Wirtschaft

Produktion von Solaranlagen "China kann das nicht alleine schaffen"

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"Europa hat gerade eine wahnsinnige Chance", sagt Enpal-Gründer Mario Kohle.

(Foto: picture alliance / Westend61)

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Die europäische Solarindustrie ist stark von China abhängig. Die Politik versucht, das zu ändern - für einige in der Branche geht es aber zu langsam voran. "Wir sollten endlich loslegen und uns nicht immer mit irgendwelchen Bedenken rumschlagen. Mich nervt das extrem", sagt Mario Kohle, Gründer des Start-ups Enpal.

Herr Kohle, die europäische Photovoltaikbranche befindet sich in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu China. Die Politik will das ändern und die Produktion wieder stärker nach Europa holen. Auch Sie kaufen mit ihrem Unternehmen Enpal vor allem in China ein. Überlegen Sie schon, Ihre Lieferketten neu auszurichten?

Mario Kohle: China dominiert ganz klar die Produktion von Solaranlagen - bei einem Teilprodukt, den Wafern, sind es zum Beispiel 97 Prozent. Das heißt, 97 Prozent der Solaranlagen sind einmal durch China gegangen. Wir sind extrem zufrieden mit unseren chinesischen Partnern. Gerade durch die jüngsten Krisen ist das Vertrauen noch einmal gestärkt worden. Ich glaube aber, dass das, was China produzieren kann, gar nicht ausreichen wird. Der Bedarf ist gigantisch, denn wir müssen unser Stromsystem weltweit komplett auf erneuerbare Energien umstellen. China kann das auch nicht alleine schaffen. Also ja, auch wir gucken uns natürlich immer um.

Wo liegen denn noch Wachstumspotenziale?

Die Solarenergie erlebt einen weltweiten Boom. Die USA haben das begriffen. Und mein Wunsch ist, dass auch die EU das begreift. Es gibt gerade eine wahnsinnige Chance für Europa und die Unternehmen. Herbert Diess hat ja zum Beispiel schon angekündigt, 15 bis 20 Solarwerke in Europa zu errichten. Auf solche und andere Projekte bin ich sehr gespannt.

Steigt Enpal auch ein?

Nein, für uns ist die Herstellung selbst eher nichts. Wir kümmern uns um alles, was nach der Produktion geschieht. Aber wir freuen uns über Partnerschaften und sind hier in intensiven Gesprächen mit den führenden Unternehmen.

Zuletzt haben 26 Unternehmen einen Plan vorgestellt, um die europäische Solarindustrie zu neuem Leben zu erwecken - darunter Enpal, aber auch Energiekonzerne wie Eon. Spüren Sie politischen Rückenwind für Ihr Thema?

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Enpal-Gründer Mario Kohle hat im Januar eine Series-D-Finanzierung gesichert, bei der das Unternehmen mit 2,4 Milliarden Dollar bewertet wurde

(Foto: Enpal)

Ja, das spüre ich auf jeden Fall. Wir haben in Europa erkannt, dass es gewisse Schlüsselindustrien gibt, die wir hier brauchen - zum Beispiel Batterien. Da sind wir auf einem guten Weg. Jetzt geht es immer mehr in Richtung Photovoltaik.

Finden wir denn dafür genügend Leute - Stichwort: Fachkräftemangel?

Ja, Produktion ist wieder sexy, gerade in der jungen Generation. Das spüre ich ganz eindeutig. Außerdem gibt es ganz andere Vorzeichen als vor 20 Jahren. Da waren wir in Europa schon einmal führend bei PV, wir haben sie sogar erfunden. Mittlerweile ist die Automatisierung so weit fortgeschritten, dass wir deutlich weniger Personal für den Bau von PV-Modulen benötigen. Die Arbeitskosten fallen also gar nicht mehr so ins Gewicht, wie damals. Wenn wir jetzt dank mehr erneuerbarem Strom auch noch geringe Energiekosten haben, und die Skaleneffekte zunutze machen, können wir auch günstiger PV-Anlagen herstellen. Der vermeintliche Fachkräftemangel sollte aber eigentlich nicht Kern der Debatte sein.

