Wirtschaft

Brent beim Preis vorne Führungswechsel am Ölmarkt

Bislang war am Ölmarkt auf eine Konstante Verlass: Die US-Sorte WTI kostet mehr als die Nordseesorte Brent, Doch das hat sich nun geändert. Und das wird wohl so bleiben; eine Rückkehr zu führeren Verhältnissen erwarten Händler nicht.

Rohstoffhändler in New York

Rohstoffhändler in New York

(Foto: REUTERS)

Seit Jahrzehnten wird der weltweite Rohölmarkt von zwei Sorten beherrscht: Dem teureren US-Öl WTI und seinem billigeren europäischen Pendant Brent. Der Preisunterschied hatte seinen Grund: Das leichte, im Branchenjargon "süße" US-Öl lässt sich besser zu Benzin, Diesel oder Kerosin verarbeiten. Seit einigen Wochen aber zählt dieses Argument nicht mehr: Das in der Nordsee geförderte Brent-Öl ist inzwischen rund 16 Dollar je Fass teurer als WTI. Ölexperten gehen zwar davon aus, dass sich die Preisdifferenz bald wieder etwas verringert. Aber eine Rückkehr zu früheren Verhältnissen erwarten sie nicht.

Brent und WTI haben sich historisch als Richtwerte für den Ölpreis entwickelt. In den 70er-Jahren waren die USA der größte Ölproduzent der Welt, der WTI-Preis wurde alleinige Benchmark. Dann wurden die Nordseefelder erschlossen, der Brent-Preis etablierte sich im Lauf der Zeit als zweiter Eckwert des Weltmarktes. Nun hat er beim Preis die Führung übernommen.

"Eine Prämie für Brent ist die neue Normalität am Ölmarkt", sagt Ed Morse, der die Rohstoffanalyse der Credit Suisse leitet. Dafür gebe es mehrere Gründe: Zum einen wissen die USA derzeit nicht, wohin mit ihrem Öl, die Kapazitäten ihrer Vorratslager sind restlos erschöpft. Gleichzeitig sinkt die Förderung in der Nordsee seit Jahren stetig. Zusätzlicher Treiber für den Brent-Preis waren zuletzt die Spannungen in Ägypten. Investoren fürchten, dass sich die Krise auf die gesamte Nahost-Region ausbreiten und so die Ölversorgung gefährden könnte. Die Preisfestsetzung für Öl aus dieser Region orientiert sich stark an Brent.

US-Lager sind voll

Seit im September vergangenen Jahres erste Spekulationen aufkamen, dass die US-Notenbank Fed der Wirtschaft erneut unter die Arme greifen könnte, hat sich Öl in Erwartung einer nachhaltigen konjunkturellen Erholung deutlich verteuert. Der Brent-Preis ist seitdem um etwa 35 Prozent gestiegen. Ende Januar mussten für ein Fass Öl erstmals seit 2008 wieder mehr als 100 Dollar bezahlt werden. Der WTI-Preis stieg in diesem Zeitraum nur um 17 Prozent. Aktuell kostet ein Fass Brent etwa 102 Dollar, für WTI werden rund 85 Dollar gezahlt.

Inzwischen quellen die nationalen US-Öllager in Cushing (Oklahoma) über. Ende Januar lagerten in Cushing 38 Millionen Barrel Öl - genug, um den gesamten US-Bedarf für volle zwei Tage zu decken. Die Verteilung auf andere Lagerorte ist schwierig, da die vorhandenen Pipelines voll ausgelastet sind. "Neue Leitungen zu bauen, das ist eine Sache von Jahren", sagt Fondsmanager Christopher Wheaton von Allianz RCM Energy Fund. Bis dahin bleibe die Lage schwierig. "Der Aufschlag für Brent wird womöglich in den kommenden zwei Jahren zwischen sechs und zehn Dollar bleiben", so Wheaton.

Rolle Spekulanten

Der zuletzt drastische Preisanstieg von Brent wurde verstärkt durch die Krise in Ägypten. Dies ist allerdings eher psychologisch als fundamental zu begründen. Denn das nordafrikanische Land ist weder ein sehr großer Ölproduzent noch ein Ölexporteur. "Die Sorge gilt eher der politischen Stabilität im Nahen Osten und der damit verbundenen Angst vor Handelseinschränkungen", heißt es in einer Studie der Fondsgesellschaft Lupus Alpha.

Die rasante Ausweitung des Preisabstands zwischen Brent- und WTI-Öl im Januar lasse auch auf Falschpositionierungen einiger großer Marktteilnehmer schließen. Denn allein seit Ende vergangenen Jahres hat sich der Preisabstand um rund 13 Dollar erhöht. "Einige große Marktteilnehmer hatten wohl darauf gesetzt, dass sich der Preisabstand kurzfristig wieder einengen würde", schreibt Lupus Alpha weiter. "Als er sich stattdessen immer mehr ausweitete, mussten Positionen geschlossen werden, was die Bewegung noch verstärkte und zu einer noch größeren Ausweitung des Preisabstands führte."

Experten erwarten jedoch, dass sich diese Divergenz bald wieder ausgleichen wird. Sollte sich die Lage im Nahen Osten entspannen, wird sich der Preisabstand schon in Kürze wieder verringern, ist sich auch der Leiter der LBBW-Rohstoffanalyse, Frank Schallenberger, sicher.

Quelle: ntv.de, rts

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