
Ähnlich wie viele andere westliche Unternehmen hat McDonald's seine rund 850 Filialen in Russland vorübergehend geschlossen.
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Nach und nach gleitet Russland in die Isolation. Dass sich westliche Firmen aus dem Land zurückziehen, kommt der Kreml-Propaganda gelegen. Allerdings haben sich die Russen jahrzehntelang an Instagram, McDonald's und IKEA gewöhnt. Moskau setzt verstärkt auf heimische Alternativen.
Mit großen Schritten bewegt sich Russland in Richtung Vergangenheit. Geradewegs in eine Zeit, in die sich der russische Präsident Wladimir Putin zurücksehnt - frei von "feindlichen" westlichen Einflüssen. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verlassen viele westliche Firmen wie McDonald's oder IKEA das Land. Andere Unternehmen wie der Technologiekonzern Meta werden von Russland selbst kurzerhand vor die Tür gesetzt. Dem Kreml kommt die Entwicklung entgegen. Denn mit jeder US-amerikanischen Filiale, die schließt und mit jedem deutschen Unternehmen, das das Land verlässt, verliert die russische Bevölkerung auch ein Stück ihrer Verbindung zum Westen. Mehr und mehr erinnert die wirtschaftliche und gesellschaftliche Isolation des Landes an die Zeit in der Sowjetunion. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied: Im Gegensatz zu 1960 haben sich die Russinnen und Russen nun jahrzehntelang an BigMac, Billy-Regal und Instastorys gewöhnt. Das zwingt den Kreml dazu, Alternativen zu schaffen.
Rossgram und Yappy
Eine dieser Alternativen ist das soziale Netzwerk Rossgram. Wie der Name bereits erahnen lässt, soll die erst vor wenigen Tagen gestartete App das nun gesperrte Netzwerk Instagram ersetzen. Instagram gehörte zu den beliebtesten sozialen Netzwerken des Landes. Die Blockade werde "80 Millionen Menschen in Russland voneinander und vom Rest der Welt abschneiden", twitterte Instagram-Chef Adam Mosseri, nachdem ein Moskauer Gericht den Mutterkonzern als "extremistische Organisation" eingestuft hatte. Laut Mosseri folgen rund 80 Prozent der Menschen in Russland einem Instagram-Account außerhalb ihres Landes. Die Sperrung sorgte somit für großen Frust in der Bevölkerung - auch, weil einige Russen ihr Geld als Influencer auf der Plattform verdienen.
Rossgram soll nun schnellstmöglich für Ersatz sorgen. Die Gruppe von Entwicklern sei bereits "auf diese Entwicklungen vorbereitet" gewesen, meint Alexander Sobow, einer der Macher hinter der App. Nun wollen sie die "Gelegenheit nicht verpassen, ein russisches Äquivalent des beliebten sozialen Netzwerks zu schaffen". Das russische Instagram-"Äquivalent" legt dabei offensichtlich wenig Wert darauf, sich bei Aufbau und Optik von dem US-amerikanischen Vorbild zu unterscheiden. Statt auf Whatsapp verweist die App auf Telegram, statt mit Facebook ist sie mit der russischen Plattform VK verbunden. Vom pinken Design der App über den Aufbau des eigenen Profils bis hin zur Feed- und Story-Funktion ist die Oberfläche absolut identisch mit Instagram.
Ähnlich verhält es sich mit der russischen App Yappy. Die Alternative ging vergangenes Jahr an den Start und sieht der chinesischen Plattform TikTok täuschend ähnlich. Auch Yappy hat sich auf das Teilen kurzer Videoclips von bis zu 60 Sekunden Dauer spezialisiert. Der russische TikTok-Klon wurde von der staatlichen Firma Gazprom Media entwickelt. Einem Bericht der "Moscow Times" zufolge hat die Innopraktika-Stiftung daran mitgewirkt. Diese wird von Katerina Tichonowa, einer Tochter von Putin, geleitet. Dass die Vorbild-Plattform TikTok im Gegensatz zu westlichen Netzwerken in Russland noch nicht gesperrt ist, könnte daran liegen, dass das chinesische Netzwerk laut einer Untersuchung des Forscherkollektivs Tracking Exposed selbst dafür gesorgt hat, dass rund 95 Prozent der westlichen Inhalte in Russland nicht mehr zu sehen sind.
Onkel Wanja, DonMak und Starducks
Das Bild des Russen, der sich an eine McDonald's-Filiale in Moskau kettete, um gegen den Rückzug der Fast-Food-Kette aus Russland zu protestieren, ging um die Welt. Als der US-amerikanische Konzern 1990 die erste Filiale in Moskau eröffnete, läutete dies für viele Russen das Ende des Kommunismus ein und brachte die westliche Lebensart nach Russland. Nun, rund 30 Jahre später, will Moskau zeigen, dass es auch ohne die westlichen Freiheiten geht. So soll auch nach dem Abzug der "feindlichen" Firmen kein Russe auf Burger und Pommes verzichten müssen. "McDonald's hat angekündigt, dass sie schließen werden. Nun, okay, schließt", sagte Wjatscheslaw Wolodin, Sprecher der russischen Staatsduma, letzte Woche laut der "Washington Post". "Morgen wird es nicht mehr McDonald's geben, sondern Onkel Wanja."
Statt auf US-amerikanische Burger-Tradition setze Russland künftig auf "hundertprozentig russische" Produkte. Allerdings scheinen zumindest die Designer des Logos an Altbewährtem festzuhalten. Der Antrag, der bei der russischen Markenbehörde einging, erinnert stark an das berühmte goldene M des US-amerikanischen Vorbilds. Um 90 Grad gedreht, ergibt es das kyrillische "W" - den Anfangsbuchstaben von "Onkel Wanja". Rund vier Millionen Euro will Moskau in den Start des russischen McDonald's-Klons stecken, wie Sergey Sobjanin, der Bürgermeister der Stadt ankündigte.
