Premiere für Kajak-Cross Drei Deutsche kämpfen um Gold im neuen Action-Wassersport
04.08.2024, 20:56 Uhr
Wenn sich die Klappe der Rampe öffnet, sausen die vier Kajaks drei Meter in die Tiefe.
(Foto: IMAGO/USA TODAY Network)
Mit Ellbogen und Köpfen: Erstmals gibt es im Wildwasserkanal ein Kontaktrennen mit einer spektakulären Startrampe. Drei Deutsche haben sich für die Finals um die Medaillen qualifiziert. Die neue olympische Sportart bietet aufregende Action.
Kanu-Slalom im Wildwasser ist ja schon spektakulär genug - und war in den ersten Tagen der Pariser Sommerspiele ein Zuschauer-Magnet draußen im Stade Nautique in Vaires-sur-Marne. Aber es geht noch besser. Die neue Disziplin Kajak-Cross hat alle Vorzüge, die die Olympia-Macher so schätzen: TV-tauglich, modern, actiongeladen, aufregend. Es geht nicht alleine gegen die Zeit, sondern gegeneinander um den Sieg. "Da müssen wir die Ellbogen auspacken", sagte Ricarda Funk, vor ihrem Olympia-Debüt in dieser Disziplin.
"Eine geile Show" bezeichnete Stefan Hengst die Premiere im Programm. Wenn es am Montagnachmittag um die Medaillen geht, wird er aber nicht mehr dabei sein. Er ist im Vorlauf gescheitert. Noah Hegge, die Silbermedaillen-Gewinnerin im Canadier, Elena Lilik und Ricarda Funk stehen dagegen im Viertelfinale. Für eine ähnlich gute Stimmung wie zuvor bei den traditionellen Disziplinen im Wildwasserkanal ist gesorgt. Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern habe sich beide Starter für den Finaltag qualifiziert, alle vier haben ihre Vorläufe gewonnen und gehören zu den Medaillenkandidaten. "Die Franzosen werden Gas geben auf der Tribüne", ist Ricarda Funk sicher.
Wenn sich die Klappe der Rampe öffnet, sausen die vier Kajaks erst einmal drei Meter in die Tiefe. Halb so schlimm, findet Pohlen, Bundestrainer für Kanu-Slalom im Deutschen Kanuverband. "Es sieht spektakulär aus", aber es ist doch nur reine Übungssache. Entscheidend ist, in Vorlage zu gehen, um dann, wenn man unten im Wasser gelandet ist, "Speed aufzunehmen und nach der Startphase erstmal wegzukommen von den Gegnern". Das gelingt eben nicht immer - und es macht auch den Reiz dieses Sports aus, "dass man sich mal an einem Tor mit einem anderen Fahrer auseinandersetzen muss", sagt Pohlen. Ricarda Funk scheint sich erst noch anfreunden zu müssen mit dem Format. "Es bleibt nicht aus, dass man mal ein Paddel im Gesicht oder deine Bootsspitze in den Rippen hat. Das ist natürlich nicht so richtig cool", findet sie. Trotzdem bezeichnet das Kopf-an-Kopf-Rennen als "Bereicherung".
"Du weißt nie, was passieren wird"
Kajak-Cross ist neu im Programm, aber keine neue Disziplin. Seit knapp zehn Jahren gibt es den Sport, früher auch Boater-Cross oder Extrem-Kajak genannt. Die Boote sind etwas kürzer und damit wendiger als im klassischen Kanu-Slalom - und die Tore dürfen anders als in den traditionellen Disziplinen berührt werden. Die Elemente sind ähnlich, allerdings sind nur sechs Abwärts- und zwei Aufwärtstore zu bewältigen, die Strecke ist also kürzer und damit für die Zuschauer im Stade Nautique auch besser einzusehen. Dazu kommt eine Kajak-Rolle, eine 360-Grad-Drehung unter Wasser, die es im klassischen Wildwasser-Kurs nicht gibt. "Du weißt nie, was passieren wird", sagte die Engländerin Kimberley Woods. "Du musst mit allem umgehen, was vor dir liegt, während du schauen musst, dass du fehlerfrei bleibst und gegen das andere Boot kämpfst." Woods hat einen der erst viel vergebenen WM-Titel gewonnen. Elena Lilik hebt das nötige "taktische Gespür" hervor. "Es geht nicht nur ums Physische und um den Körperkontakt, sondern man muss auch mit dem Kopf dabei sein und die richtigen Entscheidungen treffen, so schnell wie möglich."
Die deutschen Slalom-Kanuten haben sich erst mit der neuen Disziplin "so richtig" auseinandergesetzt, wie Pohlen sagt, als 2021 beschlossen wurde, dass sie in Paris olympisch sein wird. Einen eigenen Bundeskader für Kajak-Cross gibt es nicht, und deshalb auch keine Spezialisten. "Wir haben die Leute genommen, die schon im Kanu-Slalom starten", sagt Pohlen, das habe sich angeboten. Also auch eine Canadier-Spezialistin wie Elena Lilik, allerdings könne die auch gut Kajak fahren, meint Pohlen. Das sei ein Vorteil gegenüber einigen anderen Nationen, die nicht genügend Kajak-Fahrer in ihren jeweiligen Mannschaften hätten. "Für den neuen Olympia-Zyklus müssen wir aber überlegen, wie wir weitermachen."
Pohlen kann die Argumente für Kajak-Cross nachvollziehen. "Es ist leichter zu verstehen" für die Zuschauer, weil man sofort wisse, wer gewonnen hat, "wenn derjenige auf der Strecke keinen Fehler gemacht hat" und Strafsekunden aufgebrummt bekommt. Und mit etwas "leichteren" Sportarten, sagt der Cheftrainer, "hofft man eben, beim IOC punkten zu können". Gerade deshalb könne aber nicht verstehen, dass Vereinheitlichung wie bei der Farbe der Boote bestanden wurden. Die Athleten und Athletinnen waren laut Pohlen nicht begeistert, sich für Olympia neue Boote anschaffen zu müssen. "Wenn schon jünger und wilder, dann muss man der Jugend auch ein bisschen Freiheit und Individualität lassen."
Quelle: ntv.de