Neue Maßnahmen für die Konjunktur Peking greift zur Kurbel
22.05.2012, 17:43 Uhr
Boomtown Shanghai: Wenn das Wachstum schwindet, wackelt überall im Land das fragile Sozialgefüge.
(Foto: AP)
In China verdichten sich die Anzeichen für ein gigantisches Konjunkturprogramm: Einem Zeitungsbericht zufolge planen die Wirtschaftslenker in Peking neue Anstrengungen zum Ausbau der Infrastruktur. Am Erfolg der Aktion hängen auch deutsche Arbeitsplätze.

Versuch einer Planwirtschaft: Unter misstrauischen Blicken öffnet sich China in Richtung Westen.
(Foto: AP)
China will das flaue Wachstum offenbar über den Ausbau der Verkehrs- und Energienetze auf Touren bringen. Vorschläge für Infrastrukturprojekte sollen nun Ende Juni auf dem Tisch liegen, meldete die Zeitung "China Securities Journal" unter Berufung auf Regierungskreise. Dies gelte auch für Vorhaben, die eigentlich erst Ende des Jahres spruchreif sein sollten.
Um das Wachstum in dem Riesenreich anzuschieben, sollen darüber hinaus auch eigentlich erst für 2013 geplante Projekte bei Bedarf vorgezogen werden, hieß es. "Das dürften die ersten Anzeichen dafür sein, dass Wens Worten Taten folgen", sagte Ökonom Dariusz Kowalczyk von Credit Agricole-CIB in Hongkong mit Blick auf den Zeitungsbericht. Darin heißt es weiter, dass auch Budget-Zusagen für Projekte - etwa im Straßenbau - nun beschleunigt durchgewinkt würden.
Hintergrund für die neue Eile ist die wachsende Angst vor einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft. Zuletzt sorgten für verstärkte Zweifel am Wachstumstempo der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Ministerpräsident Wen Jiabao kündigte vorsorglich bereits an, Regierung und Zentralbank würden im Fall einer zu starken Abschwächung des Booms gegensteuern.
In den vergangenen Jahren haben zahlreiche internationale Unternehmen ihre eigenen Wachstumsstrategien auf stabile Absatzchancen in China ausgerichtet. Darunter finden sich auch sehr prominente Namen aus Deutschland wie zum Beispiel Volkswagen. Sollte in dem fernen Auslandsmarkt die Nachfrage einbrechen, dürften das auch hierzulande Anleger und Arbeitnehmer schnell zu spüren bekommen.
Dauer-Boom als Grundlage
China hatte bereits auf dem Höhepunkt der Weltfinanzkrise 2008 mit massiven Investitionen in die Infrastruktur einen Konjunktureinbruch in China abgewendet - und damit auch die Weltwirtschaft vor einem größeren Absturz bewahrt. Doch wer auf eine Neuauflage der bewährten Maßnahmen gehofft hatte, dürfte nun enttäuscht werden: Experten verweisen darauf, dass die Wirtschaft im Reich der Mitte heute besser aufgestellt ist als damals.
Allzu rosig sind die Aussichten für China dennoch nicht: Die Industriestaaten-Organisation OECD taxiert das Wachstum in dem Schwellenland in diesem Jahr "nur noch" auf 8,2 Prozent - das wäre der schwächste Zuwachs seit mehr als einem Jahrzehnt. Die Regierung in Peking peilt sogar nur 7,5 Prozent an.
Solche für Europa traumhaft anmutenden Wachstumsraten gelten in dem Boomland China als Untergrenze für die Entwicklung der Wirtschaft, um wegen der hohen Zahl auf den Jobmarkt drängender Arbeitskräfte soziale Unruhen in dem Milliardenvolk zu vermeiden. Die OECD geht allerdings davon aus, dass das Wachstum bei "expansiverer Fiskal- und Geldpolitik" im Laufe des Jahres wieder Fahrt aufnehmen und sich 2013 jenseits der Neun-Prozent-Marke stabilisieren wird.
Fingerspitzen statt Gießkanne
Der Ökonom Wang Jun vom China Centre for International Economic Exchanges rechnet damit, dass der Löwenanteil der konjunkturstimulierenden Investitionen in den Ausbau des Straßen- und Schienennetzes sowie in Atom- und Wärmekraftwerke fließen wird. Es gehe jedoch nicht um Investitionen nach dem Gießkannenprinzip. "Wir reden hier nur über Feinsteuerung." Im Fokus stünden innerhalb der Fünfjahresplanung begonnene oder aufgeschobene Projekte, die jetzt beschleunigt fertiggestellt werden sollen.
Die Regierung steht allerdings seit längerem bei Vorhaben im Immobiliensektor auf der Bremse, um ein Überhitzen des boomenden Bereichs zu verhindern. Die Maßnahmen - etwa staatliche Kontrollen von Hypotheken-Krediten - zeigen bereits Wirkung: Auf Jahressicht betrachtet sanken im April die Häuserpreise den zweiten Monat in Folge. Das Infrastrukturprogramm könnte die Regierung nun auch dazu nutzen, diese Bremseffekte gesamtwirtschaftlich wettzumachen.
Quelle: ntv.de, rts