Wirtschaft

Bahn blamiert sich in Mainz Grube entlässt Netz-Manager

Abends besser mit dem Auto: Blick auf Bahnsteig und Gleise am Mainzer Hauptbahnhof.

Das Planungsdebakel am Mainzer Hauptbahnhof setzt Bahn-Chef Grube unter Zugzwang: Eine Welle der Empörung spült das Problem bis auf den Tisch von Bundesverkehrsminister. Der verlangt offenbar entschiedenes Handeln.

Zu wenig Fahrdienstleiter: Ein ungewöhnlich hoher Krankenstand in der Urlaubszeit sorgt am Mainzer Hauptbahnhof für ein Fahrplanchaos - und für massiven Ärger bei den Fahrgästen.

Zu wenig Fahrdienstleiter: Ein ungewöhnlich hoher Krankenstand in der Urlaubszeit sorgt am Mainzer Hauptbahnhof für ein Fahrplanchaos - und für massiven Ärger bei den Fahrgästen.

(Foto: dpa)

Das Chaos bei der Personalplanung im Mainzer Eisenbahnbetrieb weckt bei Bahnkunden und der übrigen deutschen Öffentlichkeit ernste Zweifel an den Kompetenzen in den mittleren Reihen des größten deutschen Schienenverkehrsdienstleisters. Längst droht sich die Angelegenheit zu einem schweren Imageschaden für die gesamte Deutsche Bahn auszuwachsen.

Jetzt zieht Bahnchef Rüdiger Grube offenbar erste Konsequenzen: Einem Zeitungsbericht zufolge reagiert Grube auf das Bahn-Chaos in Mainz mit einer personellen Neubesetzung. Der Vorstand im Bereich Produktion der DB Netz AG, Hansjörg Hess, werde von seinen Aufgaben entbunden, berichtet die "Stuttgarter Zeitung". Das Blatt beruft sich auf Angaben aus Konzernkreisen. Eine Bestätigung durch die Bahn liegt nicht vor. Eine Sprecherin teilte lediglich mit, das Unternehmen wolle solche Personaldiskussionen nicht kommentieren.

Die Bahntochter "DB Netz" betreut als Dienstleister des Bahn-Konzerns einen Großteil des deutschen Schienennetzes. Neben der Instandhaltung, der Planung und dem Ausbau der Schienenwege fällt auch der Betrieb von Stellwerken in den Verantwortungsbereich des Unternehmens. In diesem Bereich war es offenbar zu Fehleinschätzungen bei der Dienst- und Urlaubsplanung gekommen, die in der Region Mainz zu Verspätungen und Zugausfällen führt.

Der Mainzer Hauptbahnhof kann derzeit in den Abend- und Nachtstunden nicht mehr angefahren werden, da die Bahn das Stellwerk dort nicht mehr mit Fahrdienstleitern besetzen kann. Sie führt dies auf einen unerwartet hohen Krankenstand sowie die Abwesenheit von Mitarbeitern wegen der Urlaubszeit zurück. Nachdem die Sonderregelungen zunächst nur für wenige Tage gelten sollte, dauert die Einschränkung nun bis Ende August.

Seit einer Woche fallen viele Züge im Mainzer Hauptbahnhof aus oder werden umgeleitet. Knapp die Hälfte der 15 Fahrdienstleiter für das Stellwerk ist krank oder im Urlaub. Die Probleme für Fern- und Regionalzüge werden bisher vorliegenden Angaben zufolge bis mindestens Ende August dauern. Zu Beginn kommender Woche dürfte sich die Lage verschärfen: Dann soll es auch tagsüber zu massive Einschränkungen kommen, nicht nur abends und nachts.

Symbolisches Bauernopfer?

Im Großraum Mainz/Wiesbaden leben fast eine halbe Million Einwohner. Durch die Lage im Rhein-Main-Gebiet und die Nähe zum Ballungsraum Frankfurt am Main berühren die Einschränkungen im Mainzer Stellwerk die Reiseplanungen einer große Zahl an Berufspendlern, Stadtbesuchern und sonstigen Reisenden.

