Leichtathletik-WM

Leichtathletik-WM in Berlin Große Bühne des Betrugs

Die Schlupflöcher im weltweiten Doping-Kontrollsystem haben vor der Leichtathletik-WM in Berlin für Aufregung und Unmut gesorgt. "Der Anti-Doping-Kampf ist nicht erfolgreich", urteilte der Sportwissenschaftler Helmut Digel, Councilmitglied des Weltverbandes IAAF.

Es ist angerichtet: das Olmpiastadion in Berlin.

Es ist angerichtet: das Olmpiastadion in Berlin.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Ihn hat überrascht, dass die IAAF bekannte, in diesem Jahr in Afrika und Russland keine Blutkontrollen vorgenommen zu haben. Außerdem hat die an der Spree versammelte Leichtathletik-Elite die ARD-Reportage "Geheimsache Doping" aufgeschreckt, die heute um Mitternacht gesendet wird.

Darin wird über perfektes Doping, Drogenhandel und illegale Tests im Auftrag von Athletenmanagern in offiziellen Doping-Analyselaboratorien berichtet. Am Samstag beginnt die Weltmeisterschaft: ein großes Fest oder eine große Bühne des Betrugs? Mit diesen Worten schließt die mit Spannung erwartete Dokumentation. "Wenn nur ein Bruchteil von dem wahr ist, was da Hintermänner, Drogenhändler, Teamärzte und Manager den ARD-Reportern in die Kameras sagen und zeigen, ist die Leichtathletik-WM in Sachen sauberer Sport genauso wenig ernst zu nehmen wie die kürzlich beendete Tour de France", urteilt der Berliner "Tagesspiegel".

Überrascht: Helmut Digel.

Überrascht: Helmut Digel.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

"Das sind Sachverhalte, die sich seit acht Jahren nicht verändert haben", sagte Digel. Spätestens seit dem Prozess gegen den wegen Minderjährigen-Dopings verurteilten einstigen Leichtathletik-Trainer Thomas Springstein im Jahr 2006 wisse man erheblich mehr. "Mit den Dokumenten aus dem Springstein-Prozess haben wir Einblicke bekommen, wie in der Leichtathletik manipuliert wird und welche Rolle die Manager spielen", sagte der Tübinger Sportsoziologe. "Seit der WM 1993 in Stuttgart hat sich bis heute nichts verändert." Damals hatte es bereits die Doping-Fälle der deutschen Sprinterinnen Katrin Krabbe, Grit Breuer und Silke Möller gegeben.

Verbotene Auftragsanalysen für Manager?

Dass in den beiden deutschen Doping-Labors in Köln und Kreischa, wo die mehr als 1000 Tests der Berliner WM analysiert werden, Mitarbeiter verbotene Auftragsanalysen für Manager machen, hält Wilhelm Schänzer für ausgeschlossen. "Da lege ich meine Hände für ins Feuer, das ist bei uns nicht möglich", erklärte der Leiter des Instituts für Biochemie in Köln. Der österreichische Sportmanager Stefan Matschiner hatte in dem ARD-Film über die Drahtzieher des Dopings berichtet und dass er jahrelang Proben von seinen Athleten in von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) akkreditierten Labors von dortigen Mitarbeitern checken ließ. Damit konnte er seine Schützlinge beim Doping perfekt einstellen.

Unterdessen hat der österreichische Leichtathletik-Manager Robert Wagner Anschuldigungen zurückgewiesen, er hätte beim mexikanischen Doping-Dealer Angel Heredia Doping-Mittel gekauft. "Ich hatte mit Angel Heredia nie etwas zu tun", sagte Wagner der österreichischen Nachrichtenagentur APA. "Ich habe nie mit diesem Menschen geredet, weder telefonisch, noch persönlich. Und ihn nie persönlich getroffen - auch nicht über Mittelsmänner." Wagner war unter anderen Manager der österreichischen Topathleten Stephanie Graf und Elmar Lichtenegger.

Keine Tests in Afrika

Dass die IAAF in Afrika, wo die besten Mittel- und Langstreckenläufer der Welt zu Hause sind, keine Bluttests bei Trainingskontrollen veranlasste, wird mit technischen Problemen begründet. "Wir können Bluttests nur machen, wo wir die Möglichkeit haben", sagte Gabriel Dollè, Medizinischer Direktor der IAAF, die jährlich 3500 Kontrollen weltweit durchführt. In Afrika fehlten die Labors, und es gebe Transportprobleme: Bluttests müssten bei vier Grad Celsius gekühlt sein und 36 Stunden nach der Abnahme analysiert werden. Bestätigt hat der Schweizer, dass die IAAF keinen Testpool für besonders unter Beobachtung stehende Athleten und Disziplinen eingerichtet hat. "Wir haben eine Agentur beauftragt, die auf Tests spezialisiert und fähig ist", sagte Dollé.

IAAF-Präsident Lamine Diack verwies darauf, dass sein Verband die rund 2000 WM-Teilnehmer zu mehr als 1000 Kontrollen bei der WM bittet. "Ich möchte die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die große Mehrheit der ehrlichen Athleten ihre Leistungen auf harte Arbeit gründen", sagte der Senegalese. Der deutsche Präsident Clemens Prokop will sich angesichts der entdeckten Löcher im Kontrollsystem darauf nicht verlassen. "Ich werde die Chance nutzen, um mit Arne Ljungqvist, dem Vizepräsidenten der Wada ein Gespräch zu führen, damit daran etwas geändert wird", sagte er.

Quelle: ntv.de, von Andreas Schirmer, dpa

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