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Elektro-Übermacht aus China So kämpfen deutsche Autobauer gegen den Totalabsturz

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Der erfolgreichste E-Auto-Hersteller in China heißt BYD ("Build your Dream"). Westliche Hersteller brauchen eine neue Elektro-Strategie: Von China lernen heißt siegen lernen.

Der erfolgreichste E-Auto-Hersteller in China heißt BYD ("Build your Dream"). Westliche Hersteller brauchen eine neue Elektro-Strategie: Von China lernen heißt siegen lernen.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

VW, Mercedes und BMW stehen unter Druck. Seit Jahren fahren sie den E-Autobauern aus China erfolglos hinterher. Die Autowelt der Zukunft wird eine andere sein. Es geht um nicht weniger als ums Überleben.

Bei Verbrennern top, beim Elektroantrieb Flop: Egal, was die deutschen Autobauer einst an erfolgversprechenden Plänen in den Schubladen hatten, die Konkurrenz in China war schneller, die Autos günstiger - und dazu noch cooler. Design und Ausstattung treffen den Geschmack der breiten Käuferschaft. Der einstige Vorsprung der deutschen Autobauer auf dem globalen Automarkt ist pulverisiert. Während der chinesische Elektromarkt explodiert, fristen die Traditionshersteller VW, Mercedes und BMW auf dem Markt für E-Autos nur ein Mauerblümchendasein. Die angesagten Newcomer heißen heute BYD, Nio, Wuling, Xpeng und Zeekr.

Es ist, als würden sich die tektonischen Platten in der Auto-Welt verschieben: Vor allem Überflieger BYD ("Build your Dream", übersetzt: Bau deinen Traum) ist kein unbekannter Name mehr, auch außerhalb von China. Im vergangenen Jahr war er bereits nach Tesla der zweitgrößte Elektroautobauer. Im Februar stieß er dann in China Volkswagen beim Neuwagenabsatz vom Thron. BMW und Mercedes waren da in den Top Ten der größten Anbieter in China überhaupt nicht mehr vertreten.

Es ist ein Albtraum für die deutschen Autobauer. Und das richtig böse Erwachen könnte erst noch kommen. Denn expandiert BYD wie geplant ins Ausland, könnte das Unternehmen zum größten Autobauer der Welt aufsteigen, so die Prognosen. Nicht nur VW, die weltweite Nummer zwei, auch die Nummer eins, der japanische Autobauer Toyota, muss vor den Newcomern aus China zittern.

BYD statt VW: Der Elektro-Boom ist nicht aufzuhalten

Könnte der nächste Volkswagen ein BYD sein? "Ja, auf jeden Fall," sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Future-Institut ntv.de. "Aber auch der neue Toyota, Nissan, GM und der neue Ford. Das ist kein deutsches Phänomen." Der größte Trugschluss der Deutschen war, zu glauben, dass sie bei der E-Moblität nahtlos an die Erfolgsgeschichte ihrer Verbrenner anknüpfen könnten. Diese Fehleinschätzung hat die Konzernlenker in Wolfsburg, Stuttgart und München ihren wichtigsten Einzelmarkt gekostet.

Der Elektro-Boom ist nicht aufzuhalten. In dem Maße, wie E-Autos auf dem Vormarsch sind, werden Verbrenner vom Markt verdrängt. Laut der Internationalen Energieagentur werden die weltweiten Verkäufe von E-Autos mit schätzungsweise 14 Millionen E-Autos in diesem Jahr wieder einen Absatzrekord knacken, das wäre ein Plus von 35 Prozent zum vergangenen Jahr. Der Anteil an E-Autos am weltweiten Automarkt wird dann fast ein Fünftel betragen. Und der größte Markt wird China sein.

Für die großen Autobauer steht viel auf dem Spiel, wenn die Newcomer aus China ihre Modelle im großen Stil in den Westen exportieren. Die deutschen Autozulieferer haben finstere Prognosen erstellt, wonach 2027 in der EU und in Großbritannien bereits fünf bis sieben Millionen chinesiche E-Autos zugelassen sein könnten. "Ich rechne sogar mit acht Millionen", zitiert das "Handelsblatt" eine Führungskraft eines großen deutschen Zulieferers. Es hätte auch Folgen für den Arbeitsmarkt: "Acht Millionen chinesische Elektroautos bedeuten, dass europäische Hersteller in Europa etwa zehn Werke zu viel hätten."

Hoffnungen ruhen jetzt auf Partnern in China

Branchenkenner betrachten die Entwicklungen mit Sorge: Der Prüfungs- und Beratungskonzern PwC erwartet, dass die chinesischen Hersteller auf jeden Fall erfolgreich E-Autos nach Europa importieren werden. Auf Mercedes, BMW und Audi kämen härtere Zeiten zu, warnt PwC-Autoexperte Felix Kuhnert. Stefan Bratzel, Chef des Center of Automotive Management, rät den deutschen Autobauern zu mehr Angreifermentalität. Frustriert kommentiert er: "Sie haben die Kraft, aber sie bringen die nicht so auf die Straße wie die anderen." Auch in den Konzernzentralen gibt man sich besorgt: VW-Vorstand Ralf Brandstätter beschreibt die Entwicklung als "Lawine" und spricht von "Disruption" des alten Geschäftsmodells.

