Wirtschaft

US-Wirtschaft in Not Auf Jahre kein Wachstum

Mit den neuesten Arbeitsmarktdaten vom vergangenen Freitag hat sich die Misere der US-Wirtschaft erneut manifestiert. Ein Jobverlust von 651.000 Stellen in einem Monat kann zweifelsohne als dramatisch bezeichnet werden. Eine Quote von 8,1 Prozent führt auf dem besten Weg zu einer Panik auf dem Arbeitsmarkt. Für US-Verhältnisse ist ein solcher Prozentsatz enorm. Der höchste Stand seit 25 Jahren. Der Arbeitsplatzverlust innerhalb eines Monats ist der größte seit Oktober 1949. Und damals wurde bekanntlich die riesige Kriegsindustrie abgewickelt.

Volkswirte sind sich mittlerweile einig, dass die Rezession noch einige Monate anhält. Als wären diese Zahlen nicht schon schlimm genug. Was mag da auf die Vereinigten Staaten noch zukommen, fragen sich viele. Der Kollaps vieler Industrie-Jobs könnte ja erst noch bevorstehen. Der Mittlere Westen bangt um die Autoindustrie und ihre Zulieferer. General Motors selbst hat eine Insolvenz nicht mehr ausgeschlossen. Kaum vorstellbar, dass GM-Chef Rick Wagoner vor Monaten das böse Wort höchstselbst in den Mund genommen hätte.

Arbeitslose gehen auf die Straße

Die OECD sieht die steigende Arbeitslosigkeit weltweit mittlerweile als einen systembedrohenden Faktor an. In Frankreich sind protestierende Arbeitnehmer bereits Routine. In Irland sind im Februar 120.000 Arbeiter auf die Straße gegangen und haben gegen Jobabbau und Arbeitslosigkeit protestiert. Dabei wurde die grüne Insel in den letzten Jahren vom Kapitalismus und der Globalisierung verwöhnt. Lettland und Griechenland wurden von Massenprotesten erschüttert. In Island musste die Regierung gar zurücktreten.

Soweit ist man in den Staaten nicht. "Die Kultur ist eine andere", sagt Professor Irwin Collier vom John-F.-Kennedy-Institut in Berlin gegenüber n-tv.de. "Die Leute gehen dort nicht auf Straße für ihre Arbeitsplätze." Dennoch ist auch in den USA eine große Bitterkeit entstanden. Im Vergleich zu 1929 nimmt die Krise zwar ähnliche Größenordnungen an, doch das Leid der Menschen ist mit damals nicht vergleichbar. "Die USA gelten zwar nicht als Sozialstaat, doch die Altersversorgung ist dort kein Problem mehr", erläutert Wissenschaftler Collier. Dennoch herrsche große Bitterkeit, wenn die Leute ihre Abrechnungen bekommen und dort einen Verlust von 25 Prozent sehen.

Kein Aufschwung in Sicht

Auch der US-Aktienmarktanalyst Emil Heppel von der Landesbank Berlin mag keine Vergleiche zu der großen Depression von 1929 ziehen. "Damals war die Arbeitslosigkeit bei 25 Prozent. Soweit sind wir nicht, zumindest noch nicht." Dennoch sieht er in der derzeitigen Lage die größte Krise seit etwa sechzig Jahren. Und der Ausgang sei ungewiss. "Wir werden lange Zeit eine unterdurchschnittliche konjunkturelle Entwicklung sehen", sagt der Spezialist für US-Wirtschaft der Landesbank im Gespräch mit n-tv.de. "Auf Jahre hinaus ist kein Wachstum in Sicht." Auch wenn sich die Wirtschaft im nächsten oder übernächsten Jahr wieder fangen sollte, geht er von einer längeren Phase der Beinahe-Stagnation aus. Eine typische Entwicklung nach einer tiefen Rezession seien einige Quartale mit einer sehr langsamen wirtschaftlichen Entwicklung.

Was sich seit der Eskalation der Finanzkrise verheerend auf die US-Wirtschaft auswirkt, ist das fehlende Vertrauen in jeder Beziehung. "Die Geldmenge ist deutlich erhöht worden, und der Leitzins ist beinahe auf Null. Doch die Zinsen auf Kredite für Unternehmen sind weiterhin hoch", sagt Professor Collier. Das sei ein verheerendes Zeichen für den Zustand der Wirtschaft. Dabei hat die Regierung und vor allem die US-Notenbank Fed schnell und richtig reagiert. Fed-Chef Ben Bernanke habe "Out of the box"-Ansätze entwickelt. Lösungen also, die außerhalb der üblichen Handlungsschemata liegen. Liquidität sei ausreichend vorhanden, alleine gebracht hat es bisher nicht viel. Auch wenn darüber gerätselt werden darf, wie schlimm es sonst geworden wäre.

Sparen für die Inflation

Ein Allheilmittel gibt es nicht für die derzeitige Weltwirtschaftskrise. "Die Regierungen haben die Notenpressen angeworfen. Und zwar weltweit", sagt Analyst Heppel. Aber dieses viele Geld müsse irgendwann auch wieder eingesammelt werden. Wie das geschehen soll, ist unklar. Was kommt danach? Eine große Inflationswelle könnte die globale Wirtschaft erfassen. "Das ist recht wahrscheinlich", befürchtet Heppel.

Das dürfte vor allem die Sparer treffen, die derzeit Geld für schlechte Zeiten auf die Seite legen. Die Sparquote in den USA lag im Januar bei rekordverdächtigen fünf Prozent. Ein außergewöhnlich hoher Wert für ein Land, das es gewohnt ist, auf Pump zu leben. Die Steuerschecks, die die Bush-Regierung im letzten Sommer verteilte, wurden größtenteils auf die hohe Kante gelegt. Die Bürger ahnten offensichtlich schon damals, dass es nicht bei einer leichten Konjunkturdelle bleiben wird.

Zweifel am Konjunkturpaket

Auch das gigantische Konjunkturprogramm des neuen US-Präsidenten Obama wird keine nachhaltige Abhilfe schaffen. "Da ist kein roter Faden zu erkennen", bemängelt US-Aktienanalyst Heppel. Ein Teil der Geldes sei für arbeitsplatzschaffende Maßnahmen vorgesehen, andere sollen der Konjunktur helfen. "Es wird wohl helfen, die Schwere der Rezession etwas zu mildern, beenden kann sie sie nicht." Auch der Wissenschaftler Collier vom John-F.-Kennedy-Institut ist skeptisch, was die Multi-Milliarden-Dollar-Maßnahme angeht. Eigentlich sei das Paket sogar zu klein. "Eigentlich befinden wir uns immer noch in der Denial-Phase", sagt Collier. Man wolle immer noch nicht so recht wahrhaben, wie tief der wirtschaftliche Rückgang wirklich sei.

Für Prognosen ist die derzeitige Lage viel zu ernst. Nahezu alle Experten halten sich derzeit bedeckt, was die Länge der Krise in der US-Wirtschaft angeht. Selbst eine Depression wollen die wenigsten noch ausschließen. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft in den USA sind ebenso offen. Wie sich nach der großen Rezession die Weltwirtschaft neu ordnet ebenso. Die USA dürften auch dann noch auf dem ersten Platz der Volkswirtschaften stehen. "Der Abstand ist noch gewaltig", sagt Heppel. Doch er schrumpft. Und der Wirtschaftsglobus muss danach wohl neu austarieren.

Quelle: ntv.de

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