Kinderschutz hat große Lücken Stiftung Warentest kritisiert Apple
21.01.2025, 17:29 Uhr Artikel anhören
Wenn Kinder Einschränkungen von Bildschirmzeit umgehen, können sie so lange, wie sie möchten, spielen und sehen, was sie wollen.
(Foto: imago/Westend61)
Der Kinderschutz von iPhones, iPads und Macs lässt sich laut Stiftung Warentest leicht umgehen. Die Organisation nennt zwei nicht beseitigte Sicherheitslücken und wirft Apple vor, sich nicht angemessen ums Kindeswohl zu kümmern. Warentest zeigt außerdem, was Eltern für den Schutz ihrer Kinder tun können.
Die Kinderschutz-Funktionen von Apple-Geräten sollen eigentlich verhindern, dass Kinder auf Gewaltvideos und andere kritische Inhalte im Internet zugreifen zu können. Doch laut Recherchen, die Stiftung Warentest mit dem SWR durchgeführt hat, ist es viel zu leicht, diese Mechanismen zu umgehen. Außerdem sei es möglich, Apps länger zu verwenden als von den Eltern festgelegt, schreibt die Verbraucherorganisation.
Apples Kinderschutz auf iPads, iPhones oder Mac-Rechnern zu nutzen, ist nicht kompliziert. Eltern richten für ihre Kinder in einer Familiengruppe Konten ein, für die sie dann Regeln festlegen. Unter Bildschirmzeit können sie unter anderem einstellen, welche Apps das Kind nutzen darf und wie lang dies pro Tag erlaubt ist, welche Altersbeschränkungen für Filme und Musik gelten oder mit wem kommuniziert werden darf.
Vereinfachter Modus bereitet Probleme
Laut Warentest ist es der sogenannte Unterstützende Zugriff, mit dem Einschränkungen recht problemlos zu umgehen sind. Die Funktion, die unter Bedienungshilfen zu finden ist, hat eigentlich nichts mit Kinderschutz zu tun, sondern soll mit besonders großen Symbolen und weniger Apps auf dem Homescreen Menschen mit kognitiven Einschränkungen die Nutzung der Geräte erleichtern. Das Problem ist, dass in diesem Modus für einige Apps die in Bildschirmzeit festgelegten Regeln ignoriert werden.
Bei der Einrichtung des Modus empfiehlt Apple in den entsprechenden Einstellungen sechs hauseigene Anwendungen wie Anrufe, Fotos oder Kamera, die für den Modus optimiert wurden. Mit ihnen gibt es keine Probleme. Darunter hat man aber die Möglichkeit, weitere installierte Apps von Drittanbietern hinzuzufügen, die dann von Kindern unter Umständen trotz Einschränkungen weiter voll genutzt werden können.
Warentest schreibt, Eltern könnten zwar den Unterstützenden Zugriff mit einem Code sperren, doch der ließe sich von Kindern problemlos zurücksetzen. Apple habe das Problem auch in den jüngsten Versionen der Betriebssysteme nicht in den Griff bekommen, obwohl es schon länger bekannt sei.
Dabei bezieht sich die Verbraucherorganisation auf die Beschwerden von Eltern in einem Apple-Forum. Die Stiftung konnte die Vorwürfe in Versuchen nachvollziehen. Unter anderem gelang es ihr, Zeitbeschränkungen für die Spiele-App Candy Crush und den Messenger Signal auszuhebeln.
"Eine Schande"
"Apple löst das Problem nicht, obwohl es schon länger bekannt ist", sagt Markus Bieletzki, der wissenschaftlicher Leiter des Teams Digitales und Technik bei Stiftung Warentest ist. "Dass sich ein technisch so leistungsfähiger, finanzstarker Konzern so wenig um das Kindeswohl kümmert, ist eine Schande."
Weitere Mängel gibt es bei in Bildschirmzeit gesetzten Inhalts- und Altersbeschränkungen. Damit sollten Kinder etwa keine anstößige Musik und keine ab 16 oder 18 Jahren freigegebenen Filme abrufen können. Doch den Warentestern gelang es unter anderem trotzdem, in Youtube Horror- und Unfallvideos abzuspielen. In Spotify konnten sie ungehindert Gangsta-Rap-Songs und -Videos abrufen. Dafür sei teilweise nicht mal die Umgehung über den Unterstützenden Modus nötig gewesen.
Stiftung Warentest empfiehlt Eltern, trotz der Mängel Bildschirmzeit zu nutzen, da der Schutz in Apple-Apps und in den meisten anderen Anwendungen im Großen und Ganzen funktioniere, wie sie schreibt. Dies gelte unter anderem für Browser wie Chrome, Firefox und Opera, in denen es den Prüfern nicht gelungen sei, bei aktivierter Kindersicherung Porno-Websites aufzurufen.