Dazu kommt der großflächig wirkende Image-Schaden: Bahn-Kritiker erkennen in den Mainzer Problemen nichts anderes als einen weiteren Beleg für Missstände in verschiedenen Bereichen des Konzerns. Auch wenn sich die Engpässe im Stellwerk vergleichsweise leicht beheben lassen: Dem Ruf als verlässliches Verkehrsmittel ist mit solchen Vorfällen sicherlich nicht gedient.

Extra-Kraft für die Bundesliga

Ob es sich bei der personellen Entscheidung im Leitungsbereich einer Bahn-Tochter um mehr als einen symbolischen Schnitt handelt, blieb zunächst unklar. Das Vorstandsmitglied Hess von seinen Aufgaben zu entbinden, sei schon seit längerer Zeit geplant gewesen, heißt es aus dem Umfeld des Konzerns. Die aktuellen Ereignisse in Mainz hätten die Ablösung jedoch beschleunigt. Hess ist seit Juni 2011 Vorstandsmitglied bei der DB Netz AG.

Als Sofortmaßnahme verspricht die Bahn, das Chaos zumindest rund um das Fußball-Bundesligaspiel Mainz gegen Stuttgart am Sonntag für einige Stunden zu lindern. Außer einem Sonderzug will die Bahn zusätzliche S-Bahnen einsetzen - ein Fahrdienstleiter springt nach Angaben einer Bahnsprecherin extra ein, so dass es für einen kurzen Zeitraum personelle Verstärkung gibt. Rund 3200 VfB-Fans sollen in Mainz zu Gast sein, schätzt der VfB Stuttgart.

"Nicht akzeptabel"

Im Verkehrsministerium löse das Chaos am Mainzer Hauptbahnhof großes Unverständnis aus, hieß es aus Berlin. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und Bahn-Chef Grube schätzten dabei allerdings das Problem gleich ein. Es müsse sichergestellt werden, dass die Situation in Mainz ein Einzelfall bleibe, hieß es. Die Probleme werden auch den Bahn-Aufsichtsrat bei der nächsten Sitzung beschäftigen, teilte Ramsauers Staatssekretär Michael Odenwald mit. Er gehört zu dem Gremium.

Verkehrsstaatssekretär Odenwald schrieb der Bahn, die weitgehende Abkopplung des Mainzer Hauptbahnhofes sei "nicht akzeptabel". Die Bahn solle prüfen, ob Mitarbeiter aus dem Urlaub geholt oder von anderen Standorten aus eingesetzt werden könnten. Dies hatte die Bahn zuvor allerdings bereits verneint. Das Stellwerk in Mainz sei sehr komplex, lautete die Begründung. Eine kurzfristige Versetzung von Aushilfskräften ist demnach ohne vorherige Einarbeitung nicht möglich.

Ein "verdeckter Streik"?

Für den Bahn-Konzern selbst hat das Debakel womöglich ernste aufsichtsrechtliche Konsequenzen: Das Eisenbahn-Bundesamt leitete ein Verfahren ein. Dabei werde ein möglicher Verstoß der Bahn-Tochter DB Netz AG gegen die Betriebspflicht untersucht, sagte Sprecher Moritz Huckebrink.

Bei dem Tochterunternehmen werde ein "verdeckter Streik" der Eisenbahnergewerkschaft EVG nicht ausgeschlossen, berichtete die Mainzer "Allgemeine Zeitung". Vieles deute auf eine konzertierte Aktion hin, zitiert die Zeitung aus Berliner Aufsichtsratskreisen. Die Gewerkschaft wies die Vorwürfe zurück und bezeichnete sie als "Rückzugsgefecht der Bahn".

Ramsauer rutscht in den Wahlkampf

Fahrdienstleiter seien ein neuralgischer Bereich, in dem auch das hohe Durchschnittsalter der Bahn-Mitarbeiter deutlich schnellere personelle Folgen habe, sagte Jürgen Hoffmann, der Leiter der EVG-Landesgeschäftsstelle, auf Anfrage.

In der Region schlagen die Wellen der Empörung hoch: In Rheinland-Pfalz haben Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Verkehrsminister Roger Lewentz (beide SPD) für kommenden Dienstag Bahn, Gewerkschaft, Fahrgastverband und andere zum Bahngipfel nach Mainz eingeladen. Lewentz schrieb Ramsauer, der Bundesverkehrsminister trage "die politische Verantwortung" auch für die Deutsche Bahn.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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