Sondern?

Wir sollten endlich loslegen und uns nicht immer mit irgendwelchen Bedenken rumschlagen. Mich nervt das extrem. Wie oft habe ich schon gehört: Das klappt nicht, das ist viel zu ambitioniert - und am Ende hat es eben doch funktioniert. Henry Ford hat mal gesagt: "Ob du denkst, du kannst es oder du kannst es nicht: Du hast in beiden Fällen recht." Und genauso mutig sollten wir auch die Produktion von Solarmodulen in Europa angehen. Da finde ich es zum Beispiel sehr inspirierend, wenn sich Leute wie Herbert Diess nach vorne stellen und sagen: So, wir machen das jetzt.

Sind denn die Rahmenbedingungen in Europa mittlerweile dafür gegeben, um loszulegen?

Die USA machen es vor: Der Inflation Reduction Act garantiert dort staatliche Anschubfinanzierung für die heimische Solarindustrie. Darauf brauchen wir eine europäische Antwort. Wenn ich mit Produzenten spreche, dann sagen die mir ganz klar: "Wenn ich die Wahl habe, und kann starke Subventionen in den USA oder Indien bekommen - dann gehe ich dahin und nicht nach Europa." Eine europäische Antwort auf den Inflation Reduction Act muss dem Ganzen vorweg gehen, denn das alles ist auch in Europa machbar. Deshalb haben wir in einer Gruppe mit 26 führenden Unternehmen einen Vorschlag erarbeitet, wie die Politik die Solarindustrie stärken kann. Enpal war hier intensiv beteiligt und hat die Erarbeitung des Vorschlags federführend mit koordiniert. Dieser Vorschlag wird am heutigen Dienstag mit Robert Habeck und den Spitzen der Erneuerbaren-Branche beim BMWK-Produktionsgipfel diskutiert, um die Renaissance der deutschen Solarindustrie einzuleiten.

Daran arbeitet die EU bekanntermaßen. Was wären Ihre Wünsche an ein solches Paket?

Eigentlich nur zwei Dinge: Schnell und einfach. Denn: alle Gelder bringen nichts, wenn sie wegen praxisferner Antrags- und Genehmigungsverfahren nicht beansprucht werden können. Wenn ein LNG-Terminal nur zehn Monate braucht, dann muss diese "Deutschlandgeschwindigkeit", wie von Olaf Scholz ausgerufen, auch für Solarfabriken gelten. Europa darf nicht länger zaudern. Jetzt müssen wir vom Wollen zum Handeln kommen. Und zwar schnell. Der amerikanische Inflation Reduction Act ist deshalb so gut, weil er so unbürokratisch ist. So etwas brauchen wir hier auch, und zwar schnellstmöglich.

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Ihr Unternehmen Enpal hat in den vergangenen drei Jahren offensichtlich von der geopolitischen Lage profitiert. Erst durch Corona, als viele Menschen ihre Häuser renoviert haben, dann durch den Ukrainekrieg, als fossile Energien unglaublich teuer wurden. Jetzt scheinen sich die Krisen etwas zu stabilisieren. Wie geht es Ihnen damit?

Corona war in erster Linie ein ziemlicher Albtraum für die Lieferketten. Und auch wir wussten ehrlich gesagt nicht direkt, ob wir das überleben werden. Wir haben zum Glück mitten in dieser Zeit ein Büro im chinesischen Shenzhen eröffnet. Wenn wir das nicht getan hätten, dann wären wir mehrfach lieferunfähig geworden. So waren wir das nicht einen Tag. Der Ukrainekrieg war dann ein Schlüsselmoment für viele Menschen, die plötzlich gemerkt haben, wie wichtig Energieunabhängigkeit ist. Insofern stimmt die Analyse zwar - aber wir schauen bei Enpal eigentlich immer nur darauf, was für uns richtig ist und machen uns nicht von Krisen abhängig.

Mit Mario Kohle sprach Jannik Tillar

Das Interview erschien zuerst bei capital.de

Quelle: ntv.de, cls

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