EU-Razzia zur Bilanzpressekonferenz Bahn fährt Milliardengewinn ein
31.03.2011, 12:35 Uhr
Einfahrt in den Hamburger Hauptbahnhof.
(Foto: dpa)
Die Kunden der Deutschen Bahn erweisen sich als sehr zuverlässig: Das wichtigste Unternehmen im deutschen Schienenverkehr zählt 2010 wieder etwas mehr Fahrgäste als im Vorjahr - und das trotz aller Streiks, Zugausfälle und Verspätungen. Ärger droht aus Brüssel: EU-Ermittler suchen nach Verstößen gegen Wettbewerbsregeln.
Trotz widriger Witterungsbedingungen, massiver technischer Probleme, Streiks und anderen Behinderungen im deutschen Eisenbahnverkehr sind 2010 wieder etwas mehr Reisende mit der Deutschen Bahn gefahren als im Jahr zuvor. Der Konzern konnte Umsatz und Gewinn zum Teil kräftig steigern.
Die Zahl der Fahrgäste erhöhte sich insgesamt um 2,2 Prozent auf 1,95 Mrd. Reisende, wie die Bahn mitteilte. Damit ist im vergangenen Jahr jeder Bundesbürger - rein statistisch betrachtet - im Schnitt etwa 24 Mal mit der Bahn gefahren. Ein großer Teil dürfte dabei allerdings auf Berufspendler und Geschäftsreisende entfallen.
Das Unternehmen steigerte seine Erlöse im Vergleich zum Vorjahr um 17,3 Prozent auf 34,4 Mrd. Euro. Der Nettogewinn kletterte um 27,5 Prozent auf knapp 1,1 Mrd. Euro. Die Schulden stiegen durch den Kauf des britischen Verkehrskonzerns Arriva um 1,9 Mrd. auf 16,9 Mrd. Euro.
Vorstandschef Rüdiger Grube nannte den Geschäftsverlauf 2010 positiv. Die Zahl der Reisenden habe sich erhöht - trotz der technischen Probleme und den damit verbundenen Zugausfällen bei ICE-Fernzügen, einigen Regionalbahnen und der S-Bahn Berlin.
Bei der Güterbahn DB Schenker Rail stieg die Verkehrsleistung um 12,6 Prozent auf 105,8 Mrd. Tonnenkilometer. Damit reicht die Bahn im vergangenen Jahr nicht an das Rekordergebnis aus dem Jahr 2008 heran. Damals kam der Konzern auf insgesamt 113,6 Mrd. Tonnenkilometer.
EU-Razzia bei der Bahn
Für Aufsehen nach der Bilanzpressekonferenz sorgte die Nachricht, EU-Ermittler hätten die Geschäftsräume der Deutschen Bahn und einiger ihrer Tochtergesellschaften durchsucht. Der Konzern stehe unter dem Verdacht, EU-Wettbewerbsregeln verletzt zu haben, bestätigte die EU-Kommission. Die Razzia habe bereits am Dienstag stattgefunden.

Die Ermittler kamen am Dienstag, zwei Tage vor der großen Jahres-PK: Wenn die Bahn Wettbewerbsregeln verletzt hat, drohen finanzielle Konsequenzen.
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Die Durchsuchungen von Bahn-Büros durch EU-Ermittler habe Deutsche Bahn eigenen Angaben zufolge "überrascht". Hintergrund der Razzia in Berlin, Frankfurt und Mainz seien Vorwürfe gegen das seit 2002 bestehende Preissystem für Bahnstrom, sagte Bahn-Vorstand Gerd Becht. Es sei damals vor Einführung intensiv mit dem Bundeskartellamt erörtert worden. Außerdem habe die Bahn in dieser Sache bereits mehrere Prozesse gewonnen.
Die EU-Kommission verdächtigt die Deutsche Bahn, ihre marktbeherrschende Stellung auf Kosten der Konkurrenz auszunutzen. Nach Angaben aus Brüssel geht es dabei um die Frage, ob die Bahn auf ihren Strecken den eigenen Bahntöchtern günstigere Strompreise im Güter- und Fernverkehr berechnet als der Konkurrenz.
Durchsuchungen seien lediglich ein erster Schritt und bedeuteten noch nicht, dass die Unternehmen schuldig seien, betonten Europas oberste Wettbewerbshüter. Falls sich der Verdacht erhärtet und die EU-Kommission ein offizielles Verfahren einleitet, drohen der Bahn hohe Geldstrafen von bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes. Für die Untersuchung gibt es keine Frist.
Weniger Atom-Strom für die Bahn
Sorgen bereitete dem Unternehmen dagegen die Debatte um einen grundlegenden Kurswechsel in der deutschen Energiepolitik: Als größter deutscher Stromverbraucher kommt die Bahn nach den Worten ihres Chefs Grube durchaus ohne das Atomkraftwerk Neckarwestheim I aus.
Die Energieversorgung des deutschen Zugverkehrs sei auch nach dem Abschalten des AKW gesichert, sagte Grube. Die Bahn habe sich vor der im Herbst beschlossenen Laufzeitverlängerung darauf eingestellt, dass dieses Kraftwerk 2010 vom Netz gehen würde.
Grube pocht auf Datteln 4
Bereits voriges Jahr habe der Meiler in Neckarwestheim mehrere Monate keinen Strom produziert, ohne dass es Probleme gegeben habe. Neckarwestheim I habe bislang 8 Prozent des Strombedarfs der Bahn gedeckt.
Langfristig könnten Versorgungsengpässe aber nur dann vermieden werden, wenn am Kohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen die nötigen Stromwandler rasch genehmigt und ans Netz angeschlossen würden, sagte Grube. "Wir kaufen zudem alles auf, was zu vertretbaren Konditionen am Markt an regenerativen Energien verfügbar ist", fügte Grube hinzu.
Quelle: ntv.de, dpa