Illusion einer Flamme Das olympische Feuer brennt nicht über Paris
30.07.2024, 11:57 Uhr
Es brennt nicht über Paris.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von Paris ist ein Spektakel, das für Staunen und Ärger sorgt. Der Höhepunkt ist die Ankunft des olympischen Feuers. Diesmal aber steht am Ende des langen Fackellaufs eine Illusion.
Olympische Spiele sind das Hochamt des Sports, es geht nicht nur um Ergebnisse, es geht auch stets um Politik, natürlich um viel Geld - und um große Bilder. Die Eröffnungszeremonien sind Shows voller Bombast, inszeniert, um die Welt zu beeindrucken. Der erste große olympische Moment und gleichzeitig das Finale jeder prunkvollen Eröffnung ist die Ankunft der Flamme, die im historischen Olympia auf die Reise geschickt wurde und nun in der Stadt des Ausrichters hell leuchten soll.
In Frankreich, anlässlich der Spiele von Paris, lieferten sie eine große Show zur Eröffnung, die für Staunen und auch für Ärger sorgte. Und der Moment, als die Flamme zu den Spielen kam, ist einzigartig. Das olympische Feuer ist 2024 eine Illusion.
1996 rührte ein sichtbar ergriffener und bereits schwer von seiner Parkinson-Erkrankung gezeichneter Muhammad Ali die Welt, als er das olympische Feuer hoch über Atlanta entzündete. Vier Jahre zuvor hatte der spanische Bogenschütze Antonio Rebollo für Staunen gesorgt, als sein Pfeil zur Fackel wurde und durch den Nachthimmel von Barcelona hoch zur Schale flog, wo er das große Feuer zum Lodern brachte. Unvergessen, als die Sprinterin Cathy Freeman 2000 in Sydney vor mehr als 100.000 Menschen aus einem Wasserbecken einen Feuerkessel erstrahlen ließ. Es sind ikonische Momente.
Illusion eines Feuers
Seit 1936, seit den Nazispielen von Berlin, ist es immer das gleiche Ritual: Das Feuer wird aus dem historischen Olympia in den Austragungsort über zahlreiche Etappen - über Wasser, durch die Luft, über Land - an den Austragungsort gebracht, wo es dann für die Dauer der Spiele über den Wettbewerbsstätten wacht. Schon 1928 in Amsterdam wurde ein Feuer entzündet, einen Fackellauf gab es zuvor aber noch nicht. Die Franzosen nun ließen kein Feuer über Paris aufsteigen, sondern lediglich die spektakuläre Illusion eines Feuers. Das olympische Feuer, jedenfalls das weithin sichtbare Symbol der Spiele, besteht 2024 aus Wasser und Licht.
Das hell strahlende olympische Licht, das nachts in einem Flammenring unter einem Ballon in 60 Metern Höhe über Paris leuchtet, ist in Wirklichkeit ein "kraftvoller Lichtstrom", der auf eine "Wasserwolke" projiziert wird. 40 starke LED-Scheinwerfer der neuesten Generation sind im Einsatz, in einer Stunde verdampfen in der Nacht etwa drei Kubikmeter Wasser, die von 200 Hochdruckdüsen vernebelt werden.
Der Strom für die Installation stammt laut den Organisatoren komplett aus erneuerbaren Energiequellen. Das "echte" olympische Feuer steht für die Dauer der Spiele zu Füßen des elektrischen Leuchtfeuers, in einem Behälter gleich neben dem Ballon. Tagsüber können beide - das alte und das neue Licht der Olympischen Spiele - von Zehntausenden in den Tuilerien umsonst besichtigt werden.
"Diese absolut einzigartige Feuerschale verkörpert all den Geist, den ich den olympischen und paralympischen Objekten verleihen wollte", beschreibt Matthieu Lehanneur die von ihm erdachte Konstruktion. "Leicht, magisch und vereinigend, wird sie in der Nacht ein Leuchtfeuer und am Tag eine Sonne in Reichweite sein. Das Feuer, das in ihr brennt, wird aus Licht und Wasser bestehen, wie eine kühle Oase im Herzen des Sommers".
"Elektrische Revolution"
Für Traditionalisten und Romantiker mag es eine harte Nachricht sein, aber als Leichtathletiklegende Marie-José Pérec und Judoka Teddy Riner vor den Augen der Welt scheinbar das olympische Feuer entzündeten und in den Pariser Nachthimmel schickten, wurde tatsächlich "nur" der Knopf gedrückt, der Licht und Hochdruckdüsen startete. Der staatliche Energieversorger Électricité de France (EDF) bejubelt die Ablösung des Feuers als "elektrische Revolution", Kreativität und Innovationskraft hätten "es ermöglicht, eine Flamme ohne Verbrennung fossiler Brennstoffe zu entwickeln, eine Flamme aus Wasser und Licht".
Der Flug der elektrischen Flamme, die nachts über den Tuilerien schwebt, ist auch eine Referenz an die Luftfahrttradition des besonderen Ortes: 1783 fand in Paris der erste Flug in der Geschichte der Menschheit statt. Der Wissenschaftler Pilâtre de Rozier und der Marquis d'Arlandes erhoben sich auf der Grundlage der Forschungen der Brüder Montgolfier in die Lüfte - dort, wo heute wieder ein Heißluftballon über Paris steht. Hundert Jahre nach dem ersten Heißluftballon-Abenteuer, im Jahr 1878, erfand ein französischer Ingenieur, Henri Giffard, in den Tuilerien den Fesselballon, der aus einem Gasballon und einer Dampfwinde bestand und zu einem durchschlagenden Erfolg wurde.
Quelle: ntv.de, ter