
Der IWF gibt Geld für Athen, hat Wolfgang Schäuble versprochen. Das hat sich nicht bewahrheitet.
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Der IWF macht mit beim dritten Hilfspaket für Athen - nur mit diesem Versprechen hat Wolfgang Schäuble die Griechenland-Hilfen durch den Bundestag gebracht. Nun laufen sie aus. Und es wird klar: Der Ex-Finanzminister hat die Öffentlichkeit getäuscht.
Drei Jahre lang verfolgt Wolfgang Schäuble diese Sache nun schon. Seit Griechenland im August 2015 zum dritten Mal bei den anderen Euro-Ländern Kredite in Milliardenhöhe tankte, um die Pleite abzuwenden, hat der einstige Finanzminister den Kritikern der Rettungsaktion gebetsmühlenartig versprochen: Auch der Internationale Währungsfonds (IWF), der Hilfspakete nur unter strengen Auflagen vergeben darf, wird sich beteiligen und somit garantieren, dass das Geld eines Tages auch aus Athen zurückkommt.
"Ohne IWF wäre es kein vernünftiges Ergebnis", versprach Schäuble im Mai 2016. "Ich erwarte, dass der IWF an Bord bleibt. Es ist dabei nicht so relevant, mit welcher Summe er sich beteiligt; entscheidend ist, dass er es tut", beteuerte Schäuble im April 2017 erneut. Im wenigen Wochen läuft das dritte Hilfspaket nun aus. Und eine der größten politischen Lebenslügen des einstigen Finanzministers, der sich inzwischen auf seinen Ruheposten als Bundestagspräsident zurückgezogen hat, fliegt auf.
Die Geschäftsgrundlage für die Griechenland-Rettung, die Schäuble den Abgeordneten vor drei Jahren versprochen hatte, hat sich nie materialisiert. Der Bundestag hat dem dritten Hilfspaket nur in der Erwartung zugestimmt, dass sich der IWF beteiligt. Doch dass das bis zum 20. August noch passiert, wenn es ausläuft, glaubt selbst EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici nicht mehr. Allein schon aus zeitlichen Gründen sei das "sehr unwahrscheinlich".
Zum letzten Mal treffen sich heute die Euro-Finanzminister, um die Weichen für Athens planmäßigen Ausstieg aus den Finanzhilfen zu stellen. Es wird immer offensichtlicher, dass Schäuble die Volksvertreter bei der Griechenland-Rettung hinter die Fichte geführt hat.
Der IWF glaubt den Euro-Optimisten nicht
Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone beschlossen am 12. Juli 2015, mit Griechenland über neue Finanzhilfen zu verhandeln, um das Land vor der Staatspleite zu bewahren. Das Hilfspaket in Höhe von 86 Milliarden Euro läuft am 20. August 2018 aus. Der IWF hatte in Aussicht gestellt, sich an diesem Programm finanziell zu beteiligen. Bis heute ist das jedoch nicht passiert. Denn als Voraussetzung für weitere Finanzhilfen pocht der Fonds auf einen Schuldenerlass für Griechenland. Deutschland und andere Euroländer lehnen das jedoch ab.
Dabei geht es um weit mehr als Symbolik. Die Verweigerung des IWF bestätigt die Angst, die viele Parlamentarier von Anfang an bei den Hilfspaketen hatten: ein Teil des Geldes ist wohl futsch. Denn anders als der Finanzminister und die Brüsseler Euro-Retter glaubt der Fonds nicht, dass Griechenland ohne Schuldenschnitt jemals wieder auf die Beine kommt. Deshalb sperrt er sich auch, Athen weitere Kredite zu geben. Er will verlorenem Geld nicht noch mehr hinterherwerfen.
Schon vor drei Jahren war deshalb das Zögern des Washingtoner Währungsfonds für viele Abgeordnete ein Alarmsignal. Andreas Nick glaubte den Beteuerungen seines Finanzministers schon damals nicht. "Ich empfinde es als problematisch, dass der Deutsche Bundestag heute bereits dem Gesamtprogramm zustimmen soll, bevor ausreichende Klarheit darüber besteht, ob und unter welchen Bedingungen sich der IWF tatsächlich substanziell an diesem neuen Programm beteiligen wird", kritisierte der CDU-Mann aus Montabaur und enthielt sich bei der Abstimmung über das dritte Hilfspaket im Bundestag.
Die Zusage des IWF, sich weiter an den Hilfen zu beteiligen, sei bisher "immer honoriert worden", versprach Schäuble damals. "Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass das auch in diesem Jahr der Fall sein wird", köderte der Finanzminister die Parlamentarier. Für die Bundesregierung und die Eurogruppe sei "eine weitere Beteiligung des IWF auch finanziell unverzichtbar". Trotzdem verweigerten 63 Unionsleute Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Finanzminister die Gefolgschaft. Sie haben mit ihren Zweifeln Recht behalten.
Die Abrechnung kommt nach 2030
IWF-Chefin Christine Lagarde stellt sich bis heute quer. Im vergangenen Sommer ließ sie sich immerhin auf einen Formelkompromiss ein, damit Schäuble das Gesicht wahren konnte: Der IWF trat dem Hilfsprogramm formal bei und stellte grundsätzlich in Aussicht, 1,6 Milliarden Euro beizusteuern. Ausgezahlt werden soll das Geld aber nur, "nachdem der Fonds detaillierte und glaubwürdige Versicherungen von Griechenlands europäischen Partnern erhält, die die Schuldentragfähigkeit sicherstellen".
Über diese Zusagen streiten die Euro-Finanzminister aber seitdem. Mit dem Auslaufen des dritten Hilfspakets kann sich Athen zwar endlich wieder selbst an den Märkten finanzieren. Als Puffer soll Griechenland aber nochmal bis zu 15 Milliarden Euro aus dem dritten Hilfspaket ausgezahlt bekommen, die es bisher nicht verbraucht hat. Gleichzeitig soll Athen Schuldenerleichterungen bekommen: Mit längeren Laufzeiten und einem Aufschub von bis zu 15 Jahren wollen die Euro-Länder die Hauptlast der Rückzahlungen in die Zukunft verlagern - über das Jahr 2030 hinaus.
An der Gesamthöhe des astronomischen Schuldenbergs von rund 180 Prozent der Wirtschaftsleistung würde sich dadurch aber nur wenig ändern. Es sieht nicht danach aus, dass diese Zugeständnisse den IWF von Athens Schuldentragfähigkeit überzeugen könnten. IWF-Chefin Lagarde wird zwar zum Treffen der Euro-Finanzminister anreisen. Doch Berlin hat sich faktisch schon damit abgefunden, dass sie am Ende wohl kein Geld nach Athen überweisen wird - anders als es Finanzminister Schäuble vor drei Jahren versprochen hat.
Die Union hat die Lüge akzeptiert
"Die Bundesregierung ist sich einig, dass die 1,6 Milliarden Euro des IWF nicht zwingend nötig sind", heißt es dazu heute aus dem Finanzministerium nur noch dürr. Die große Koalition will das Griechenland-Problem so still wie möglich beerdigen. Wegen des Asylstreits zwischen Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer schlagen die Wellen zwischen CDU und CSU ohnehin schon hoch genug. Zusätzlicher Streit um die Finanzhilfen, bei der sich wohl viele Hardliner in der Union erneut gegen die Kanzlerin stellen würden, käme zur Unzeit.
Doch der Plan ist riskant. Denn die Beschlüsse der Finanzminister müssen womöglich nicht nur durch den Haushaltsausschuss, sondern auch vom Plenum des Bundestages gebilligt werden. Dann käme die Regierung doch nicht um die unangenehme Debatte herum. Auch wenn sie nicht wirklich etwas zu befürchten hätte.
Denn auch in der Unionsfraktion kräht heute kaum ein Hahn mehr nach dem gebrochenen Versprechen von Ex-Finanzminister Schäuble. CDU-Leute, die vor drei Jahren noch vehement die finanzielle Beteiligung des IWF gefordert hatten, sind verstummt. Und der haushaltspolitische Sprecher Eckhart Rehberg, der 2015 mit Ja gestimmt hatte, ist schon vor Wochen öffentlich von der einstigen Kernbedingung für die Finanzhilfen abgerückt. Athen habe den Kreditrahmen von 86 Milliarden Euro nicht ausgeschöpft. "Bedarf für eine darüber hinaus gehende finanzielle IWF-Beteiligung besteht grundsätzlich nicht", sagte Rehberg der "Süddeutschen Zeitung".
Den Fonds in letzter Minute zu beteiligen und ihr Wort zu halten, hätte für Angela Merkel und Wolfgang Schäuble einen hohen Preis: Sie müssten Griechenland wohl tatsächlich einen Teil der Schulden streichen, wie es der IWF seit drei Jahren fordert. Und eingestehen, dass ein Teil des Geldes verloren ist. Dass ihre Griechenland-Lüge auffliegt, scheint das kleinere Übel zu sein.
Quelle: ntv.de