Nach der Krise die Inflation China stöhnt unter Preisanstieg
14.12.2010, 10:31 Uhr
Die Inflation ist in China kein Gespenst mehr
(Foto: REUTERS)
China hat die Krise gut überstanden, die zweitgrößte Volkswirtschaft marschiert mit rund zehn Prozent Wachstum voraus. Aber jetzt steigt die Inflationsrate - die Chinesen schimpfen über immer höhere Preise. Das soziale Konfliktpotenzial nimmt zu.
Die stark steigende Inflation in China trifft besonders die einfachen Leute. "Alles wird teurer, besonders Obst und Gemüse", klagt die 62-jährige Zhang Li. "Der Preis für Weißkohl hat sich gegenüber dem vergangenen Jahr verdoppelt - und das, obwohl die Behörden schon den Preis kontrollieren." Sonst wäre das Gemüse sogar viermal so teuer wie heute, wie die Rentnerin aus der Zeitung weiß: "Alle schimpfen." Besonders jetzt, wo sich die Chinesen gewöhnlich für den Winter mit Weißkohl eindecken. Aber auch Speiseöl, Getreide, Zucker, "ja selbst Sonnenblumenkerne sind teurer geworden".
Das Nationale Statistikamt in Peking gibt ihr Recht: "Die Preise sind über die Erwartungen hinaus gestiegen", sagt Sprecher Sheng Laiyun. Im November stiegen die Verbraucherpreise um 5,1 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 28 Monaten. Da Nahrungsmittel um 11,7 Prozent und allein Obst um 28 Prozent teurer wurden, sind die Auswirkungen für den Geldbeutel der überwiegenden Masse der Wenigverdiener in China dramatisch. "Wer kann das alles noch bezahlen?", fragt Zhang Li kopfschüttelnd. "Für die Reichen ist das kein Problem. Aber was sollen wir machen?"
Klaffende Einkommenskluft
Die Einkommenskluft vertieft sich - die Unruhe unter den Chinesen ist nicht nur auf den Märkten zu spüren. In einer Schule in Liupanshui in der Provinz Guizhou in Südchina randalierten Schüler in der Kantine und schlugen Fenster ein, um gegen höhere Preise für ihre Schulspeisung zu protestieren, wie Staatsmedien berichteten. Der kommunistischen Führung ist das soziale Konfliktpotenzial nicht erst seit dem Volksaufstand von 1989 bewusst, als hohe Inflation und Korruption den Nährboden für die Demokratiebewegung legten, die das Militär blutig niederschlug.
Auf der jährlichen Wirtschaftskonferenz, die den Kurs für das neue Jahr festlegte, vereinbarten Chinas Führer gerade erst, "die Stabilisierung des allgemeinen Preisniveaus stärker in den Mittelpunkt zu rücken". Wegen Anzeichen einer Überhitzung der in diesem Jahr voraussichtlich um 9,9 Prozent wachsenden Wirtschaft erwarten Experten neue Zinserhöhungen und eine Drosselung der bisher massiven Kreditvergabe. Allein im November wurde der Reservesatz für Bankeinlagen dreimal erhöht. Den Leitzins hatte die Zentralbank im Oktober zum ersten Mal seit drei Jahren angehoben.
Die Wirtschaftskonferenz warnte, "nicht blindlings hohes Wachstum zu verfolgen". Die Beschäftigung und der Lebensstandard der Menschen sollen gesteigert werden. "Kredite sollten in die Realwirtschaft fließen, besonders in den landwirtschaftlichen Bereich und an kleinere Unternehmen", forderte die Regierung, nachdem das Geld in den vergangenen zwei Jahren meist an Staatsunternehmen gegangen war und vor allem in Spekulationen mit Immobilien und Aktien strömte.
Locker in der Krise
Die chinesische Führung hatte angekündigt, 2011 von der "vergleichsweise lockeren" Geldpolitik zu einem vorsichtigen Kurs umzuschwenken. Konjunkturprogramme und die große Kreditgießkanne hatten die Auswirkungen der Krise recht gut aufgefangen. Ende November war das Jahresziel für neue Kredite von 7,5 Billionen Yuan (840 Mrd. Euro) schon erreicht. Im neuen Jahr sollen es maximal 7 Billionen Yuan werden, glauben Experten.
Denn nicht nur Nahrungsmittelpreise steigen, sondern auch Wohnungs- und Haushaltskosten, Rohstoffpreise und Ausgaben im Gesundheitswesen. "Die Kombination von billigen Krediten, einer Immobilienblase in vielen Städten und einer Verschlechterung der strukturellen Inflation spricht insgesamt für höhere Zinsen, um das Wachstum abzukühlen und zu verhindern, dass sich die Inflation weiter verschlimmert", sagte Ben Simpfendorfer, China-Ökonom der Royal Bank of Scotland.
Den Chinesen wird es nur ein schwacher Trost sein, wenn die Preise künftig nicht noch stärker steigen. Denn trotz aller Bemühungen zur Preisstabilisierung rechnen viele Experten 2011 unverändert mit einer Inflation von vier bis fünf Prozent. Und die Akademie der Sozialwissenschaften erwartet im neuen Jahr ein unvermindert rasantes Wachstum von zehn Prozent.
Quelle: ntv.de, Andreas Landwehr, dpa