In den Einstellungen von Bildschirmzeit kann man sehen, dass Einschränkungen grundsätzlich nur für Apple-Apps vorgesehen sind.
(Foto: kwe)
Die Verbraucherorganisation räumt auch ein, dass Plattform-Betreiber wie Google eine Mitschuld hätten. So seien bei Youtube für Kinder ungeeignete Inhalte nicht ausreichend gekennzeichnet. Bei Spotify sei dies aber der Fall, und trotzdem habe Apples Schutz versagt.
Apple geht "einigen Fällen" nach
Der US-Konzern teilte der Stiftung mit, die Funktion Bildschirmzeit werde derzeit nicht von der Funktion Unterstützender Zugriff unterstützt. Außerdem schrieb Apple: "Um die Funktion Unterstützender Zugriff auf dem Gerät eines Kindes zu starten, muss auf dem Gerät das Bildschirmzeit-Passwort der Eltern eingegeben werden."
Warentest widerspricht, bei ihren Versuchen habe die Eingabe eines vierstelligen Codes genügt, den Kinder "einfach nach Belieben" ändern könnten, schreibt die Stiftung. Immerhin versicherte Apple, den Beschwerden nachzugehen, wonach dies in "einigen Fällen" möglich sei.
Fehlende Hinweise könnten täuschen
Der US-Konzern wies auch darauf hin, dass die Inhaltsbeschränkungen von Bildschirmzeit nur für hauseigene Apps galten. Entwickler von TV- und Film-Apps könnten die Apple-Schnittstelle ebenfalls nutzen, um Inhalte zu filtern.
Geht man in die Einstellungen von Bildschirmzeit, kann man dies auch sehen. Unter Erlaubte Apps & Funktionen etwa lassen sich nur Apple-Anwendungen und -Funktionen deaktivieren. Die Verbraucherschützer fanden aber auf Apples Website keine entsprechenden Hinweise, auf Anfrage konnte der Anbieter auch auf keine verweisen. "Wenn eine derart wichtige Einschränkung nicht erwähnt wird, dürften viele Eltern davon ausgehen, dass Apples Kinderschutz-Funktionen in allen Apps greifen, die auf dem Gerät ihres Kindes installiert sind", schreibt Warentest.
Apple schickte ntv.de ein Statement zu der Thematik: "Bildschirmzeit ist ein wichtiges Werkzeug, das Apple Nutzer:innen hilft, informierte Entscheidungen darüber zu treffen, wie sie oder ihr Kind ein Apple Gerät verwenden. Wir nehmen Berichte über Probleme im Zusammenhang mit Bildschirmzeit sehr ernst und haben kontinuierlich Verbesserungen vorgenommen, um Nutzer:innen die bestmögliche Erfahrung zu bieten. Unsere Arbeit ist nicht abgeschlossen und wir werden auch weiterhin Updates vornehmen."
Um Bildschirmzeit trotz der Mängel möglichst effektiv einzusetzen, gibt die Stiftung folgende Tipps:
- Kommen Sie Ihrem Kind zuvor, indem Sie auf dem Gerät Ihres Kindes selbst den Modus Unterstützender Zugriff einrichten und dort nur von Ihnen erwünschte Apps zulassen. Anschließend den Modus mit einem Code schützen und aktivieren. Das hilft allerdings nur, wenn Sie Ihr Kind ausschließlich in diesem Modus ans Gerät lassen. Im normalen Modus kann es die Einstellungen und den Code einfach ändern.
- Stellen Sie das Kinder-Gerät via Bildschirmzeit so ein, dass Ihr Kind entweder gar keine Apps selbst installieren darf – oder nur solche mit passender Altersfreigabe. Diese und die folgenden Einstellungen legen Sie auf Ihrem eigenen Gerät fest, sie wirken sich aber nur auf das Gerät des Kindes aus.
- Setzen Sie unter Bildschirmzeit zeitliche Grenzen und legen Sie Altersbeschränkungen für Apps, Filme und andere Inhalte fest.
- Schließen Sie unter Bildschirmzeit bestimmte Apps ganz von der Nutzung durch Kinder aus.
- Deaktivieren Sie In-App-Käufe unter Bildschirmzeit - Beschränkungen - Käufe im iTunes & App Store – oder gestatten Sie Käufe nur bei Eingabe eines Passworts, das Ihr Kind nicht kennt.
- Machen Sie sich mit den weiteren Unterpunkten von Bildschirmzeit vertraut und passen Sie die Einstellungen nach Ihren Wünschen an.
- Testen Sie nach dem Festlegen der Bildschirmzeit-Optionen, ob alles so funktioniert wie gewünscht, ehe Sie das Gerät Ihrem Kind überlassen.
Quelle: ntv.de, kwe