Wirtschaft

Hassliebe der deutschen Bürger 60 Jahre Bundesbahn

Die Verfassungsväter nannten sie im gleichen Atemzug wie das Auswärtige Amt: 1949 wurde die Reichsbahn über Nacht zur Bundesbahn.

Vor 35 Jahren lösen Diesel- und E-Lokomotiven die Dampflok ab.

Vor 35 Jahren lösen Diesel- und E-Lokomotiven die Dampflok ab.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Als die bundesdeutschen Verfassungsväter vor 60 Jahren das Grundgesetz schrieben, schufen sie die wichtigsten Institutionen für den jungen Staat: Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat - und Bundesbahn. Artikel 87 der neuen Verfassung räumte der Bahn die prominente Stellung ein und nannte sie im gleichen Atemzug wie etwa den Auswärtigen Dienst. Am 7. September 1949 fiel der offizielle Startschuss: Edmund Frohne, Direktor der Verwaltung für Verkehr, verkündet in einem Telegramm an den Bundesverkehrsminister, dass "mit Wirkung vom nächsten Tag die Deutsche Reichsbahn im Vereinigten Wirtschaftsgebiet Deutsche Bundesbahn heißt".

Mit diesem Schritt ist eine Institution geschaffen, die die Bundesrepublik über Jahrzehnte prägt und die Liebe genauso wie den Hass der Bundesbürger auf sich zieht. Die Abfahrt der neuen Bundesbahn verläuft zunächst zögerlich. Die Kohle ist knapp, genauso das Geld. Dann jedoch gewinnt die Bahn an Fahrt: Die Zahl der Verbindungen steigt, die Züge fahren häufiger und schneller. Diesel- und E-Lokomotiven lösen die Dampflok ab.

Wirtschaftlicher Aufschwung bedrängt Bahn

Ist im Laufe der Jahrzehnte immer schneller geworden ...

Ist im Laufe der Jahrzehnte immer schneller geworden ...

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Schon bald macht das Auto der Bundesbahn immer mehr Konkurrenz. Doch die Bahn fährt mit viel Symbolik durch die Mitte der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Dafür sorgen nicht zuletzt die Kanzler. Konrad Adenauer (CDU) macht Wahlkampf im Sonderzug - und erreicht das Kanzleramt im Schlafwagen, wie ihm seine Kritiker vorwerfen. Willy Brandt fährt mit dem Sonderzug nach Erfurt - und wird dort von DDR-Bürgern bejubelt.

Doch gerade der wirtschaftlichte Aufschwung in der Bundesrepublik macht der Bahn zu schaffen. Immer mehr Bundesbürger können sich ein Auto leisten, Anfang der 70er Jahre reisen die ersten Deutschen mit dem Flugzeug nach Mallorca. Die Unternehmen setzen auf die flexibleren und deutlich schnelleren Lastwagen zum Transport ihrer Waren.

Reformdiskussionen versickern

... und immer später am Ziel eingetroffen.

... und immer später am Ziel eingetroffen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Bahn reagiert, sie rüstet auf, baut Strecken aus und kauft schnelle Züge. Doch auch damit gewinnt sie die Liebe der Bürger nicht zurück: Anwohner wehren sich gegen laute Hochgeschwindigkeitsstrecken; je schneller die Züge werden, desto schärfer wird die Kritik, wenn sie zu spät kommen. Mit den zunehmenden Problemen wachsen die Verluste, die die Bundesbahn mit ihrem riesigen Beamtenapparat von Anfang an einfuhr. Doch die vielen über Jahrzehnte geführten Reformdiskussionen verlaufen alle im Sande.

Dennoch geht es der Bundesbahn damit besser als ihrer ostdeutschen Schwester: In der DDR fährt bis zum Ende noch die Reichsbahn, so anachronistisch dieser Name im sozialistischen Staat auch anmutet. Dort hat die Bahn mit gewaltigen Problemen zu kämpfen. Noch mehr als im Westen muss sie staatlichen Vorgaben genügen. Die Züge und das Netz sind in weiten Teilen veraltet oder werden nur schlecht in Stand gehalten.

Eisenbahn-Romantik dahin

Im Wendejahr 1989 steht die Bahn noch einmal symbolisch für das politische Geschehen: Sonderzüge fahren über die DDR in den Westen - voll mit Botschaftsflüchtlingen aus Warschau und Prag. Mit der Wiedervereinigung aber ist endgültig jegliche Eisenbahn-Romantik dahin. Die bislang auf getrennten Gleisen fahrenden, angeschlagenen Eisenbahnen müssen zusammengeführt werden. In dieser Situation gelingt die lang angestrebte Bahnreform. Im Januar 1994 entsteht die Deutsche Bahn - und vereinigt die beiden Staatsbahnen unter dem Dach einer Aktiengesellschaft.

Mit diesem Schritt verewigt sich wohl die Hassliebe der Deutschen für ihre Bahn. Und dafür steht vor allem ein Mann, der 1999 für zehn Jahre an die Spitze der Bahn tritt: Hartmut Mehdorn. Der Manager, der die Lufthansa als großes Vorbild betrachtet, baut die Behörde radikal zum Dienstleistungsunternehmen um. Etliche Kilometer Schiene in Deutschland legt er still, stattdessen geht er im Ausland auf Einkaufstour. Doch der Börsengang scheitert. Denn nicht nur für die Bürger, auch für viele Politiker ist die DB eben noch immer eins: die Bundesbahn.

Quelle: ntv.de, Florian Oel, AFP

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