Was also tun? Die Erkenntnis der Stunde lautet: Flucht nach vorn. Um dem deutschen Albtraum zu entgehen, wollen hiesige Autozulieferer ihre Komponenten künftig statt bei Audi oder Mercedes vermehrt zuerst in China einsetzen. Auch die Autohersteller verlassen sich jetzt offenbar nicht mehr auf sich selbst, sondern setzen auf ihre erfolgreichen Partner in China. Die Volkswagen-Tochter Audi beispielsweise verhandelt mit dem chinesischen Joint-Venture-Partner SAIC über eine gemeinsame "beschleunigte" Entwicklung von Elektroautos.

Auch mehr Geld soll für die Aufholjagd in die Hand genommen werden. VW investiert eine Milliardensumme in die lokale Entwicklung. Mercedes-Chef Ola Källenius will seine bisher geplanten 40 Milliarden Euro für die Antriebswende ebenfalls aufstocken. In China verkauften die Stuttgarter von Januar bis Mai gerade einmal 6900 E-Autos. Auch in Deutschland schrumpfen die Bestellungen.

Preiskrieg, Streichen von E-Förderung, Auftragsstau

Von Kapitulation ist bei den deutschen Autobauern nichts zu spüren, auch wenn Kritiker bemängeln, dass die Initiativen der Deutschen deutlich zu spät kämen. Der Absturz und Aufprall könne jetzt nur noch gebremst werden, heißt es. Gründe hierfür gibt es einige. Einer ist der von Tesla losgetretene Preiskampf in China. Konzernchef Elon Musk hat angekündigt, trotz wirtschaftlich turbulenter Zeiten hier sogar noch ein Brikett draufzulegen. "Die Kriegskasse von Tesla ist gut gefüllt", warnt Dudenhöffer.

Das Tal der Tränen ist bei den Absatzzahlen zudem noch nicht erreicht. Die aktuellen Verkaufszahlen in Deutschland sind nicht so gut, wie sie auf den ersten Blick aussehen. Der Markt für Elektroautos in Deutschland wächst noch. Aber spätestens wenn der Auftragsstau aus dem Vorjahr abgebaut ist, droht die Flaute, sind sich Beobachter einig. Gegenwind kommt auch von der Regierung: Ab September werden gewerbliche Kunden nicht mehr beim Kauf reiner E-Autos gefördert. Das sogenannte Flottenmarkt-Wachstum wird in sich zusammenbrechen. "Wir gehen davon aus, dass das BEV-Wachstum in Flotten von 63 Prozent im ersten Halbjahr auf nur noch zwei Prozent im zweiten Halbjahr schrumpft", zitiert die "Automobilwoche" Dataforce-Analyst Benjamin Kibies.

Hinzu kommt, dass die chinesische Regierung ein Paket mit Konjunkturmaßnahmen schnürt und die Nachfrage nach E-Autos mit milliardenschweren Subventionen ankurbelt. Auch wenn Wirtschaftsminister Robert Habeck das Budget für den staatlichen Umweltbonus für Privatpersonen aufgestockt hat, der beim Kauf eines E-Autos in Anspruch genommen werden kann, wird die Aufholjagd für die deutschen Autobauer schwierig werden.

"Die Autowelt ordnet sich neu"

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Für aussichtslos hält Dudenhöffer den Kampf dennoch nicht. Kurz- und mittelfristig sei es für die deutschen Autobauer schwierig, langfristig hätten sie aber Chancen, sich zu stabilisieren. Die alte Vormachtstellung der deutschen Traditionsautobauer werde es in der neuen Autowelt jedoch ein für allemal nicht mehr geben. "Wenn man sich öffnet und eine neue Welt erkennt und nicht mehr auf seinen alten Prinzipien herumreitet, sind das die besten Möglichkeiten, wieder Anschluss zu finden", so Dudenhöffer. Mitspielen, mehr sei nicht drin.

"Die Autowelt ordnet sich neu", konstatiert Dudenhöffer. BMW habe seinen größten Entwicklungsort mit rund 3200 Ingenieuren außerhalb von Deutschland schon in China, nicht in den USA. "Wo werden die Stärken der deutschen Autobauer sein? Die Stärken der deutschen Autobauer werden darin liegen, dass man in hochintelligenten Kooperationen Autos baut, die auch internetfähig sind." Die Entwicklungsabteilungen von VW, BMW und Mercedes arbeiten derzeit unter Hochdruck an der zweiten Elektromodellgeneration. Mit oder ohne chinesische Partner: Erfolg ist Pflicht, Fehler sind nicht mehr erlaubt.

Quelle: ntv.de

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