Vorschau aufs iPhone-Display Das LG G7 kann alles, aber nicht mehr
06.06.2018, 17:25 Uhr
Das LG G7 trägt den Beinamen "ThinQ".
(Foto: jwa)
Das LG G7 ThinQ ist ein bestens ausgestattetes Flaggschiff. Das Spitzenmodell der Koreaner ist robust, es strahlt blendend hell, und seine Dual-Kamera mit Weitwinkel-Linse ist einzigartig. Reicht das zum Verkaufsschlager?
LG hat sich mit dem G7 lange Zeit gelassen. Während die meisten großen Smartphone-Hersteller ihre Flaggschiffe für die erste Jahreshälfte bereits im Frühjahr vom Stapel ließen, haben die Koreaner mehr Zeit verstreichen lassen. Jetzt ist auch das G7 mit dem Beinamen ThinQ da. Hat sich das Warten gelohnt? n-tv.de hat das Gerät ausprobiert.
- System: Android 8.0
- Display: 6,1 Zoll, LCD, 3120 x 1440 Pixel
- Prozessor: Snapdragon 845
- Arbeitsspeicher: 4 GB
- Interner Speicher: 64 GB + microSD
- Kamera: 16 MP, f/1.6 + 16 MP, f/1.9
- Frontkamera: 8 MP, f/1.9
- WLAN ac, LTE Cat. 18, Bluetooth 5.0
- USB-C
- IP68
- Maße: 153,2 x 71,9 x 7,9 Millimeter
- Gewicht: 162 Gramm
In der jüngeren Vergangenheit fielen die Smartphones von LG nicht gerade dadurch auf, dass Käufer sie den Händlern aus den Händen rissen. Assoziiert wurden sie eher mit Begriffen wie "Flop" oder "Schleuderpreis". Obwohl LG durchweg gute Technik anbot und mit Smartphones wie dem Modul-Handy G5 und dem 18:9-Vorreiter G6 auch innovative Geräte präsentierte, blieb der Verkaufserfolg aus. Das G7 soll das jetzt ändern. Doch womöglich hat sich LG hier verkalkuliert.
Diesmal keine Innovationen
Jedenfalls scheinen sich die Koreaner diesmal nicht weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, sie setzen lieber auf Sicherheit. Neu und innovativ wirkt das Smartphone an keiner Stelle. Vorne ein Display mit schmalen Rändern und einer Aussparung, der sogenannten "Notch", hinten eine Dual-Kamera, ein Fingerabdruck-Scanner und ein Rücken aus Glas - so sehen derzeit sehr viele Smartphones aus. Die Glasrückseite fühlt sich zudem dünn an und wirkt eher wie aus Kunststoff. Warum das so ist, dazu später mehr.
Als einzigen optischen Trumpf bringt das G7 ein Display mit, dessen Helligkeit auf Wunsch verstärkt werden kann - das geht allerdings zulasten der Batterie, und nach drei Minuten schaltet das G7 automatisch wieder einen Gang runter. Damit es so hell strahlen kann, hat das G7 ein LCD, genauer gesagt ein besonders helles MLCD+ - das gleiche, das auch im neuen iPhone verbaut werden soll. Im Test zeigt es sich von seiner besten Seite: Farben und Kontraste sind kräftig, die Blickwinkelstabilität ist klasse, und tatsächlich strahlt es auf höchster Stufe so hell, dass man es selbst in gleißendem Sonnenlicht gut ablesen kann.
Ein gutes Display allein reicht aber noch nicht aus, um andere Stars wie das Galaxy S9 oder das Huawei P20 Pro zu übertrumpfen. Und der Unterschied zum AMOLED-Display des S9 ist im Sichtvergleich nicht sehr hoch, der Bildschirm des Samsung-Flaggschiffs wirkt noch kontrastreicher und knackiger und auf höchster Stufe nur unerheblich dunkler.
Standesgemäße Extras
Das G7 hat auch noch andere Qualitäten. An der Seite gibt es eine Extra-Taste für den Google Assistant, Audio-Freunde kommen mit einem integrierten Digital-Analog-Wandler und 3D-Soundeffekten auf ihre Kosten, und die Software hat einige interessante Extras zu bieten. Dazu gehört zum Beispiel die "Context Awareness" - Nutzer können Profile einstellen, die das Smartphone automatisch aktiviert, sobald sie zum Beispiel das Haus verlassen oder während sie auf der Arbeit sind. Per „Capture+“ lassen sich Screenshots schnell und einfach bearbeiten und mit Notizen und Zeichnungen versehen.
