Vom Mitläufer zum "Capitano" Schweinsteiger jetzt in der Pflicht
17.05.2010, 15:03 UhrAlles Zetern über Treter Kevin-Prince Boateng hilft nichts: Die WM findet trotzdem statt, ohne Ballack, mit Deutschland. Andere Spieler sind nun gefragt, den Unersetzlichen zu ersetzen.

Bastian Schweinsteiger muss in Südafrika den Ballack geben. Die Fähigkeiten dazu hat er.
(Foto: REUTERS)
Es ist passiert: Deutschland muss die Fußball-WM in Südafrika ohne Michael Ballack bestreiten. Ohne seinen "Capitano", den Leader, sein Aushängeschild. Nicht Ballacks Wade sorgt diesmal für einen kollektiven Aufschrei der Nation – es ist das Sprunggelenk samt Bändern, das einen Einsatz am Kap der Guten Hoffnung unmöglich macht. Schuld ist das brutale Foul von Kevin-Prince Boateng. Der ehemalige Herthaner und Dortmunder und pikanterweise ghanaische Nationalspieler trat den deutschen Nationalmannschaftskapitän im FA-Cup-Finale ins WM-Aus. Er sah dafür gelb. Das war's. In Deutschland sieht man nun rot und das hat gute Gründe.
Nach dem verletzungsbedingten Karriereende des "weißen Brasilianers" Bernd Schneider, der Nicht-Berücksichtigung von Torsten Frings und dem Ausfall des "Capitano" gehen Bundestrainer Joachim Löw die Führungsspieler in seinem jungen Team aus. Mit Miroslav Klose, Jörg Butt und Arne Friedrich sind nur drei Spieler älter als 30 Jahre. Führungsspieler, die eine Partie allein entscheiden können, sind sie im Gegensatz zu Ballack nicht. Jeder erinnert sich noch an die EM 2008 und seinen fulminanten Freistoß gegen Österreich. Spieler, die mit ihrer Erfahrung ein Spiel lesen und lenken können. So wie es Schneider oder Ballack bei jedem großen Turnier gezeigt haben. Spieler, die ob ihres Auftretens als Vorbild in der Mannschaft und auch neben dem Platz gelten und das Team gegebenenfalls in schwierigen Situationen mitreißen können. All das vereint der Fußballer Michael Ballack.
Schweinsteiger muss sich beweisen
Aber: Auf ihn muss Löw nun verzichten. Doch alles Zetern über Treter Boateng hilft nichts. Die WM findet trotzdem statt, ohne Ballack, mit Deutschland: Nun sind andere Spieler gefragt, in Ballacks Fußstapfen zu treten, Verantwortung zu übernehmen und Deutschland bei der WM möglichst – wie von allen gehofft - bis zum Titel zu führen. Zuallererst ein Bastian Schweinsteiger. Aus "Schweini" ist bei Bayern München in dieser Saison ein Führungsspieler geworden. Er ist im Mannschaftskreis anerkannt, fährt – wenn alles klappt – als historischer Triple-Gewinner voll Selbstvertrauen nach Südafrika und sollte mit seinen über 70 Länderspielen auch die Nationalelf führen können. Auch wenn er erst 25 Jahre ist.

Die deutsche Doppel-Sechs werden in Südafrika nun wohl Schweinsteiger und Sami Khedira bilden.
(Foto: picture alliance / dpa)
In Löws WM-Konzept sollte Schweinsteiger mit Ballack zusammen eine kongeniale Doppel-Sechs bilden. Abwechselnd mit ihm nach hinten absichern und gleichzeitig das deutsche Spiel nach vorne ankurbeln und Offensivakzente setzen. Nun obliegt ihm diese besondere Rolle im deutschen Spiel allein. Offensiv mag das kein Problem sein. Mit Mesut Özil, Toni Kroos oder auch Thomas Müller und Marko Marin gibt es genügend Spieler mit Potenzial, die ihn dabei unterstützen könnten. Der Defensivpart ist am ehesten Sami Khedira zuzutrauen. Mehr gleichwertige Alternativen sucht man vergebens. Eine Nominierung von Frings, wie sie nicht nur n-tv-Experte Olaf Thon fordert, erscheint unwahrscheinlich nach Frings' Auseinandersetzungen mit Bundestrainer Löw. Momentan schließt Löw, auch wenn das noch nichts heißen muss, Nachnominierungen kategorisch aus.
Enorme Last, riesige Chance
Die Last auf Schweinsteigers Schultern ist daher enorm. Trotz seiner hohen Anzahl an Länderspielen musste er bisher nie die Verantwortung tragen, eine deutsche Elf bei einem großen Turnier anzuführen. Da gab es bisher immer einen Ballack, einen Schneider, einen Frings oder auch einen Oliver Kahn. Auch bei den Bayern hat Schweinsteiger die Führungsrolle nicht allein inne. Da gibt es einen Mark van Bommel, einen Franck Ribery, einen Arjen Robben, die ihm Hilfestellung geben und in deren Schatten er in dieser Saison aufgeblüht ist.
In Südafrika wird es diese "Helfer" nicht geben, dafür wird Schweinsteiger von Anfang an im Rampenlicht stehen. Sollte er seine neue Führungsrolle nicht ausfüllen können, könnte das WM-Turnier für die deutsche Elf schneller zu Ende sein, als gedacht. Vielleicht schon nach dem letzten Vorrundenspiel – gegen Ghana. Der Druck wird enorm sein. Andererseits hat Schweinsteiger nun ohne Ballack die Chance, auch im Nationalteam vom Mitläufer zum deutschen Star der Weltmeisterschaft zu werden. Das wäre nicht zuletzt für die Zukunft wichtig: Michael Ballacks Nationalmannschaftskarriere dauert schließlich nicht ewig.
Quelle: ntv.de