"Onkel Wanja" wäre allerdings nicht der erste McDonald's-Klon. Die US-amerikanische Burger-Kette zog sich bereits 2014 aus den prorussischen Separatistengebieten Donezk und Luhansk zurück. Die Fast-Food-Lücke wurde prompt von "DonMak" gefüllt - einer Kette mit M-förmigem, gelbem Logo und Gerichten wie "Bikmak" oder "Filye-o-fish" auf der Speisekarte. Auf der von Russland annektierten Krim können Kunden zudem gegrilltes Hähnchen bei der Fast-Food-Kette Crimean Fried Chicken (CFC) und Krim Latte bei "Starducks" bestellen.
VK
Seit Beginn des Angriffskriegs setzt Russland vermehrt auf heimische Produkte, um Lücken zu füllen, die Russland verlassende Firmen hinterlassen haben. Allerdings wird die Idee, ausländische Einflüsse mit eigenen Waren und Dienstleistungen möglichst kleinzuhalten, bereits weitaus länger verfolgt - vor allem im Netz. So ging das russische soziale Netzwerk "VKontakte" (VK) bereits 2006, also zwei Jahre nach der Gründung von Facebook, an den Start und hat nach eigenen Angaben mittlerweile rund 100 Millionen aktive Nutzer pro Monat. Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass "Facebook nie sehr wichtig für Russland" war, wie der Social Media-Experte Simon Hurtz im "Deutschlandfunk" erklärte. Der Frust der russischen Bevölkerung über die Sperrung der Meta-Tochter fiel somit geringer aus als bei Instagram.
Die Parallelen des russischen Netzwerks zum US-amerikanischen Marktführer sind nicht zu übersehen: Wie auf Facebook können auch die Nutzer von VK eigene Profile anlegen, sich mit anderen Menschen in Gruppen vernetzen und die eigene Seite mit Gedanken, Fotos und Videos füllen. Selbst das typische Facebook-Blau zieht sich durch das Design der russischen Plattform. Einen entscheidenden Unterschied zu seinem US-amerikanischen Pendant hat das Netzwerk jedoch: Es steht, wie so viele Informations- und Kommunikationskanäle in Russland, unter staatlicher Kontrolle. Erst im vergangenen Jahr übernahm der russische Staatskonzern Gazprom das Netzwerk und setzte Wladimir Kirijenko, den Sohn eines engen Putin-Vertrauten, als Geschäftsführer an die Spitze des Unternehmens.
Die russischen Nutzer schreckt das jedoch nicht ab. Im Gegenteil: VK ist das größte soziale Netzwerk Russlands - eigenen Angaben zufolge hat die Plattform weltweit 100 Millionen aktive Nutzer pro Monat. Rund 73 Prozent aller Russen, die in sozialen Netzwerken aktiv sind, haben ein VK-Profil. Im Vergleich: Facebook nutzten vor seiner Sperrung nur rund 30 Prozent. Das Pendant zu Facebook gehört damit zu Russlands erfolgreicheren Alternativprojekten.
RuTube
Ganz im Gegensatz zu RuTube. Die Videoplattform ging ebenso wie VK 2006 online und ist das russische Pendent zu Youtube. Das US-amerikanische Vorbild erzielt in Russland jedoch eine weitaus größere Reichweite als die heimische Variante. HiMan, einer der beliebtesten Blogger Russlands, hat auf Youtube beispielsweise über 17 Millionen Abonnenten - auf RuTube kommt er hingegen lediglich auf knapp 1200 Follower. Dabei haben die russischen Behörden bereits im vergangenen Jahr viel Geld in die heimische Plattform gesteckt, wie das russische Exilmedium Medusa berichtete. Angeblich, so schreibt das Medium, habe der Staat damit bereits eine mögliche Zensur von Youtube vorbereitet. Bisher ist die US-amerikanische Plattform in Russland noch erlaubt. Allerdings drohten der Duma-Vorsitzende Wjatscheslaw Wolodin und die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa dem Unternehmen vor einigen Tagen mit "Vergeltungsmaßnahmen", was in einem Verbot enden könnte.
Vor wenigen Wochen hat der Kreml den Urheberrechtsschutz per Erlass ausgehebelt. Das dürfte die Welle an russischen Kopien westlicher Firmen weiter verstärken, denn russische Unternehmen sind nun nicht mehr verpflichtet, Inhaber von Patenten, Gebrauchs- und Geschmacksmustern aus "unfreundlichen" Ländern zu entschädigen. "Das Ziel dieses Mechanismus ist es, die Nachfrage nach [geistigen] Gütern zu befriedigen", begründete Michail Mischustin, der russische Premierminister die Maßnahme.
Russland kann das Design westlicher Fast-Food-Ketten, Apps und weiterer Produkte somit problemlos klonen. Ob diese Kopien die an internationale Produkte gewöhnte Bevölkerung tatsächlich befriedigen, ist jedoch zweifelhaft, denn viele dieser Produkte werden mangels Erfahrung und Technologie an Qualität einbüßen. Besonders deutlich wird dies am "neuen" digitalen Angebot: Die Russen können sich zwar einen Account auf den heimischen Plattformen anlegen und bekannte Funktionen nutzen. Die Idee von sozialen Netzwerken ist jedoch die globale Vernetzung. Und genau das bieten VK, Rossgram und RuTube nicht.
Quelle: ntv.de