Bedienungshilfen wie ein Einhandmodus oder die Anpassung der Navigationsleiste sind auch mit an Bord. Es gibt ein Nachtlicht, bei dem blaue Farbtöne herausgefiltert werden, die Möglichkeit, das Smartphone per Gesichtserkennung zu entsperren, einen Spiele-Modus und Schnellzugriff-Tasten. Eben alles, was ein modernes Flaggschiff 2018 so haben muss. Doch unweigerlich stellt sich die Frage nach dem Mehrwert dieser Features: Wie viele Audio-Enthusisasten kaufen das G7 wegen der Sound-Effekte? Interessiert die "Context Awareness", deren Prinzip schon Jahre alt ist, heute noch jemanden? Und braucht man die Google-Assistant-Taste wirklich?
Dazu kommt: Was bei anderen Smartphones gut klappt, kann das G7 etwas weniger gut. Die automatische Gesichtserkennung beim Anheben des Telefons ist bei Apple, Huawei und Honor schneller. Benachrichtigungen lassen sich nicht, wie bei vielen anderen Smartphones, durch einen Wisch über den Finger-Scanner öffnen. Und die dünne Glasrückseite soll durch Vibrationen zwar den Sound aus dem Monolautsprecher verbessern - das funktioniert aber nur, wenn das Smartphone auf dem Tisch liegt. Hält man es in der Hand, sind die starken Vibrationen eher störend. Sie tragen zudem dazu bei, dass das G7 billiger wirkt, als es ist. Immerhin: Gegen Stöße ist das Gerät nach Militärstandard MIL-STD-810G geschützt, und Tauchgänge übersteht es dank IP68-Zertifizierung auch.
Kamera mit Weitwinkel-Linse
Egal, viel wichtiger ist heutzutage eine erstklassige Kamera. LG geht seit dem G5 seinen eigenen Weg, die zweite Linse der Dual-Kamera ist auch beim G7 eine Weitwinkel-Linse mit leichtem Fischauge-Effekt. Beide haben eine Auflösung von 16 Megapixeln und liefern bei Tageslicht gute Bilder, mehr aber auch nicht. Nett: Per Seitwärtswisch über den Auslöser wechselt man flott zwischen beiden Kameras. Der Porträtmodus mit unscharfem Hintergrund funktioniert bei Front- und Hauptkamera gut und arbeitet fast fehlerfrei, die Schärfe kann man auch im Nachhinein anpassen.
Das G7 hat auch eine sogenannte "AI Cam", also eine Art Künstlicher Intelligenz, die Motive automatisch erkennt und entsprechend die Einstellungen anpasst - daher auch der etwas unglücklich gewählte Beiname "ThinQ". Im Test überrascht die AI-Cam aber zuerst einmal durch freie Assoziation. Beim Testszenario im Wohnzimmer mit Bücherregal und einer Pflanze im Bild erscheinen willkürliche Begriffe im Display: Die AI-Cam erkennt offenbar nicht nur "Bücher", "Haushaltsraum" und nach langem Warten auch "Bibliothek", sondern darüber hinaus "Infinity Pool", "Pudel", "Schinken", "Party", "Tisch" und "Parken".
Fotos mit der AI-Cam gelingen trotzdem meistens gut, offenbar sind die Einstellungen für "Infinity Pool" und "Bibliothek" ähnlich - die Unterschiede zum Automatikmodus fallen aber auch eher klein aus. Problematisch: Mitunter greift die sogenannte Künstliche Intelligenz sehr stark ins Bildergebnis ein, intensiviert Farben bis zum Anschlag und vergreift sich auch schon mal im Farbton, sodass man am Ende die AI lieber ausschaltet und Bilder bei Bedarf im Nachhinein von Hand optimiert.
Keine Champions League
Insgesamt kann die Kamera des G7 nicht mit der aktuellen Spitze der Smartphone-Fotografie mithalten. Geräte wie das iPhone X, das Galaxy S9, das Google Pixel 2 und das Huawei P20 Pro sind uneinholbar stärker, das G7 spielt eine Liga darunter. Damit gibt LG einen wichtigen Trumpf aus der Hand, und es gibt kaum etwas, das diesen Nachteil kompensieren könnte. Das G7 hat mit dem Snapdragon 845 einen starken Prozessor, verfügt mit 4 Gigabyte Arbeitsspeicher und mit 64 Gigabyte internem Speicher über ausreichend Reserven und der Akku hält mit seinen 3000 Milliamperestunden locker einen Tag durch.
Doch diese Eigenschaften teilt sich das LG G7 eben mit nahezu allen aktuellen Top-Smartphones. Echte Alleinstellungsmerkmale fehlen, es ist weder optisch besonders noch technisch raffiniert, und kompakt ist es mit seinem 6,1-Zoll-Display trotz dünner Ränder auch nicht. Es gibt also wenige Gründe, sich für das G7 zu entscheiden. Und erschwerend kommt hinzu: Andere aktuelle Flaggschiffe sind schon eine Weile auf dem Markt und längst im Preis gesunken, vor allem das Galaxy S9 ist inzwischen deutlich günstiger. Das LG G7 kostet im Online-Handel 849 Euro - rechtfertigen lässt sich dieser Preis nur schwer.
Quelle: ntv.de