Erst Kartenpanne, dann Kostenwelle Banken halten Kunden hin
06.01.2010, 18:08 UhrTrotz der Schwierigkeiten mit rund 30 Mio. EC- und Kreditkarten scheuen Deutschlands Geldinstitute weiterhin davor zurück, die betroffenen Karten in einer großangelegten Umtauschaktion durch neue Chipträger zu ersetzen. Im Handel wächst die Unruhe. Erste Schadenersatzforderungen werden laut.

Das Pflaster verdeckt die Stelle, an der es bei rund 30 Mio. Karten verschiedener Anbieter hakt (Beispielbild).
(Foto: picture alliance / dpa)
Derzeit werde intensiv geprüft, fehlerhafte Karten-Mikrochips mit Hilfe einer neuen Software zu reparieren, sagte ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). "Unsere Aktivitäten zielen darauf ab, einen Austausch so weit wie möglich zu vermeiden." Beobachter gehen davon aus, dass eine Umtauschaktion für die Banken mit erheblichen kosten verbunden wäre. Pro Karte können Branchenkreisen zufolge bis zu zehn Euro anfallen. Müssten alle betroffenen Karten ausgetauscht werden, kämen auf die Banken Kosten von bis zu 300 Mio. Euro zu.
Wie der Zentrale Kreditausschuss (ZKA) als Dachorganisation von Banken und Sparkassen mitteilte, sollten die zu Jahresbeginn aufgetretenen Probleme an Geldautomaten mittlerweile behoben sein. Die Terminals im Handel sollen bis Anfang kommender Woche wieder funktionieren. Grund des Ärgers sind falsch programmierte Mikrochips in bestimmtem Karten. Diese können die Jahreszahl 2010 nicht korrekt verarbeiten.
Betroffen sind entgegen ersten Vermutungen nicht neue, sondern ältere Karten. Keine Probleme gebe es mit allen EC-Karten, die nach dem 1. Juli 2009 ausgegeben wurden, und bei Kreditkarten mit Ausgabe nach März 2009, erläuterte der DSGV-Sprecher.
Der Hersteller der fehlerhaften Chipkarten, Gemalto, teilte mit, das Unternehmen arbeite derzeit zusammen mit den deutschen Banken an einem Korrekturverfahren, um einen Austausch der Karten zu vermeiden. Zahlungskarten von Gemalto für andere Staaten seien von der Panne nicht betroffen, hieß es.
Unter Händlern wächst die Wut
Der Handelsverband Deutschland (HDE) kritisierte, beim Zahlen per EC-Karte und Geheimzahl komme es regelmäßig zu Ausfällen. "Die Kreditwirtschaft muss dafür sorgen, dass die von ihr angebotenen Systeme zuverlässig funktionieren", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Der Handel zahle dafür jährlich Gebühren in dreistelliger Millionenhöhe. Einzelhändler forderten Ausfallgarantien und Schadenersatz bei derartigen Problemen.
Schwierigkeiten gebe es derzeit bei etwa einem Fünftel von insgesamt einer Million Zahlungsterminals an Ladenkassen. Die Probleme zeigten, wie unentbehrlich die Zahlung mit EC-Karte und Unterschrift sei, die als Alternative genutzt werde.
Vertreter der Kreditwirtschaft empfahlen Verbrauchern angesichts der Probleme, ausreichend Bargeld mitzuführen und bei Problemen an Geldautomaten unter Umständen Geld am Bankschalter abzuheben. Bei fremden Banken fallen hierfür jedoch Gebühren an, die zunächst der Kunde tragen muss.
Auch beim Geldabheben im Ausland gibt es offenbar noch Schwierigkeiten. "An mehr als jedem zweiten Geldautomaten wird man Geld bekommen", sagte DSGV-Sprecherin Michaela Roth. Sollte es an einem Automaten aber nicht klappen, sollten Kunden zum nächsten gehen.
Angesichts der möglicherweise anfallenden Gebühren stellte ein ZKA-Sprecher betroffenen Kunden ein Entgegenkommen in Aussicht. "Es ist davon auszugehen, dass die Institute daran interessiert sind, möglichst kulante Regelungen zu treffen", hieß es vom Zentralen Kreditausschusses. Ziel sei es jedoch, zunächst dafür zu sorgen, dass der Zahlungsverkehr wieder normal läuft. Hierfür habe die Branche bereits die meisten Geldautomaten umprogrammiert. Daneben sollen die Bezahlterminals im Handel bis Montag flächendeckend neue Software bekommen.
Die Konkurrenz profitiert
Die Probleme bei den rund 30 Mio. EC- und Kreditkarten wirken sich schon jetzt auf die internationalen Zahlungsströme aus. So registrierte der Finanzdienstleister Western Union nach eigenen Angaben deutliche Verschiebungen im Zahlungsmuster. "Wir haben einen deutlichen Anstieg der Transaktionen festgestellt", sagte der Deutschland-Chef von Western Union, Claus Jousten, der "Stuttgarter Zeitung".
Eigentlich nutzten vor allem Kunden mit Migrationshintergrund die Bank, um Bargeld in entlegene Länder zu überweise. In den vergangenen Tagen hätten aber deutlich mehr Kunden Western Union genutzt, um sich im Urlaub oder auf Geschäftsreisen mit Bargeld zu versorgen. "Viele Banken bieten ihren Kunden an, die Kosten dafür zu übernehmen", sagte Jousten mit Blick auf mögliche Neukunden.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa