Es wird eng für Arcandor Karstadt zahlt keine Miete mehr
06.06.2009, 10:22 UhrDie Situation des angeschlagenen Arcandor-Konzerns ist offenbar noch dramatischer als bislang bekannt. Die Unternehmenstochter Karstadt hat übereinstimmenden Berichten mehrerer Zeitungen zufolge die Mietzahlungen für ihre Filialen eingestellt. Bundeskanzlerin Merkel lehnt derweil Staatshilfen für den angeschlagenen Konzern ab.

Seit dem Verkauf der Karstadt-Immobilien muss die Warenhauskette Miete zahlen - eigentlich.
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Nach Informationen der "Bild am Sonntag" und der "Süddeutschen Zeitung" stellte Karstadt die Zahlungen an seine Vermietungsgesellschaft Highstreet zumindest vorläufig ein. Dies hätten Arcandor-Vorstandschef Karl-Gerhard Eick und Vertreter von Highstreet am Freitag bei einem Spitzentreffen über die Zukunft von Karstadt im Bundeswirtschaftsministerium mitgeteilt. Highstreet habe deshalb juristische Schritte gegen Karstadt angekündigt, berichtete die "BamS". Eick habe dargelegt, dass nun ein 30-tägiges Mahnverfahren einsetze, an dessen Ende die Vermieter berechtigt seien, einzelne Karstadt-Filialen zu verkaufen, um ihre Ansprüche zu befriedigen.
Karstadt-Häuser nur gemietet
Seit dem Verkauf seiner Warenhäuser vor zwei Jahren ist Arcandor an allen Karstadt-Standorten nur noch Mieter. Eigentümer nahezu sämtlicher Häuser ist die Immobiliengesellschaft Highstreet, an der die Investmentbank Goldmann Sachs mit 51 Prozent und die Deutsche Bank-Tochter Preef und Pirelli Real Estate mit 49 Prozent beteiligt sind. Die Mietverträge haben laut "SZ" eine Laufzeit von 15 Jahren; die Mietzahlungen summieren sich auf 280 Millionen Euro. Zudem zahle Arcandor in jedem Jahr 42,6 Millionen Euro Miete für fünf Standorte, die Eigentum eines vom Bankhaus Sal. Oppenheim aufgelegten Fond seien.

Große Rettungsrunde im Wirtschaftsministerium - unter anderem mit Vertretern des Karstadt-Vermieters Goldman Sachs.
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Arcandor braucht bis 12. Juni Geld oder Sicherheiten, weil dann Kredite seiner Gläubiger zur Verlängerung anstehen. Um sich zu retten, hat der Konzern bei der Bundesregierung einen Notkredit von 437 Millionen Euro sowie Bürgschaften aus dem Wirtschaftskrisen-Notprogramm beantragt.
Zypries fordert Ermittlungen gegen Middelhoff
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) verlangt derweil Ermittlungen gegen Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff. Die zuständige Staatsanwaltschaft solle Hinweise prüfen, wonach Middelhoff und seine Ehefrau an einem Immobilienfonds beteiligt sein sollen, der Gebäude zu außergewöhnlich hohen Mieten an die Arcandor-Tochter Karstadt vermietet haben soll, zitiert der "Spiegel" aus einem Brief von Zypries an ihre nordrhein-westfälische CDU-Kollegin Roswitha Müller-Piepenkötter. Bisher gebe es nur Zeitungsberichte, die darauf hinwiesen. Die Justiz solle klären, ob es ein "strafbares Verhalten von Herrn Middelhoff - etwa wegen Untreue" gegeben habe.
Bundeskanzlerin Merkel steht einem staatlichen Eingreifen weiter skeptisch gegenüber. "Bei Arcandor muss man zunächst einmal die Eigentümer und die Gläubiger stärker fordern, zumal es Teile des Konzerns gibt, die wirtschaftlich gesund sind, wie zum Beispiel der Touristikbereich", sagte sie der "BamS". "Das sind Fragen, die beantwortet werden müssen, bevor über Staatshilfen nachgedacht wird." Im Konzern habe es zudem "ein erhebliches Missmanagement mit äußerst ungünstigen Vertragsgestaltungen, zum Beispiel bei den Mietverträgen" gegeben, sagte Merkel. "Da ist es überhaupt nicht einzusehen, warum manche in der SPD den deutschen Steuerzahler mit einem Risiko belasten wollen und nicht vielmehr an diesen Ursachen ansetzen."
Die Standorte von Karstadt seien attraktiv, so dass für viele eine Fortführung wahrscheinlich sei, wenn die Eigentümer und die Gläubiger einen Beitrag leisteten, so Merkel. "Ich empfinde es aber als Zumutung, wenn Leute nach dem Staat rufen, die selbst etwas tun müssen." Merkel forderte die Geschäftsführung auf, Gespräche mit Kaufhof über eine Fusion der beiden Warenhaus-Ketten zu führen.
Von den Wirtschaftsprüfern der Bundesregierung wird die Zukunft von Arcandor laut einem "Focus"-Bericht kritisch beurteilt. Die "Restrukturierungsansätze" des Unternehmens ließen sich zwar als "weitgehend plausibel nachvollziehen", heißt es in einem dem Nachrichtenmagazin vorliegenden Gutachten der Prüfgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auftrag der Regierung. Die Übernahme eines Bürgschaftsengagements sei jedoch "mit deutlichen Risiken behaftet". So gehe Arcandor in seinem Bürgschaftsantrag davon aus, dass die Umsätze bei den Töchtern Karstadt und Quelle konstant blieben. Das sei "vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ambitioniert".
Interessenten klopfen an

Konkurrent Metro will zwei Drittel der Karstadt-Filialen mit der Kaufhof-Kette verschmelzen.
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Unterdessen signalisierte der Hamburger Versandhandelskonzern Otto Interesse an einzelnen Konzernteilen. Sollte es eine privatwirtschaftliche Lösung bei Arcandor geben, so wäre die Otto Group sicher Teil dieser Lösung, sagte ein Konzernsprecher der "Euro am Sonntag". Otto sei insbesondere an den Sportfilialen der Karstadt-Gruppe interessiert, erfuhr das Blatt aus Konzernkreisen. Sollte es zu einer Herauslösung der Sporthäuser kommen, wäre dies eine gute Ergänzung zu den SportScheck-Filialen, hieß es.
Metro-Chef Eckhard Cordes will Berichten zufolge 60 der 91 Karstadt-Filialen mit der Warenhaussparte Kaufhof des Düsseldorfer Handelskonzerns verschmelzen. Zu den 27 Sporthäusern von Karstadt hatte sich Cordes noch nicht geäußert.
Zudem zeige der Handels- und Touristikkonzern Rewe (Rewe, Alltours, Dertours) Interesse an Arcandors Reisetochter Thomas Cook. Insbesondere das britische Geschäft von Thomas Cook sei attraktiv, schreibt "Euro am Sonntag" unter Berufung auf Unternehmenskreise.
Quelle: ntv.de, nne/afp/dpa