Boni in Form von Anteilsscheinen Coba-Manager stoßen Aktien ab
28.06.2012, 09:30 Uhr
Individuell eine nachvollziehbare Entscheidung, in der Summe schwer zu erklären.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nervöse Anleger könnten dieses Signal leicht missverstehen: Spitzenbanker der Commerzbank trauen dem eigenen Aktienkurs offenbar keine nachhaltigen Gewinne zu. In einer umfangreichen Aktion versuchen die Experten, ihre als Boni erhaltenen Aktienpakete am Markt in schnelles Geld umzuwandeln. Der Personalchef bemüht sich um eine Einordnung.
Ein Großteil der Führungskräfte der Commerzbank wirft die als Bonus erhaltenen Aktien gleich wieder auf den Markt: 128,3 Mio. dieser neu ausgegebenen Papiere sollen deshalb noch am Morgen über die Commerzbank und die Deutsche Bank bei Investoren platziert werden, kündigte das staatlich gestützte Institut an. Insgesamt gehe es um einen Wert von mehr als 150 Mio. Euro.
Der Hintergrund: Um das Kapital zu schonen, hatte die Commerzbank ihren Managern vorgeschlagen, sich die Boni für das vergangene Jahr in Aktien statt in bar auszahlen zu lassen. Commerzbank-Chef hatte diesen Schritt im Januar angekündigt, als er ein Bündel an Maßnahmen zum Stopfen der von der europäischen Bankenaufsicht (EBA) attestierten Kapitallücke in Höhe von 5,3 Mrd. Euro vorgestellt hat. Jetzt entschied sich die überwiegende Mehrheit der teilnahmeberechtigen außertariflichen Mitarbeiter für die Auszahlung ihrer variablen Vergütung in Aktien.
90 Prozent der Führungskräfte hätten das Angebot angenommen, berichtete die Bank. Gut 70 Prozent davon wollten die Papiere aber gleich wieder loswerden, etwa um mit dem Erlös die fälligen Steuern zu zahlen oder privaten Verpflichtungen nachzukommen, sagte Personalchef Ulrich Sieber im einem Interview für das hausinterne Commerzbank-Intranet. Die Mitarbeiter im Ausland müssten die Aktien sogar verkaufen, hieß es. Sieber sagte, die Resonanz habe die Erwartungen übertroffen.
Auch Blessing ist mit der Teilnahme seiner leitenden Angestellten zufrieden und bedankte sich für die Unterstützung. "Durch die hohe Zustimmungsquote verzeichnen wir einen positiven Effekt von über 200 Mio. Euro für unser Kernkapital. Zwar haben wir unser EBA-Kapitalziel bereits erreicht. Aber in Zeiten wie diesen kann eine Bank - salopp formuliert - gar nicht genug Kapital haben", sagte Blessing. "Vor allem aber haben die Mitarbeiter ein deutliches Signal der Verbundenheit gesetzt."
Mit den neu ausgegebenen Aktien stärkt die Bank ihr Kapital um 218 Mio. Euro. Anfang des Jahres hatte das Institut noch angenommen, die Mittel zu brauchen, um die neuen Kapitalanforderungen der EU-Bankenaufsicht EBA zu erfüllen. Eine Auszahlung der Boni in bar hätte ihre Gewinnrücklagen geschmälert. Doch nun hat sie die oben erwähnte EBA-Lücke von 5,3 Mrd. Euro längst geschlossen.
Ein Viertel hält der Staat
Der Bankenrettungsfonds SoFFin reagiert ebenfalls und wandelt zeitgleich zu der Kapitalerhöhung weitere Stille Einlagen in Aktien um, um seine Beteiligungsquote von 25 Prozent an der Commerzbank zu halten. Die Bonus-Ansprüche der Commerzbank-Mitarbeiter werden zu einem Kurs von 1,21 Euro in Aktien umgerechnet.
An der Börse kam die Aktion gut an: Die Commerzbank konnte die Aktien ihrer Mitarbeiter schließlich im Volumen von knapp 163 Mio. Euro bei Investoren platzieren. Der Platzierungspreis habe bei 1,27 Euro gelegen, sagte ein Sprecher. Für die Bank ergibt sich daraus ein recht gutes Geschäft. "Die Nachfrage war so hoch, dass das Buch mehrfach überzeichnet war." Der Preis liegt 6,3 Prozent unter dem Schlusskurs vom Vorabend. Eine gute halbe Stunde nach Handelsstart notierte die Commerzbank-Aktie 4,6 Prozent im Minus bei 1,29 Euro.
Coba beerdigt Sparten
Fünf Tage vor dem geplanten Start zog die Commerzbank zudem in zwei wichtigen Geschäftsfeldern die Reißleine: Das geplante Kernbanksegment mit der wird es nicht geben. Als Grund nannte Deutschlands zweitgrößte Bank die Unsicherheit an den Finanzmärkten, die Verschärfung der Staatsschuldenkrise und regulatorische Belastungen.
Am späten Dienstagabend hatte die Commerzbank mitgeteilt, sich auf das Kundengeschäft und den Abbau von Risiken konzentrieren zu wollen, um die Bindung von Eigenkapital zu reduzieren. Dies sei nur ein erster Schritt, ließ die Bank wissen. Analysten erkannten darin eine größere strategische Entscheidung: Offenbar wappne sich das Bankhaus für ein Andauern der Krise, hieß es in ersten Einschätzungen.
"Hinter der getroffenen Entscheidung steckt eine große Skepsis gegenüber der weiteren konjunkturellen Entwicklung", urteilte zum Beispiel Konrad Becker, Analyst bei Merck Finck. "Offenbar sieht das Management jetzt mehr Risiken wegen der Krise, weswegen man den Bereich abbauen und das dort gebundene Eigenkapital freisetzen will."
Ein "knallharter Schnitt"
Becker ging davon aus, dass das freie Eigenkapital als Puffer für mögliche dienen soll. "Erst Griechenland, jetzt Spanien und Zypern - vielleicht auch noch Italien. Es gibt einfach die Befürchtung, dass wir in Europa auf lange Zeit nicht aus dem Sog der Krise heraus kommen", erläuterte Michael Seufert, Analyst bei der NordLB.
"Die jetzt getroffene Entscheidung, sich komplett aus der gewerblichen Immobilien- und Schiffsfinanzierung zurückzuziehen, wertete Seufert daher als einen "knallharten Schnitt", der dem Management nicht leicht gefallen sein dürfte.
"Im Zuge des jetzt durchgeführten Strategieprozesses wurde bei der Commerzbank offenbar durchgerechnet, was etwa die Immobilienfinanzierung noch bringt", erklärt Seufert die Situation, die sich für Außenstehende wie eine 180-Grad-Wende darstellt.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts