Bleibt nur noch das Internet? Wenn Schlecker geht …
15.03.2012, 13:05 Uhr
Ausverkauf bei Schlecker.
(Foto: dpa)
Gerade in kleinen Dörfern sind die Schleckerfilialen oft der Tante-Emma-Laden vor Ort. Schließen die nun, brechen auch soziale Treffpunkte weg, vor allem älteren Kunden wird es schwerfallen, Ersatz zu finden. Doch es gibt auch andere Angebote.
"Wenn unser Schlecker schließt, ist das für die Beschäftigten hart, aber viele Verbraucher werden das gar nicht so merken", gibt sich Bürgermeister Karsten Schneider zuversichtlich. Im Ostseebad Binz auf Rügen mit seinen 5700 Einwohnern gebe es noch andere Drogerien sowie zahlreiche Supermärkte und Discounter. Der Schlecker in der Dünenstraße ist einer von rund 2000, die bundesweit auf der Schließliste des Insolvenzverwalters stehen.

Wer wird Schlecker ersetzen?
(Foto: REUTERS)
Allein im eher strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern gehen bereits übernächsten Samstag in fast jeder dritten Filiale die Rollläden für immer herunter. Etwa 45 von 150 Märkten schließen dort. Am stärksten ist die Kleinstadt Neubrandenburg betroffen, wo fünf Schlecker-Läden aufgegeben werden sollen.
Doch das Aus für viele Märkte wird ganz unterschiedlich bewertet. Während mancherorts damit das letzte Einzelhandelsgeschäft verschwindet, dürften in großen Städten wie Berlin oder Hamburg die Lücken gar nicht so auffallen. Vor allem in abgelegenen ländlichen Gegenden werden ältere Kunden den Schlecker sicher schmerzlich vermissen. Gerade in sehr kleinen Gemeinden in der Eifel oder im Nordosten Deutschlands hat die Drogerie quasi Tante-Emma-Funktion. Dort gibt es auch die Tageszeitung zum Frühstück und die DVD für den Abend.
Post- und Bankfilialen wurden vielerorts bereits geschlossen, auch die Bahn hängte zahlreiche Gemeinden einfach ab. Oft wurde das mit Rentabilität und demografischem Wandel begründet.
Die soziale Funktion
"Ein Einzelhandelsgeschäft hat immer eine soziale Funktion, auch wenn es noch so trist ist und nur wenige Beschäftigte hat", betont Michael Gerling vom Einzelhandelsinstitut EHI. Durch den Wegfall der Schleckerläden werde es aber nicht zu "physischen Versorgungsproblemen" kommen und schon gar nicht in den Ballungszentren. "Auch wenn es erst einmal dramatisch erscheint, wenn ein so großes Unternehmen mit so vielen Standorten wegbricht, die Lücken werden sicher bald geschlossen."
Gerade in Deutschland sei die Versorgung der Bevölkerung ausgesprochen gut. "Hier gibt es fast doppelt so viele Verkaufsflächen wie beispielsweise in Großbritannien", erläutert EHI-Geschäftsführer Gerling.
Und auch in Regionen, wo es nach dem Wegfall von Schlecker gar keinen Laden mehr geben wird, werden sich andere Lösungen ergeben. Gerling nennt da die "rollenden Supermärkte" oder den Onlinehandel. Im Internet könne man mittlerweile fast alles bestellen, auch Lebensmittel. Und "DHL und UPS liefern ja auch überall hin." Mancherorts gebe es sogar besondere Shuttledienste, die vor allem ältere Menschen zum Einkaufen einsammeln.
Es gebe aber auch sehr problematische Schlecker-Standorte, gibt Gerling zu bedenken. "Da wird sich die Frage stellen, wer geht da nun überhaupt hinein." In ihrer Expansionsphase habe die Kette zu sehr auf ihre Lieferanten geachtet. Und das Konzept "möglichst nah am Kunden" sei offenbar nicht aufgegangen. Aldi oder Lidl siedelten sich schon längst nicht mehr in Gemeinden unter 5000 Einwohner an.
Der Städte- und Gemeindebund befürchtet hingegen eine Zweiteilung Deutschlands in boomende Ballungszentren und entvölkerte ländliche Gegenden. Familien mit Kindern ziehe es nicht an Orte, wo es keine Läden, Schulen, Ärzte und öffentlichen Verkehrsverbindungen gibt, sagt Stadtentwicklungsexperte Norbert Portz. Der Schlecker-Insolvenzverwalter sei daher aufgefordert, möglichst viele Standorte zu erhalten.
Aber auch die Kommunen müssten sich künftig mit ihren Einzelhandelskonzepten untereinander besser abstimmen. "An einem ruinösen Wettbewerb der Einzelhändler kann keiner interessiert sein. Und wenn Aldi, Netto und Co. sich alle auf einem Haufen ansiedeln, ist das sicher nicht sinnvoll."
Die vollständige PDF-Liste der von der Schließung betroffenen Schlecker-Filialen finden Sie hier.
Quelle: ntv.de, Maren Martell, dpa