"Bin ich es?" Dann schreit Pearson vor Glück
08.08.2012, 18:26 Uhr
Erst zittern vor Anspannung, dann vor Glück: Sally Pearson wurde Olympiasiegerin über 100 Meter Hürden, wusste das aber nicht sofort.
(Foto: AP)
Mit ihrer Trainerin verbindet Hürdensprinterin Sally Pearson eine Hassliebe. Dennoch beschert sie Australien in London eine heißersehnte Goldmedaille. Allerdings muss die Weltmeisterin lange zittern, ehe ihr Erfolg feststeht und sie mit ihrem Idol Cathy Freeman gleichzieht. Dann gesteht sie: Der "bedeutet mir alles und mehr".

Schließlich stand fest: Pearson ist die schnellste Hürden-Olympiasiegerin aller Zeiten.
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Sally Pearson musste warten. Die Australier saßen daheim am Frühstückstisch und warteten mit. Sekunden verstrichen - eine Ewigkeit. Normalerweise weiß Sally Pearson ganz genau, welchen Platz sie belegt hat. Normalerweise gewinnt sie die 100 Meter Hürden problemlos. Diesmal nicht. Die Unsicherheit wuchs. "Bin ich es?", fragte Sally Pearson ängstlich. Keiner wusste etwas. Dann flackerte eine Zeile auf der Anzeigetafel auf: "1. S. Pearson (AUS) 12.35." Die neue Olympiasiegerin schrie vor Glück.
Es war ein Tag, auf den ganz Australien gewartet hatte. Drei Goldmedaillen hatte "AUS" bis Dienstagabend in London gewonnen. Nur drei. Großbritannien war so weit weg im Medaillenspiegel wie auf der Landkarte. Das war die eigentliche Demütigung. Australier können, dürfen verlieren - nur nicht gegen Neuseeland, und bitteschön gleich gar nicht gegen Großbritannien. Im Aquatics Centre gewann Australien zum ersten Mal seit 1976 kein Einzel-Gold. James Magnussen, genannt die "Rakete", ging baden.
Der Druck auf Pearson wuchs stündlich. Die 4x100-Meter-Freistil-Staffel der Frauen gewann Gold. Segler Tom Slingsby gewann Gold. Und am Nachmittag gewann Bahnradfahrerin Anna Meares Gold. Eine Erleichterung war das nicht. Nicht für Australien - und nicht für Pearson, die Weltmeisterin. "Ganz Australien hat von mir den Sieg erwartet", sagte sie, "der Druck war definitiv da." Kitty Chiller, Chef de Mission in London, hatte es so formuliert: "Wir wollen uns nicht in den nächsten drei Jahren und 50 Wochen bis Rio dumme Witze anhören müssen."
Goldenes Vorbild Freeman
Und dann schrie Sally Person vor Glück. Sie sank auf die Knie. "Erleichterung war das erste, was ich gefühlt habe", sagte die 25 Jahre alte Hürdensprinterin. Der Sieg, sagte sie, als sie sich ein wenig gefangen hatte, "bedeutet mir alles und mehr". Vor acht Jahren hatte sie bei den Olympischen Spielen in Sydney Cathy Freeman Gold über 400 Meter gewinnen sehen.
"Damals habe ich mir gedacht: 'Das will ich auch'", sagte Pearson, "ich habe mich immer nur gefragt: Was muss ich dafür tun? Wie muss ich trainieren?" Pearson tat und tut alles für ihren Traum. Sie rannte dem Bus hinterher, wenn sie ihn verpasst hatte. Sie trainiert oft mit einem derart hohen Einsatz, dass sie sich auf der Laufbahn übergibt. "Ich habe noch nie jemanden gesehen, der mit so viel Hingabe trainiert", sagt Pearsons Trainerin Sharon Hannan.
Hassliebe zu ihrer Trainerin
Hannan kennt Pearson seit 13 Jahren, die zwei verbindet eine Hassliebe: "Sharon und ich können uns nie in die Augen sehen. Aber ich werde jedes Jahr besser. Also, warum soll ich etwas reparieren, das nicht kaputt ist?" In Australien feiern sie Sally Pearson nun als "eine der größten Olympionikinnen" des Landes ("Sydney Telegraph"), "alle haben von ihr Gold erwartet. Australien, ihre Konkurrenz, vor allem sie selbst." Damit muss man erst mal fertig werden. Und so war es am Ende auch verdammt knapp. 0,02 Sekunden lag Sally Pearson vorne. Egal - das Warten hatte sich gelohnt.
"Und wir werden noch mehr holen, da bin ich sicher. Wir werden uns im Medaillenspiegel noch nach oben arbeiten", versprach Pearson. Am Mittwochvormittag holte Australien sofort Gold Nummer fünf. Zwei Segler. Nathan Outteridge und Iain Jensen.
Quelle: ntv.de, sid