Wechselstimmung bei ThyssenKrupp Finanzchef Hippe nimmt den Hut
14.01.2011, 12:44 Uhr
Zentraler industrieller Werkstoff: Glühender Stahl Standort Duisburg.
(Foto: REUTERS)
Wenige Tage vor der Abschiedshauptversammlung für ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz reicht der Finanzvorstand des größten deutschen Stahlkonzerns überraschend seinen Abschied ein. Der designierte Schulz-Nachfolger Heinrich Hiesinger muss sich einen Neuen suchen. Die Gerüchteküche brodelt.

Der Stahlkapitän und sein Finanzsteuermann: Alan Hippe (links) an der Seite von Ekkehard Schulz und Vorstandskollege Ulrich Middelmann.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Kurz vor dem geplanten Chefwechsel bei ThyssenKrupp hat Finanzvorstand Alan Hippe seinen Rückzug angekündigt. Der 44-Jährige werde das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen, um sich neuen beruflichen Aufgaben zu stellen, teilte ThyssenKrupp in der in solchen Fällen üblichen Formel mit. Das Unternehmen bestätigte damit Berichte des "Handelsblatts" und der "Financial Times Deutschland". Hippe, der den Posten als Finanzchef des größten deutschen Stahlkonzerns am 1. April 2009 übernommen hatte, will ThyssenKrupp demnach bereits Ende März verlassen.
Dem Ausscheiden von Hippe muss noch der Aufsichtsrat zustimmen. Zur Hauptversammlung am 21. Januar wird der langjährige ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz die Führung des Unternehmens an den ehemaligen Siemens-Manager Heinrich Hiesinger übergeben.
Der überraschenden Rückzug Hippes sorgte an der Börse zeitweise für Aufregung. Die Aktien von ThyssenKrupp büßten unmittelbar nach der Bekanntgabe um mehr als 3 Prozent ein und rutschten zeitweise bis an das Dax-Ende.
Eine Kaskade plausibler Gerüchte
Laut Börsianern kursieren am Markt Spekulationen, der ausscheidende Finanzchef könnte zum Autokonzern Daimler wechseln. Dort könnte er Finanzvorstand Bodo Uebber ersetzen, der wiederum dann eventuell komplett zum Luft- und Raumfahrtkonzern EADS wechseln könnte.
Von diesem Posten aus könnte Hippe dann - so hieß es Markt weiter - in ein paar Jahren den Chefposten bei Daimler von Dieter Zetsche übernehmen. Die Aktien von Daimler schoben sich vor diesem Hintergrund weiter ins Plus.
Von der Aufgabe Hippes bei ThyssenKrupp zeigten sich Händler ansonsten nicht sonderlich überrascht. Hippe sei 2009 vom Reifenhersteller Continental zu Thyssen gekommen und habe gehofft, den Chefposten bei ThyssenKrupp zu übernehmen, was ihm nicht gelang. An der Entwicklung des Stahlkonzerns ändere der Weggang nichts.
Ekkehard Schulz blickt in die Zukunft
Unabhängig vom Ausscheiden seines Finanzchefs sagte Schulz der Stahlbranche kurz vor seinem Wechsel in den Ruhestand eine starke Zukunft voraus. Stahl werde der zentrale industrielle Werkstoff bleiben, erklärte der dienstälteste Dax-Chef in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Nach dem Rekordverlust des Vorjahres will der scheidende ThyssenKrupp-Chef den Aktionären in einer Woche einen Gewinn von einer Milliarde Euro für das Geschäftsjahr 2009/2010 präsentieren. Das Geschäftsjahr endet bei ThyssenKrupp mit dem September.
Einer der Krisenschäden lastet demnach aber noch schwer auf dem Konzern. Es sind die Schulden in Höhe von 3,5 Mrd. Euro. Diese sind vor allem den beiden neuen Stahlstandorten in Amerika geschuldet.
Altlasten aus der Krise
In der Euphorie steigender Gewinne hatte ThyssenKrupp 2006 beschlossen, in Amerika für mehr als 6 Mrd. Euro eine neue Hütte sowie Walzwerke und Veredelungsbetriebe zu errichten. Die Investitionen in die neue Stahlhütte im brasilianischen Bundesstaat Rio und die Walz- und Veredelungswerke in Alabama sind auf fast 9 Mrd. Euro angeschwollen.
Die Weltwirtschaftskrise hatte den Werkstoff- und Technologiekonzern hart getroffen. Dem Rekordergebnis folgte ein Rekordverlust. Seither ist striktes Sparen angesagt. Die Belegschaft schrumpfte binnen zwei Jahren um gut 22.000 auf 177.000 Beschäftigte.
Werft-Gespräche mit den Emiratis
Schulz erwartet, dass der für den Nafta-Raum (USA, Kanada, Mexiko) zunächst geplante Marktanteil bei Qualitätsflachstahl von 5 Prozent schon im Geschäftsjahr 2012/2013 erreicht wird. Spätestens 2013 sollen die beiden neuen Werke Erträge abwerfen. Qualitätsstahl werde noch sehr lange ein wichtiger Bestandteil des Konzerns bleiben.
Den Umbau des seit Krisenausbruch schlechten Werftengeschäftes zu einem U-Boot-Hersteller und Ingenieurhaus für Überwasserschiffe sieht Schulz kurz vor dem Abschluss. Er erwartet, dass noch in diesem Quartal die Partnerschaft im Überwasserschiffbau mit Abu Dhabi Mar besiegelt wird.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa