"Wir sind am Limit" Dow attackiert Altmaier
23.02.2013, 20:44 Uhr
in Deutschland ist Dow an 14 Standorten vertreten, darunter auch im mitteldeutschen Böhlen-Lippendorf.
Der energiepolitische Kurs der Bundesregierung stößt in der Industrie auf wachsenden Widerstand: Mit drastischen Worten werfen sich große Stromverbraucher den Plänen des Umweltministers in den Weg. Ein Chemieriese aus den USA droht sogar offen mit der Abwanderung.
Der US-Chemiekonzern Dow sieht wegen steigender Strompreise den Erhalt seiner deutschen Standorte gefährdet. Die Unternehmenszentrale mache sich angesichts der derzeit niedrigen Energiepreise in den USA und im Nahen Osten Gedanken über die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Standorte, sagte Deutschlandchef Ralf Brinkmann der "Wirtschaftswoche".
"Wenn ich eine Investition in Deutschland plane, dann kommen ganz konkrete Fragen nach der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit", beschrieb Brinkmann die Reaktionen aus der Konzernzentrale in den USA. Schon jetzt zahle Dow einen dreistelligen Millionenbetrag für Energie. "Jeder Aufschlag geht zulasten der Wettbewerbsfähigkeit. Wir sind bei den Strompreisen schon jetzt am Limit."
Die von Umweltminister Peter Altmaier geplanten zusätzlichen Belastungen bei der EEG-Umlage für energieintensive Unternehmen sei eine Existenzbedrohung, warnte Brinkmann. Für diese Firmen seien Eingriffe in bestehende Regelungen eine Gefährdung der Existenz.
Welche Bedeutung der Standort Deutschland für das US-Chemieunternehmen hat, lässt sich der Unternehmensdarstellung entnehmen. Dort heißt es in undatierten Materialien in Interviewform, Dow sei in den vergangenen Monaten in Deutschland sehr erfolgreich gewesen. "Unsere Werke in Stade und in Mitteldeutschland zählen zu den größten und leistungsfähigsten Dow-Verbundstandorten überhaupt", lässt sich Brinkmann dort zitieren. "Gemeinsam mit den Standorten in Bomlitz und Rheinmünster und einigen kleineren Werken bilden sie eine Produktionsinfrastruktur, die ihresgleichen sucht."
Dow will in Deutschland demnach weiter wachsen und seinen Marktanteil ausbauen. Deutschland sei der "Wirtschaftsmotor Europas". Hier hätten viele der wichtigsten globalen Dow-Kunden ihren Stammsitz. "Deutschland ist ein Hightech-Land, in dem viele großartige Innovationen für die nachhaltige Entwicklung entstehen und zur Marktreife gebracht werden", beschreibt Brinkmann die Standortvorteile. "Das ist genau das richtige Umfeld für die Weiterentwicklung unseres Spezialchemieportfolios."
Wissmann will die "Strompreisbremse"
Mit seiner Kritik an der deutschen Energiepolitik steht Brinkmann allerdings bei weitem nicht alleine da. Auch die Automobilindustrie sieht die Produktionsstandorte in Deutschland gefährdet, sollten die Energiepreise weiter so drastisch steigen. Verbandspräsident Matthias Wissmann forderte ebenfalls in der "Wirtschaftswoche" eine Strompreisbremse. Ohne sie werde es für energieintensive Grundstoffindustrien immer schwerer.
Das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) an der Kölner Universität rechnet bis 2022 mit weiter steigenden Kosten für die Stromversorgung. In den kommenden Jahren sei mit Gesamtkosten für die Stromversorgung von 556 Mrd. Euro zu rechnen, zitiert die "Welt am Sonntag" aus einer unveröffentlichten Studie des Instituts für den Bundesverband der Deutschen Industrie. Davon seien allein 102 Mrd. Euro auf die bis 2012 gebauten Ökostrom-Anlagen zurückzuführen.
Bis 2022 sei mit einem Anstieg der Systemkosten von jährlich 47 auf 62 Mrd. Euro zu rechnen, sagte EWI-Direktor Marc Oliver Bettzüge der Wochenzeitung laut Vorabbericht. Bettzüge ist Mitglied der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität". In welche Richtung sich die Systemkosten entwickelt würden, wenn sich die Bundesregierung nicht für den Ausstieg aus der Kernenergie entschieden hätte, blieb dabei zunächst offen.
Quelle: ntv.de, rts