Wirtschaft

Öl- und Kohle-Strom vorhalten Habeck trifft neue Vorbereitungen für Gas-Stopp

Das Braunkohlekraftwerk "Schwarze Pumpe" in Welzow soll ebenfalls bis spätestens 2038 vom Netz.

Das Braunkohlekraftwerk "Schwarze Pumpe" in Welzow soll ebenfalls bis spätestens 2038 vom Netz.

(Foto: picture alliance / Andreas Franke)

Finnland, Bulgarien und Polen hat Putin schon den Gashahn zugedreht. Das droht auch Deutschland. Das Bundeswirtschaftsministerium will für diesen Fall die Verstromung von Gas aussetzen - und mehr Kohle- und Gaskraftwerke in Reserve halten, die eigentlich vom Netz sollen.

Noch fließt das russische Gas in rauen Mengen aus Russland nach Deutschland, doch ob es so bleibt, ist ungewiss. Dass Russlands Staatschef Wladimir Putin bereit ist, die westlichen Verbündeten der Ukraine auch mit einem Ende der Gaslieferungen abzustrafen, zeigen die Beispiele Bulgarien, Finnland und Polen. Das Haus von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck treibt daher Vorbereitungen für dieses Szenario weiter voran und versucht die Abhängigkeit der Bundesrepublik vom russischen Gas weiter zu reduzieren.

Wie aus Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums bekannt wurde, soll im Falle eines Gas-Stopps in Deutschland möglichst kein Gas mehr zur Verstromung verwendet werden. Stattdessen kämen bereits vom Netz genommene oder demnächst vom Netz gehende Kraftwerke wieder zum Einsatz, die Strom unter Verbrennung von Öl, Braunkohle und Steinkohle erzeugen.

Bereits jetzt ist die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas von einem Importanteil von 55 Prozent auf 35 Prozent gesunken. Fielen diese plötzlich weg, wöge der Verlust für die Industrie und den Heizsektor schwer. Um in diesem Fall anderweitig Gas einzusparen, soll der Rohstoff nicht mehr zur Stromversorgung verfeuert werden. Stattdessen sollen Öl- und Kohlekraftwerke kurzfristig einspringen können, wozu sie das Habeck-Haus per Verordnung verpflichten will. Schon jetzt sind Steinkohleanlagen mit einer Kapazität von 4,3 Gigawatt und Ölkraftwerke mit 1,6 Gigawatt Kapazität in der sogenannten Netzreserve.

Auch Braunkohle-Kraftwerke sollen sich bereithalten

Nach dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz stellen im Herbst und im kommenden Jahr Kraftwerke mit insgesamt 2,6 Gigawatt den Dauerbetrieb ein und werden ebenfalls in die Netzreserve überführt. Sie sollen nun sämtlich verpflichtet werden, technisch von heute auf morgen betriebsfähig zu sein und genügend Brennstoff für den Fall des Falles vorzuhalten. Weil Kraftwerke in der Netzreserve regelmäßig für die Schwankungen im Winterbetrieb gebraucht werden, stehen sie grundsätzlich ohnehin bereit.

Zusätzlich sollen eigentlich schon gänzlich abgeschaltete Braunkohlekraftwerke, die bis 2023 in der sogenannten Sicherheitsreserve für den Notfall bereitgehalten werden, noch bis 31. März 2024 in einer verlängerten Reserve verbleiben. Auch das Wiederhochfahren soll schneller in den bislang vorgeschriebenen zehn Tagen gehen. So sind nach Ministeriumsangaben zusätzlich 1,9 Gigawatt abrufbar.

Insgesamt geht es um 21 Öl- und Kohlekraftwerke, die bereits in der Netzreserve sind oder darin überführt werden. Hinzu kommen nach Angaben aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums fünf Braunkohlekraftwerke aus der Sicherheitsreserve. Kumuliert stehen 10 Gigawatt Stromerzeugungskapazität zur Verfügung, für die nach Ministeriumsangaben kein Gas verfeuert werden müsste. Deutschlands Gesamtgasbedarf könnte durch diese Maßnahmen temporär um 10 Prozent gesenkt werden.

Damit aber Gasverstromer nicht dennoch weitermachen, sollen sie per Verordnung auch beim Preis nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Wie genau, ist noch unklar. Strom aus Gas wird jedenfalls teurer und deshalb vom Markt nicht mehr abgerufen, lautet das Kalkül. Diese Maßnahme soll maximal sechs Monate greifen, also rund um den Winter, wenn Gas zum Heizen ohne den russischen Rohstoff knapp ist. Für Gaskraftwerke, die Strom und Wärme produzieren, und die für die Heizversorgung relevant sind, sollen aber Ausnahmen möglich sein.

Auswirkungen auf Klimaziele

Für die deutschen Klimaziele ist der Plan des von Habeck geführten Ministeriums nicht unproblematisch: Gerade die Braunkohle soll wegen ihrer besonders schlechten Klimabilanz möglichst schnell dauerhaft aus der Verbrennung, aber auch Steinkohle muss nach dem Kohleausstiegsgesetz bis 2038 ersetzt werden. Die Regierungsvereinbarung der Ampel sieht auf Drängen der Grünen sogar vor, den Ausstieg aus der Kohle auf 2030 vorzuziehen, falls es irgendwie möglich ist.

Nun ist es der Grüne Habeck, der die fossilen Kraftwerke länger am Leben halten muss, als bislang vorgesehen. Auswirkungen auf Deutschlands CO2-Bilanz hat der Plan aber erst, falls wirklich schlagartig russisches Gas ersetzt werden muss. In dem Fall wäre das Verfehlen der Klimaziele im Stromsektor aber vermutlich ein eher nachrangiges Problem für die Bundesregierung.

Quelle: ntv.de

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