Anleger erleichtert Praktiker-Chef wirft das Handtuch
20.07.2011, 20:33 UhrDie in der Krise steckende Baumarktkette Praktiker verliert ihren Chef. Die Aktie dreht nach der Rücktrittsankündigung ins Plus und setzt sich an die Spitze der Gewinner im Nebenwerteindex MDax.
Der Chef des angeschlagenen Baumarktkonzerns Praktiker hat mit einem überraschenden Rücktritt ein Kursfeuerwerk an der Börse ausgelöst. Mitten in der schwersten Unternehmenskrise seit Jahren gab Vorstandschef Wolfgang Werner auf. Börsianer quittierten die Aussicht auf einen Neuanfang an der Konzernspitze mit Erleichterung. Die Aktie schoss um bis zu neun Prozent in die Höhe und war damit größter Gewinner im Nebenwerteindex MDax. Werner, der das Unternehmen seit knapp zehn Jahren führt, werde bis zur Regelung der Nachfolge kommissarisch im Amt bleiben, sagte ein Sprecher. Das Unternehmen hatte bereits im vergangenen September seinen Finanzchef ausgewechselt.
Praktiker ist der einzige große Baumarktbetreiber, der seit Jahren mit rückläufigen Umsätzen und Ergebnissen kämpft. Der Aufschwung ging bisher an dem Unternehmen vorbei, der Marktanteil in Deutschland schrumpft, der Konzern erwartet nach zwei verlustreichen Jahren auch 2011 einen Fehlbetrag.
Strategiewechsel
Werner hatte zuletzt versucht, mit einem Strategiewechsel das Ruder herumzureißen: Die populären, aber für Praktiker unprofitablen 20-Prozent-Rabattaktionen wurden abgeschafft. Stattdessen setzt die Baumarktkette auf mehr Eigenmarken, übersichtlichere Sortimente und mehr Service. Doch die Werbekampagne mit Ex-Tennisstar Boris Becker kam bei den rabattverwöhnten Kunden bisher nicht an. In dem für das Jahresgeschäft wichtigen zweiten Quartal blieb die Entwicklung hinter den Erwartungen des Vorstands zurück. Auch die von Werner vorangetriebene Expansion in Griechenland und Osteuropa erwies sich als Hypothek, als diese Staaten in die Krise rutschten.
Analyst Peter Steiner von der BHF-Bank rechnet nun mit Änderungen der Strategie. "Praktiker hat in Deutschland ein echtes Imageproblem, und ein einfacher Wechsel im Management wird das nicht von einem auf den anderen Tag ändern." Ein Unternehmenssprecher wies die Vermutung zurück, dass der Aufsichtsrat den Strategieschwenk nicht gedeckt habe. Vorstand und Aufsichtsrat hätten in allen Phasen der Neuausrichtung an einem Strang gezogen.
Mit Spannung wird nun die Vorlage des Geschäftsberichts zum zweiten Quartal am kommenden Mittwoch erwartet. Neben der Vorlage detaillierter Zahlen wird sich das Unternehmen dann - wie in jedem Quartal - auch zum aktuellen Stand der Neuausrichtung äußern.
Quelle: ntv.de, rts