
Der Testlauf von Uber Eats startet in wenigen Wochen in Berlin.
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Warum steigt Uber ins Liefergeschäft ein? Ist Uber Eats eine Reaktion auf das vor sich hin dümpelnde Taxi-Geschäft? Deutschland-Chef Weigler hat eine Antwort darauf. Er erklärt im "Wieder was gelernt"-Podcast auch, wie die Chancen stehen, dass Uber hierzulande Cannabis bis an die Tür bringt.
Um Uber ist es ruhig geworden in Deutschland. Nach Jahren des Streits hält sich das Unternehmen mittlerweile bedeckt. Liegt es daran, dass Uber wie die übrige Taxi-Branche in der Corona-Krise wenig zu tun hat? In größeren Städten bietet das Unternehmen Fahrten ins Impfzentrum oder zum Hausarzt an. Aber ansonsten? Nichts.
Doch trotz aller Probleme hält das Unternehmen an seinem globalen Ziel fest, am Jahresende erstmals profitabel zu sein. Es wäre eine beachtliche Leistung, denn im vergangenen Jahr hat Uber weltweit 6,8 Milliarden Dollar Verlust gemacht. Als Mobilitätsvermittler mit Kampfpreisen verliert Uber Geld. Mit dem zweiten Standbein läuft es deutlich besser: Als Uber Eats macht der Fahrdienst Anbietern wie Lieferando Konkurrenz.
"Die Idee ist vergleichbar", verrät der Deutschland-Chef von Uber, Christoph Weigler, im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". "Sie haben eine App, in der können Sie sich bei unterschiedlichsten Restaurants ihr Essen zusammenstellen. Das wird Ihnen dann geliefert, in der Regel aber auf einem Fahrrad und nicht in einem Auto, was wirtschaftlich sinnvoller ist."
Bestandsschutz für die Taxi-Branche?
Es winkt eine Goldgrube: Nimmt man die Zahlen vom März, würde Uber aufs Jahr gerechnet mit Uber Eats weltweit Bestellungen im Wert von etwa 52 Milliarden Dollar erhalten. Das wären gut 20 Milliarden Dollar mehr als mit dem Fahrdienstgeschäft. "Ein momentaner Schnappschuss", sagt Deutschland-Chef Weigler. In den USA oder in England, wo schon mehr geimpft worden sei, sehe man bereits eine starke Erholung des Mobilitätsgeschäfts. In Zukunft sollen beide Bereiche als gleichberechtigte Standbeine aufgebaut werden.
Es gibt nur ein kleines Problem: Als Fahrdienst kann Uber eigentlich kein Geld verdienen. Denn das Geschäftsmodell basiert darauf, dass die Fahrer "eigenständige Unternehmer" sind, so wie in den USA. Sie benutzen ihre eigenen Autos, kümmern sich selbst um Wartung, Pausen und Arbeitszeiten. Uber stellt ihnen nur die App, um Kunden zu finden. In Europa ist dieses Modell nicht erlaubt. Der Londoner Supreme Court hat im Februar entschieden, dass Uber seine Fahrer ordentlich anstellen muss. In Deutschland darf Uber sogar nur Aufträge an professionelle Fahrer vermitteln. Für sie gilt zusätzlich aber auch noch die Rückkehrpflicht. Ein Zugeständnis der deutschen Politik an die Taxi-Branche - zum Unmut des Uber-Deutschland-Chefs.
"Rückkehrpflicht hat uns stark verwundert"
"Stellen Sie sich vor, Sie lassen jemanden an der Bar oder an einem Restaurant raus, wo mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bald ein neuer Fahrgast kommt. Sie müssen nichtsdestotrotz erst einmal leer zu Ihrem Betriebssitz zurückfahren, was natürlich Leerfahrten, unnötige Emissionen und mehr verursacht", regt sich Christoph Weigler auf. "Das ist wirklich eine anachronistische Regelung, die uns stark verwundert hat."
Das Fahrdienstgeschäft von Uber wird voraussichtlich im nächsten Jahr das Vorkrisen-Niveau erreichen. Viel wird das aber vermutlich nicht helfen. Schon 2019 erhielt das Unternehmen als Taxi-Dienst weltweit Buchungen über insgesamt 65 Milliarden Dollar. Am Jahresende stand trotzdem ein Verlust von 8,5 Milliarden Dollar. Denn mit jeder Fahrt steigen die Ausgaben, und zwar stärker als die Einnahmen.
Bei Uber Eats ist das nicht der Fall. Im Liefergeschäft gibt es keine Rückkehrpflicht und keine Taxi-Unternehmer, die lautstark für ihre Interessen werben. Aber auch in dieser Branche werde bisher kaum Geld verdient, sagt Philipp Kosok, Mobilitätsexperte von der Agora Verkehrswende, bei "Wieder was gelernt". Er spricht davon, dass die Lieferdienste in Deutschland bisher vor allem ihre "Claims abstecken und Marktanteile sichern". Die Phase, in der man mit Essenslieferungen Gewinne machen könne, werde vermutlich erst in einigen Jahren kommen, wenn sich die Branche bereinigt habe.
Gastronomie beklagt Abzocke
"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.
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Zum bisherigen Erfolg von Uber Eats leistet der deutsche Markt noch keinen Beitrag. Erst in wenigen Wochen will Uber seinen ersten Testlauf in Berlin starten und den Platzhirsch in Orange herausfordern, Lieferando.
Mit Delivery Hero hat der Lokalheld Deutschland allerdings bereits aufgegeben. Das Berliner Dax-Unternehmen hat sein Deutschlandgeschäft 2018 an die Lieferando-Mutter Takeaway verkauft, um sich auf lukrativere Märkte wie Asien konzentrieren zu können. Nur ein Jahr später haben sich auch die Briten von Deliveroo vom komplizierten deutschen Markt verabschiedet. Und vor denen, die noch da sind, türmen sich immer größere Probleme auf: Unternehmen wie Lieferando kassieren 30 Prozent des Bons, wenn sie eine Bestellung vermitteln und anschließend für ein Restaurant ausliefern. Für die Gastronomie, die durch die Corona-Krise schwer gebeutelt ist, ist das nichts anderes als Abzocke.
Dazu kommt die Unattraktivität des Jobs. Sind die Margen schlecht, sind es häufig auch die Arbeitsbedingungen. Und das liegt nicht daran, dass man als Lieferfahrer auch bei Wind und Wetter auf dem Fahrrad durch die Stadt hetzen muss.
Wenig attraktive Branche
"Was sich gerade sehr stark herauskristallisiert, ist eine Engstelle, überhaupt das Personal für diese Dienste zu finden", erklärt Mobilitätsexperte Kosok. "Die haben sich in der Vergangenheit nicht unbedingt damit hervorgetan, besonders gut zahlende Arbeitgeber zu sein. Ich sehe durchaus, dass am Ende derjenige Dienst gewinnt, der sich als guter Arbeitgeber, aber auch als guter Partner der Restaurants platziert."
In Berlin hat der finnische Neuling Wolt mit diesem Rezept erfolgreich Boden auf Lieferando gut gemacht. Wer sich in der Branche durchsetzen wolle, müsse den Kurieren beim Stundenlohn und Anstellungsverhältnis sowie bei Entschädigungen für die Wartung der Fahrräder entgegenkommen, prophezeit Philipp Kosok.
Christoph Weigler stimmt zu. "Es ist auf jeden Fall nicht ratsam, das ganze System zugunsten einer dieser Parteien zu optimieren", sagt der Deutschland-Chef von Uber. Mit Uber Eats wolle man ein "Paket schnüren, das für alle Beteiligten attraktiv ist". Diese Lektion habe man im Mobilitätsbereich bereits gelernt.
Und was ist mit Cannabis?
Uber hat große Pläne: Der Fahrdienstvermittler hält nicht nur Essenslieferungen für möglich, sondern auch die Zusammenarbeit mit Supermärkten und ähnlichen Anbietern. Damit die Kunden nicht nur Pizza, sondern auch Zahnbürsten oder andere Produkte des täglichen Bedarfs bestellen können. "Wir wollen so ein bisschen das Betriebssystem von Städten werden", kündigt Christoph Weigler an.
Und auch Cannabis liefern? Der Deutschland-Chef kann sich das aktuell nicht vorstellen, sein Boss Dara Khosrowshahi dagegen schon. "Wenn der Weg auf Bundesebene frei ist, werden wir uns das auf jeden Fall anschauen", hat der zuletzt in Bezug auf die USA in einem Interview mit CNBC erzählt. Von der schnell voranschreitenden Marihuana-Legalisierung ist Deutschland aber noch weit entfernt. Taxi, Pizza und einen Joint? In den USA ist das vielleicht bald möglich. In Deutschland muss es erstmal mit der Pizza klappen.
Quelle: ntv.de