"Einheizer" und Reizfigur Claus Weselsky - wer ist der Mann an der Spitze der GDL?
16.11.2023, 15:46 Uhr Artikel anhören
Legt Deutschland regelmäßig lahm: GDL-Chef Claus Weselsky.
(Foto: dpa)
Zugausfälle und Verspätungen: Die Lokführergewerkschaft GDL hat zu einem 20-stündigen Streik aufgerufen. Und damit steht auch ihr Chef Claus Weselsky wieder in der Kritik. Doch wer ist der Mann, der nicht nur Bahnreisende zur Weißglut treibt?
20 Stunden Streik: Noch bevor die zweite Verhandlungsrunde zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) überhaupt begonnen hat, steht der Schienenverkehr seit Mittwochabend still – mal wieder. Und damit gerät auch der Chef der GDL einmal mehr ins Rampenlicht: "Wir müssen Druck aufbauen", begründete Claus Weselsky die Arbeitsniederlegung. Für Bahnreisende wird der gebürtige Sachse damit einmal mehr zur Reizfigur. Wer ist der Mann, der die Deutsche Bahn seit Jahren vor sich und seiner verhältnismäßig kleinen Gewerkschaft hertreibt?
Geboren wurde Weselsky 1959 in Dresden als jüngstes von drei Kindern einer Arbeiterfamilie. Seine Eltern arbeiteten zunächst als "Neubauern", ihnen wurde in der DDR enteignetes Land neu zugeteilt. Später machten beide eine Ausbildung zu Straßenbahnfahrern. Weselsky trat in ihre Fußstapfen: Nach der Polytechnischen Oberschule absolvierte er Mitte der 1970er Jahre eine Ausbildung zum Schienenfahrzeugschlosser, wurde Lokomotivführer bei der Deutschen Reichsbahn. Zunächst als Rangierlokführer, später durfte er auch Güter- und schließlich Personen- und Schnellzüge fahren.
Steile Karriere bei der GDL
In der SED war er nie, worauf er noch heute stolz ist. Nach dem Mauerfall wurde schnell deutlich, dass Weselsky politisches Talent mitbringt: Er engagierte sich in der wiedergegründeten Gewerkschaft der Lokführer in Pirna bei Dresden, wurde schon 1990 ihr Vorsitzender. Ab diesem Zeitpunkt machte er schnell Karriere in der GDL. 1992 wurde er stellvertretender Bezirksvorsitzender und damit Mitglied des Hauptvorstandes. 2002 stellte die Bahn ihn komplett für seine Gewerkschaftstätigkeit frei. Weselsky kam als Mitarbeiter der Tarifabteilung in den Bundesvorstand in Frankfurt am Main. Zwei Jahre war er der zweite Mann hinter dem Vorsitzenden Manfred Schell.
2008 wurde Weselsky schließlich Vorsitzender der GDL. Doch auch wenn er mit 90 Prozent der Stimmen ins Amt gewählt wurde, Kritik wurde schon früh laut – auch intern. Als Weselsky seine beiden Stellvertreter schasste, weil er mit ihnen aneinander geraten war, unterstellte Schell ihm einen "autoritären Führungsstil", legte gar seinen Ehrenvorsitz der GDL nieder. Weselsky erklärte, die Entlassenen hätten berufliche und private Interessen vermischt. Der "Einheizer aus Sachsen", wie ihn die "Financial Times Deutschland" nannte, ist unangefochtener Anführer der Gewerkschaft. Weselsky hat es geschafft, die GDL trotz ihrer verhältnismäßig geringen Größe zu einer der mächtigsten Gewerkschaften des Landes zu machen. In Tarifrunden treibt er die Deutsche Bahn regelmäßig vor sich her, was ihm nicht nur Freunde einbrachte.
Kritik prallt offenbar an Weselsky ab
Loyalität, so scheint es, steht für Weselsky über allem. Und wem er loyal ist, wurde schon einige Male deutlich: seinen Kolleginnen und Kollegen in den Führerständen. Dem Ruf des großen Geldes widerstand er schon 2007, als er das Angebot ausschlug, auf die andere Seite und damit in den Personalvorstand der Bahn zu wechseln. Kritik, er nehme das ganze Land mit den Streiks in Geiselhaft, prallt offenbar an ihm ab.
Für die GDL ist er ein Glücksgriff. Kettenhund und Schutzheiliger in einem. Auch wenn viele Bahnreisenden dies schon häufig anders gesehen haben dürften. Wie die "Neue Zürcher Zeitung" berichtet, druckte eine Boulevardzeitung 2014 während eines viertägigen Streiks seine Handynummer ab – Dutzende verärgerte Bahnkunden riefen an. Weselsky behielt kühlen Kopf und aktivierte einfach die Rufumleitung – auf die Nummer des damaligen Bahnchefs Rüdiger Grube.
Während viele Mitglieder der GDL ihn für eine solche Aktion feiern, werfen vor allem Bahnreisende ihm immer wieder Egozentrik und mangelnde Verhandlungsbereitschaft vor. Dass die Bandagen hart sind, mit denen er kämpft, ist hinlänglich bekannt. "Kompromisslos" könnte man ihn nennen, auch wenn es eigentlich seine Aufgabe ist, eben jene Kompromisse zu finden. Weselsky lebt mittlerweile auch von seinem Ruf, ein harter Hund zu sein. Ein Streik in der eigentlich ebenfalls für Donnerstag anberaumten Verhandlungsrunde stützt diese Beobachtung. Er ist Stratege, Machtmensch, Gewerkschaftler durch und durch. Vor allem aber Arbeitskämpfer. Nur mit netten Versprechungen bringt man ihn nicht an den Verhandlungstisch – und die Bahnen nicht wieder auf die Gleise. Die Bahn hat die zweite Runde im Lichte des Warnstreiks abgesagt.
Dieser Text erschien zuerst bei stern.de
Quelle: ntv.de