Dunkelbraune Preisraketen Anleger entdecken Kakao
12.01.2010, 10:53 UhrIm Auf und Ab der Rohstoffmärkte hebt sich ein einzelnes Handelsgut aus dem Agrarsektor wohltuend von der Masse ab: Die Nachfrage nach Schokolade blieb bislang auch in Krisenzeiten bemerkenswert stabil. Doch seit einigen Monaten ziehen die Preise kräftig an.

Bereit für den Export in die Industrieländer: Säckeweise Kakakobohnen aus Brasilien.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ob Vollmilch, Nuss oder exotische Neuheiten wie Pfeffer-Chilli: Im Durchschnitt isst jeder Mensch in Deutschland 90 Tafeln oder rund neun Kilo Schokolade pro Jahr. Weder von den neu eingeführten Kalorienangaben auf den Packungen noch durch Kurzarbeit oder Krise lassen sich die Verbraucher den Appetit auf Süßes verderben und bescheren den Herstellern jedes Jahr Milliardenumsätze.
Schokolade soll jetzt schon wieder deutlich teurer werden. Die Hersteller begründen dies mit einer Preisexplosion bei der wichtigsten Zutat Kakao und geben die Schuld Spekulanten, die mit dem Kakao-Preis Monopoly spielten. Statt in Öl oder Gold investieren Banker rund um den Globus neuerdings in die wichtigste Zutat der Schokolade.

Reif und prall gefüllt: Im kolumbianischen Unterholz wartet diese Frucht des Kakaobaums auf ihre Ernte.
(Foto: REUTERS)
"Die Spekulanten haben ein neues Spielfeld gesucht und den Kakao entdeckt", sagte Sönke Renk, Mitglied der Geschäftsführung beim Gebäckhersteller Bahlsen bei einer Süßwarentagung in München.
Seit 2007 hat sich der Preis für die Tonne Kakao fast verdoppelt und mit derzeit rund 2500 Euro den höchsten Stand seit drei Jahrzehnten erreicht. "Das ist für unsere Branche eine dramatische Situation." Auch Bahlsen sehe sich deshalb zu Preiserhöhungen gezwungen, wenn die Entwicklung anhalte.
Zertifikate-Boom mit Nebenwirkungen

Aufgebrochene Frucht: In der Nähe der zentralperuanischen Stadt Sivia schaut dieser Kakaobauer nach dem Ertrag.
(Foto: REUTERS)
Im vergangenen Jahr waren die Schokoladenpreise vor allem dank des Preiskampfs im Lebensmittelhandel stabil geblieben. 2008 allerdings hatten die Hersteller die Preise - ebenfalls mit Verweis auf die gestiegenen Rohstoffkosten - kräftig erhöht und damit das Bundeskartellamt auf den Plan gerufen.
Die Ermittler verdächtigten mehrere große Konzerne der illegalen Preisabsprachen und durchsuchten zahlreiche Süßwarenfirmen. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen, sagte eine Sprecherin der Behörde. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, drohen den Herstellern hohe Strafen.

Der Kakaobaum hüllt seine Samen in eine süßliche Fruchtpulpe.
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Die jetzt drohenden Preiserhöhungen sind nach Angaben der Hersteller wegen des teuren Kakaos kaum zu vermeiden. Der Grund für den Hype ist aus Sicht des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) die Verlagerung des Börsengeschäfts auf Rohstoffzertifikate.
Spekulanten, Banken und Fonds glaubten, auf den Rohstoffmärkten deutlich höhere Gewinne erzielen zu können als mit anderen Investments. "Hat die Schokolade es verdient, dass ihr das gleiche Schicksal droht, wie zum Beispiel dem Rohöl- und dem Benzinpreis?", klagt ein BDSI-Sprecher. Andere Experten warnen vor einem Preisverfall: "Kakao ist aktuell zu teuer", sagt Christoph Eibl, Rohstoffexperte von Tiberius Asset Management gegenüber n-tv. "Wir halten das Preisniveau für zu hoch und glauben ein eine Preiskorrektur von 20 bis 30 Prozent."
Verzweiflung erfasst Schoko-Experten
Von einem Mangel an Kakaobohnen kann aus Sicht des BDSI nicht die Rede sein. Schätzungen zufolge werde die Ernte im wichtigsten Lieferantengebiet, der Elfenbeinküste, sogar um 0,2 auf 1,4 Mio. Tonnen steigen.

Nach der Fermentation schrumpfen die Bohnen und nehmen ihre dunkelbraune Farbe an: Jetzt ist der Kakao bereit für die Schokoladenfabrik.
(Foto: REUTERS)
Auch mit der gestiegenen Nachfrage hat die Preis-Explosion für Kakao nach Ansicht der Süßwarenhersteller nichts zu tun. "Das ist rein durch Spekulanten getrieben", sagt Peter Riegelein, Geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Unternehmens, das vor allem Schoko-Weihnachtsmänner und Osterhasen herstellt.
Die bunt eingepackten Osterhasen hat Riegelein schon an die Geschäfte ausgeliefert. Aber wie die Preise für die Nikoläuse im Weihnachtsgeschäft aussehen werden, ist völlig offen. Früher konnte sich Riegelein die künftige Preisentwicklung des Kakaos anhand der Informationen über die Ernte und anderen Indikatoren selbst ganz gut ausrechnen. "Aber jetzt ist unser Expertenwissen obsolet geworden. Das macht die ganze Branche unsicher."
Quelle: ntv.de, mmo/sla/dpa