Kampf gegen zu hohe Inflationsrate EZB zieht Zinszügel an
07.07.2011, 17:30 Uhr
Die Inflationsrate soll wieder unter zwei Prozent gedrückt werden.
(Foto: dpa)
Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht, den anhaltenden Inflationssorgen gegenzusteuern und erhöht den Leitzins. Es ist der zweite Zinsschritt in diesem Jahr. Im Fall Griechenland lehnt EZB-Chef Trichet eine teilweise Umschuldung weiter ab. Gegenüber Portugal will die Notenbank die Bedingungen für Geldanleihen lockern.
Trotz der Probleme um das pleitebedrohte Griechenland zieht die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinszügel noch fester an. Der Rat der Notenbank beschloss, den Schlüsselzins von 1,25 auf 1,5 Prozent anzuheben. Präsident Jean-Claude Trichet deutete zugleich an, dass die EZB noch dieses Jahr nachlegen könnte.
"Wir werden weiterhin alle Entwicklungen sehr genau beobachten, die die Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität betreffen", sagte der Franzose. Es sei sehr wichtig, dass die steigende Inflation nicht in einer Lohn-Preis-Spirale münde, warnte Trichet. Die Gewerkschaften kritisierten die Zinserhöhung dennoch heftig, da sie die Wirtschaftsmisere in anderen Schuldenländern wie Portugal, Irland und Spanien zu vertiefen drohe. Die deutsche Wirtschaft verteidigte die geldpolitische Straffung hingegen.
Trichet warnte erneut davor, durch die Beteiligung privater Gläubiger bei der Lösung der griechischen Schuldenprobleme eine Pleite des Mittelmeerlandes zu riskieren. "Wir sagen Nein zu einem begrenzten Zahlungsausfall", betonte Trichet. Vor dem Anfang nächster Woche anstehenden Treffen der Euro-Finanzminister hat Griechenlands Ressortchef Evangelos Venizelos bereits mit Trichet über die Lage der einheimischen Banken beraten.
Die Euro-Gruppe will am kommenden Montag ein zweites Hilfspaket für Griechenland voranbringen, an dem sich auch private Investoren beteiligen sollen. Die EZB und Griechenland pochen dabei auf ein Modell, in dem der Euro-Staat nicht als zahlungsunfähig gilt. Ansonsten würde die ohnehin angeschlagene Bankenbranche des Landes zusätzlich belastet.
Kritik an Ratingagenturen
Zugleich gab Trichet bekannt, dass die EZB künftig auch bei der Annahme von Schuldtiteln Portugals als Sicherheit für Geldgeschäfte ein Auge zudrücken wird: Der Rat entschied, Papiere des Landes bis auf weiteres auch unabhängig von einem Bonitätsschwellenwert der Ratingagenturen zu akzeptieren. Ähnlich handhabt die EZB bereits Anleihen der beiden anderen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) gestützten Euro-Staaten Irland und Griechenland.
In diesem Zusammenhang übte Trichet deutliche Kritik an den Ratingagenturen. "Es ist klar, dass eine kleine oligopolistische Struktur nicht wünschenswert ist auf der Ebene des globalen Finanzsystems", sagte der Franzose. Die Arbeitsweise der Ratingagenturen wirke pro-zyklisch und dies sei nicht optimal. Die Kritik an den Ratingagenturen, die mit Herabstufungen der Bonität schuldengeplagter Staaten die Finanzwelt in Atem halten, wurde zuletzt immer heftiger. Erst kürzlich sorgte die Senkung der Kreditwürdigkeit Portugals durch Moody's für Aufregung.
Wohl kein Zinsschritt im August
Um die anziehende Inflation im Zaum zu halten, hatten die Hüter des Euro bereits im April die Wende eingeleitet und den Schlüsselzins auf 1,25 Prozent erhöht. Die Teuerungsrate in der Euro-Zone stagnierte im Juni bei 2,7 Prozent und lag damit weit über der von der EZB angepeilten Marke von knapp zwei Prozent. Trichet rechnet damit, dass dieses Ziel auch in den nächsten Monaten klar verfehlt wird. Experten gehen davon aus, dass die EZB daher weiteren Spielraum für eine geldpolitische Straffung hat: "Mit einem weiteren Zinsschritt ist im kommenden Monat nicht zu rechnen, für den weiteren Jahresverlauf aber schon", sagte Ökonom Thomas Amend von HSBC Trinkaus.
Für DGB-Bundesvorstand Claus Matecki ist jedoch bereits die jüngste Zinserhöhung ein Schritt zu viel: Er sprach von "einer erneuten Kollektivstrafe für die gesamte Euro-Zone" und fügte hinzu: "Letztlich bittet die EZB Regierungen, Unternehmen, Arbeitnehmer sowie Verbraucher kollektiv zur Kasse für eine Finanzkrise, die sie nicht verursacht haben."
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) verteidigte Trichet hingegen. Die EZB werde ihrer Verpflichtung sehr wohl gerecht, auf die Preisniveaustabilität zu achten, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Zwar würden damit auch die Finanzierungskosten der Unternehmen steigen. "Eine Beeinträchtigung des Wachstums sehe ich aber nicht, da der Leitzins auf historisch niedrigem Niveau bleibt."
Auch die deutschen Privatbanken sehen dies ähnlich: Die EZB könne ihre Geldpolitik nicht an der konjunkturellen Entwicklung in einzelnen Euro-Staaten ausrichten, sondern müsse die Lage im gesamten Währungsraum im Blick behalten, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB, Michael Kemmer: "Zu einem realen Wirtschaftswachstum von knapp zwei Prozent in diesem Jahr passt kein Leitzins, der fast noch auf Rezessionsniveau liegt".
Quelle: ntv.de, wne/rts