Wirtschaft

Reiche Griechen sollen aushelfen Athen plant Diaspora-Anleihe

Im Kampf gegen einen überbordenden Schuldenberg will Griechenland bei seinen rund 15 Millionen im Ausland lebenden Landsleuten um eine Finanzspritze bitten. Das Finanzministerium plant dazu eine so genannte Diaspora-Anleihe. Derweil wollen die Forderungen nach einem Schuldenschnitt nicht abreißen.

Nicht nur die Griechen in Athen sollen die Last des Landes tragen.

Nicht nur die Griechen in Athen sollen die Last des Landes tragen.

(Foto: REUTERS)

Im Kampf gegen das Schuldenloch von 340 Mrd. Euro will die griechische Regierung auch reiche Landsleute im Ausland um Geld bitten. Athen plant nach Angaben des Finanzministeriums, sogenannte Diaspora-Anleihen auszugeben. Diese Anleihen sollten von Griechen gekauft werden, die in erster, zweiter oder sogar dritter Generation vor allem in den USA, in Kanada und Australien, aber auch in der EU lebten.

Die Regierung unter Ministerpräsident Giorgos Papandreou wendet sich damit an die Millionen Auslandsgriechen. Schätzungen ihrer Zahl reichen von rund 5 bis zu 15 Millionen.

Die Laufzeit der Anleihe soll nach offiziell nicht bestätigten Informationen fünf und zehn Jahre betragen. Die Höhe der ersten Tranche steht ebenfalls noch nicht fest. Insgesamt ist das Programm bei drei Mrd. US-Dollar gedeckelt. Angesichts des hohen Schuldenbergs ist das eher als symbolischer Beitrag zu werten. Die Rendite der Sonderanleihe soll früheren Angaben zufolge bei weniger als 5 Prozent liegen. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen liegt hingegen inzwischen bei rund 15 Prozent.

Volkswirte erwarten Schnitt

Wegen der hohen Zinsen ist auch die Debatte um eine Umschuldung neu aufgeflammt. Die Regierung wehrt sich vehement dagegen. In einer Reuters-Umfrage sagten 46 von 55 Volkswirten diesen Schritt voraus.

Ein Befürworter einer freiwilligen Umschuldung Griechenlands ist Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise. Die Reformen in dem hochverschuldeten Land seien zwar beachtlich, doch die Kapitalmärkte seien vom Erfolg der Reformen noch nicht überzeugt, sagte Heise dem ZDF. Leider dauere es bei strukturellen Veränderungen länger, bis sie wirkten.

RTR2L3MM.jpg

(Foto: REUTERS)

Luft könne sich Griechenland mit einer freiwilligen Umschuldung verschaffen: "Eine zwangsweise Umschuldung wäre fatal und würde zu einer breiten Verunsicherung an den Kapitalmärkten führen." Möglich wäre allerdings ein solcher Schritt auf freiwilliger Basis. "Denkbar wäre, dass man Investoren mit großem Abschlag griechische Staatsanleihen abkauft und diese dann gegen niedrigere neue Anleihen tauscht, die durch den Rettungsschirm gedeckt sind", beschrieb Heise eine mögliche Variante. Ökonomisch halte er dies für einen sinnvollen Weg, erklärte der Volkswirt. "Negative Folgen an den Finanzmärkten kann ich nicht erkennen."

Unter Refinanzierungsstress

Unter vielen Volkswirten gilt eine Umschuldung als wichtiger Schritt, weil sonst kein Ausweg aus einer Schuldenspirale in Sicht ist. Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass der Schuldenberg Griechenlands bis 2013 auf 160 Prozent der Jahres-Wirtschaftsleistung wächst. Die deutsche Schuldenstandsquote ist mit gut 80 Prozent nur halb so hoch. Das griechische Staatsdefizit hat 2010 voraussichtlich bei über zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelegen, in Deutschland waren es 3,3 Prozent.

Wegen auslaufender Staatsanleihen, neuem Geldbedarf und Zinszahlungen muss der griechische - wie der deutsche - Schuldenberg ständig umgeschlagen werden. 2011 beträgt dieser Bruttokreditbedarf der Griechen dem IWF zufolge 58,7 Mrd. Euro. Davon kann das Land aber nur gut zehn Milliarden Euro über kurzlaufende Schuldverschreibungen besorgen. Denn wegen der Zweifel an der Bonität des Landes sind die mittel- und langfristigen Zinsen so stark gestiegen, dass sie der Staat nicht mehr bezahlen kann: Gemessen an aktuellen Marktpreisen wären für eine neue zehnjährige Staatsanleihe rund 15 Prozent fällig, für ein Papier mit zweijähriger Laufzeit sogar gut 23 Prozent.

Rettungsschirm bald aufgezehrt

An der Stelle springt das 110 Mrd. Euro-Hilfsprogramm vom Mai 2010 ein. Um das Land vor der Pleite zu retten, haben der IWF vor einem Jahr 30 Mrd. und die Euro-Partner 80 Milliarden Euro bereitgestellt. Deutschland garantiert für 22,4 Mrd. Euro der Kreditsumme. Nach den Beschlüssen des jüngsten EU-Gipfels werden für die Hilfskredite rund vier Prozent Zinsen fällig. Für die Kredittilgung hat Griechenland siebeneinhalb Jahre Zeit.

Bis zum Ende dieses Jahres sollen von der Gesamtsumme rund 78 Mrd. Euro an Griechenland ausgezahlt werden. Damit bleiben noch 32 Mrd. Euro übrig. Genau hier beginnt das Problem: Die Hilfskredite reichen nicht aus, um den griechischen Bruttokreditbedarf von 66,6 Mrd. Euro im Jahr 2012 zu decken, von den Folgejahren ganz zu schweigen. Irgendwann im Jahresverlauf 2012 müsste also wieder der Kapitalmarkt angezapft werden: Die benötigte Summe in mittel- und langfristigen Anleihen dürfte zwischen 25 und 30 Mrd. Euro liegen, der IWF rechnet mit einem Bedarf von knapp 27 Mrd. Euro.

Quelle: ntv.de, nne/dpa/DJ/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen