Die Spur der Krise Wackelkandidat Portugal
26.03.2010, 14:25 Uhr
Der portugiesische Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos sucht ein Plätzchen unter dem EU-Schirm.
(Foto: REUTERS)
Portugals Finanzprobleme sind zwar bei weitem nicht so groß wie die Griechenlands. Trotzdem gilt das Land als ein schwaches Glied der Euro-Zone. Auch Portugal hat in den vergangenen Jahren erheblich über seine Verhältnisse gelebt.
Portugals Finanzprobleme sind zwar bei weitem nicht so groß wie die Griechenlands, dennoch gilt das Land als ein schwaches Glied der Euro-Zone. Auch Portugal hat in den vergangenen Jahren erheblich über seine Verhältnisse gelebt. Einen Tag nach der EU-Einigung auf einen Hilfsplan für Griechenland forderte Portugal deshalb – gewissermaßen in weiser Voraussicht - einen europäischen Krisen-Fonds.
Sobald die Stabilisierung der Finanzmärkte gesichert sei, sollte die Einrichtung eines Fonds auf europäischer Ebene erwogen werden, sagte der portugiesische Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos. Damit sollten die Hilfsmaßnahmen bei künftigen Krisen finanziert werden und Härten durch das gemeinsame Tragen der Lasten abgemildert werden.
Die Schuldenschlinge zieht sich also auch für Portugal langsam zu. "Portugal löst Griechenland in den Alpträumen der Investoren ab", titelte die Wirtschaftszeitung "Diario Economico" nach der ersten Senkung der Bonitätsbewertung durch Fitch seit 1998. Der Zugang zu Krediten werde in Zukunft für Private und Unternehmen schlechter, das Geld teurer werden, "ein Hammerschlag für alle Portugiesen".
Herabstufung durch Fitch
Fitch hatte die Bonität Portugals von "AA" auf "AA-" auf das Niveau Italiens oder Irlands herunter gestuft. Der Ausblick bleibe negativ, hieß es. "Portugal ist in der Lage, seine Schulden zu bedienen, aber die Lage kann sich verschlechtern". Die Gefahr einer Liquiditätskrise sei gering, das Bankensystem in Portugal "relativ stark" und das Sparprogramm der Regierung "glaubwürdig". Es gebe aber ein "bedeutendes Risiko", dass das Wirtschaftswachstum niedriger ausfällt als erwartet, schreibt Fitch.
Die Regierung ist sich der strukturellen Probleme bewusst und betreibt eine langfristige Reformpolitik, die von der portugiesischen Bevölkerung allerdings ebenso wenig gut aufgenommen wird, wie von der in Griechenland.
Der Schwung ist raus
Der Wirtschaftsstandort Portugal steht bereits seit der Jahrtausendwende durch die fortschreitende Globalisierung und zunehmende internationale Konkurrenz unter Druck. Seitdem gehören die früher überdurchschnittlichen Wachstumsraten, die durch den Beitritt zur EG 1986, die Ansiedlung arbeitsintensiver Industrien europäischer und insbesondere auch deutscher Unternehmen sowie durch die Einführung des Euro 1999 generiert worden waren, der Vergangenheit an. Die wirtschaftliche Dynamik bleibt infolge struktureller Schwächen gering, es wird allgemein nur mit unterdurchschnittlichen Wachstumsraten gerechnet. Portugal liegt mit einem BIP pro Kopf von 76 Prozent des EU-Durchschnitts (entspricht 15.654 Euro) an 19. Stelle der Mitgliedstaaten.
Dennoch ist Portugal bisher besser durch die Krise gekommen als die meisten anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (-0,8 Prozent des BIP im vierten Quartal 2009 gegenüber dem Vorjahres-Quartal), jedoch unter drastischer Ausweitung des Haushaltsdefizits auf 9,3 Prozent des BIP. Für das laufende Jahr rechnet die Regierung allerdings nur mit mäßigem Wachstum (+0,7 Prozent des BIP). Die geringe wirtschaftliche Dynamik wird die Arbeitslosenrate (ca. 10,4 Prozent) nicht abschmelzen können. Die Arbeitslosigkeit unter Berufsanfängern steigt.
Die Spur der Krise
Als unmittelbare Folge der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise sind Im- und Exporte 2009 um jeweils knapp 20 Prozent eingebrochen. Das Defizit der Handels- und Dienstleistungsbilanz beträgt ca. 10,0 Prozent des BIP. Portugal wickelt etwa drei Viertel seines Außenhandels mit den EU-Mitgliedsstaaten ab, allerdings steigt der Anteil der Handelsbeziehungen mit Staaten außerhalb der EU kontinuierlich; Angola ist bereits der viertwichtigste Exportmarkt Portugals.
Die Kaufkraft der Bevölkerung nahm im Krisenjahr 2009 zu, da die Gehälter um rund 3,0 Prozent gestiegen und die Preise im Durchschnitt des Jahres um ca. 1,0 Prozent fielen. Das durchschnittliche Monatseinkommen eines Arbeitnehmers lag bei knapp 1.100 Euro brutto, der gesetzliche Mindestlohn kletterte für 2010 auf 475 Euro brutto (plus 5,6 Prozent). Gehälter wurden 14-mal jährlich gezahlt, abzüglich 10,5 Prozent Einkommensteuer (progressiver Tarif mit einem Freibetrag von ca. 7.000 Euro) und 11,0 Prozent für die Sozialversicherung.
Zwischen Sparen und Investieren
In der aktuellen Krisensituation verfolgt die zweite Regierung Sócrates eine Gratwanderung zwischen einerseits der Beibehaltung der ökonomischen Stimuli zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft und sozial bedürftiger Bevölkerungsschichten sowie andererseits der Konsolidierung der Staatsfinanzen. Der Einbruch der Einnahmen um ca. 15 Prozent in 2009 begrenzt den Handlungsspielraum des Staates.
Die Regierung geht von einem Defizit der öffentlichen Haushalte von 8,3 Prozent des BIP und von einer auf ca. 85 Prozent des BIP steigenden Gesamtverschuldung aus. Die Regierung ist entschlossen, das Defizit entsprechend der Vorgaben der Europäischen Kommissionbis Ende 2013 auf 3,0 Prozent des BIP zu senken. Als ersten Schritt zur Konsolidierung der Staatsfinanzen hat sie die Gehälter im Öffentlichen Dienst für 2010 eingefroren. Weitere substantielle Schritte sind aber erst für 2011 geplant. Steuererhöhungen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen hat die Regierung ausgeschlossen.
Quelle: ntv.de, ddi/rts/dpa