"Hier ist der Superknaller" Möregardh gelingt eine der größten Tischtennis-Sensationen
31.07.2024, 13:11 Uhr
Truls Moregard haut Chuqin Wang raus.
(Foto: REUTERS)
Chuqin Wang ist die klare Nummer eins der Tischtennis-Welt. In der Rangliste führt er auch haushoch vor drei Landsleuten. Bei den Olympischen Spielen erlebt der 24-Jährige aber ein Fiasko. Im Einzel scheitert er in der zweiten Runde - an der Nummer 26 der Welt.
Als die große, die gigantische Sensation tatsächlich geschafft war, staunte Truls Möregardh erst für einige kurze Momente ungläubig, dann ließ er sich auf den Boden fallen, vergrub sein Gesicht und genoss den Augenblick. Der 22-Jährige hatte bei den Olympischen Spielen Unglaubliches geschafft. Er hatte im Tischtennis-Einzel den Weltranglisten-Ersten Wang Chuqin in der zweiten Runde aus dem Turnier geworfen. Und wie: Mit spektakulären Schlägen hatte er den Chinesen zermürbt, dabei selbst die Nerven behalten. Auch in kritischen Momenten. Etwa als er nach der 2:0-Satzführung die folgenden beiden Durchgänge verlor. Und das sogar deutlich (5:11, 7:11).
Aber am Ende triumphierte der völlig fassungslose Schwede mit seinem ungewöhnlichen sechseckigen Schläger. Und die Halle bebte. Was für eine gigantische Kulisse, die am Nachmittag auch der Deutsche Dimitri Ovtcharov erleben wird, wenn er gegen das französische Wunderkind Felix Lebrun antreten wird - und gegen die Zuschauer in der Arena, die dann in ganz großer Zahl für seinen Gegner sein werden. Zu den Klängen von "Seven Nation Army" tanzte der 22-jährige Möregardh unter dem großen Applaus der Zuschauer. Sein Gegenüber verfolgte das mit einem gequälten Lächeln, ehe der Chinese den Schweden in den Arm nahm und ihn für seine große Leistung gratulierte. Eine starke Geste.
Mutig, aggressiv, ohne Angst
Der Sieg von Möregardh wird jetzt schon als eine der größten Sensationen der olympischen Tischtennis-Historie gefeiert. In seiner Heimat schwärmte die Zeitung "Aftonbladet" euphorisch: "Hier ist der große Superknaller der Olympischen Spiele!" Man kann kaum beschreiben, wie unglaublich diese Überraschung ist. Wag Chuqin führt die Weltrangliste mit knapp 8000 Punkten an. Auf Rang zwei liegt Liang Jingkun, er hat etwas über 4000 Punkte - damit also nur die Hälfte. Was für eine drückende Überlegenheit. Und Möregardh, der liegt gar nur auf Rang 26, hat gerade einmal 1000 Zähler - aber an diesem Tag alles, was es braucht, um Chuqin rauszuhauen.
Der entscheidende Hinweis, wie der mehrmalige Weltmeister Wang Chuqin zu besiegen ist, kam offenbar von Schwedens Ikone Jan-Ove Waldner. "Er hat nur kurz in die Vorhand serviert, so wie ich es im Fernsehen geraten habe", sagte Olympiasieger von 1992. "Wang machte dadurch viele Fehler bei den Rückschlägen." Möregardh selbst sagte im Interview nach der Sensation, er habe sich der Tipps Waldners nicht gänzlich angenommen.
Über die Distanz der sechs Sätze und 52 Minuten spielte der Schwede mit vollem Risiko, mutig, aggressiv und steckte nie zurück. Auch nicht, als der Sieg und die Sensation plötzlich nah war, er sich Matchbälle erspielte und schließlich gewann. Mit einem furiosen Vorhand-Konter ließ er Chuqin keine Chance. Noch am Vortag hatte der siebenfache Weltmeister seine erste Goldmedaille gewonnen, im Mixed an der Seite von Sun Yingsha. Dabei war ihm aber auch ein Missgeschick widerfahren, das Folgen fürs Einzel hatte. Im Gedränge nach der Siegerehrung zerstörte ein Fotograf seinen Schläger, versehentlich. "Ich habe", gab der aufgebrachte Wang danach zu, "ein bisschen die Kontrolle über meine Emotionen verloren".
Doppelt bitter für Dang Qiu
Durch den völlig überragenden K.o. steht die große Tischtennisnation China bereits massiv unter Druck. Weltmeister Fang Zhendong ist schon der letzte Trumpf der Serien-Champions. Er spielt gegen den Hongkonger Wong Chun Ting. Seit 2008 beim Heimspiel in Peking haben die eigentlich Unbezwingbaren jede olympische Goldmedaille im Einzel der Männer und insgesamt 32 der 37 Entscheidungen gewonnen. Anders als bei WM-Turnieren dürfen bei Olympia nur zwei Spieler pro Nation im Einzel antreten.
Wangs K.o. macht das Aus für den Düsseldorfer Europameister Dang Qiu vor der Runde der besten 16 (3:4 gegen den Kasachen Kirill Gerassimenko) nachträglich doppelt bitter. Denn der chinesische Branchenführer erschien auf dem Papier als schier unüberwindbare Viertelfinalhürde für den deutschen Spitzenspieler, für den durch Moregards Coup der Weg in die Medaillenrunde erheblich einfacher gewesen wäre.
Quelle: ntv.de, tno