte die Tage herunter. Alle anderen machten mit.

Hilflose Entscheider

Das Problem dabei war, dass nur die Chefs des FC Bayern Klinsmann entlassen konnten. Und die sagten wochenlang – nichts. Die Entscheider schwiegen, allen voran Manager Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Das muss im Nachhinein als Hilflosigkeit gedeutet werden. Sie wussten einfach nicht, was sie machen sollten. Sie wussten aber: Wenn sie Klinsmann scheitern lassen, scheitern auch sie. Weil sie es waren, die Klinsmann im vergangenen Jahr geholt hatten, ihn mit vielen Kompetenzen und einem Trainerstab in Mannschaftsstärke ausstatteten. In der Hoffnung auf eine glänzende Zukunft, auf dass er den FC Bayern dahin führe, wo er ihrer Meinung nach hingehört – in den Kreis der europäischen Spitzenklubs.

Das hat Klinsmann nicht geschafft. Die Mannschaft ist in der Champions League und im DFB-Pokal im Viertelfinale ausgeschieden, in der Bundesliga steht sie auf Platz drei, drei Punkte hinter dem VfL Wolfsburg. Jetzt soll Jupp Heynckes retten, was zu retten ist. Nichts könnte die Hilflosigkeit der Verantwortlichen besser dokumentieren als diese Rolle rückwärts. Jupp Heynckes ist 63 Jahre alt und hatte mit seinem Beruf als Fußballlehrer schon abgeschlossen und ist, wenn es das gibt, das Gegenteil eines Visionärs. Schon einmal, von 1987 bis 1991, hatte er die Bayern trainiert. Bis die Chefs, allen voran Uli Hoeneß, ihn entließen. Aber so ist das Geschäft.

Wird der Verein aufgelöst?

Was passiert eigentlich, wenn der FC Bayern München mal keinen Titel gewinnt? Was geschieht, wenn der FC Bayern nur im Uefa-Cup spielt? Wird der Verein aufgelöst? Kommt Uli Hoeneß ins Gefängnis? Werden alle Fans gezwungen, den Stadtrivalen 1860 München in der Zweiten Liga zu unterstützen?

Nein. Der FC Bayern wird weiter in der Fußball-Bundesliga spielen, sich wahrscheinlich für die Champions League qualifizieren, vielleicht die Europe League gewinnen und den DFB-Pokal. Die Arena in München wird ständig ausverkauft sein, die Stimmung im Stadion trotzdem mau, das Fernsehen wird viel Geld dafür ausgeben, darüber berichten zu dürfen – und alle Angestellten des Vereins werden weiterhin in der Lage sein, sich und ihre Familien anständig zu ernähren. Aber darum geht es nicht.

Stefan Giannakoulis ist Sportredakteur bei n-tv.de.

Quelle: ntv.de

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