Frisches Geld, alte Probleme Italien vor Zerreißprobe
12.12.2011, 15:15 Uhr
Generalstreik in Italien läuft.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach dem jüngsten EU-Gipfel zur Schuldenkrise lässt der Druck auf Italien am Finanzmarkt etwas nach. Dafür wächst der Unmut der Bevölkerung über die geplanten harten Sparmaßnahmen. Zahlreiche Gewerkschaften rufen zu Streiks auf. Sie sollen sich über die ganze Woche hinweg verteilen. Aufgerufen sind etwa Metaller und öffentlicher Dienst.
Im krisengeschüttelten Italien laufen Streiks gegen das 33 Mrd. Euro schwere Sparprogramm von Ministerpräsident Mario Monti. Den Anfang machten für drei Stunden Hafenarbeiter, Beschäftigte von Autobahnmeistereien und Fuhrbetrieben. Die drei größten Gewerkschafts-Dachverbände riefen die Metaller, darunter beim Autobauer Fiat, zu einem achtstündigen Ausstand auf. Da auch die Rotationsdrucker nicht arbeiteten, werden am Dienstag die meisten Zeitungen nicht erscheinen. Busse und Bahnen sollen am Donnerstag und Freitag in den Depots bleiben. Banken werden nach den Gewerkschaftsplänen am Freitagnachmittag und der öffentliche Dienst den gesamten kommenden Montag bestreikt werden.
Die Chefs der drei großen Gewerkschaften bestätigten nach einem Krisentreffen mit Monti ihre Absicht, mit Streiks die geplanten Belastungen für Rentner und Geringverdiener zu verhindern. Auch darüber hinaus demonstrieren die Spitzenfunktionäre den Schulterschluss: Sie wollten erstmals seit sechs Jahren am Nachmittag gemeinsam auf einer Kundgebung gegen die Beschlüsse zur Beilegung der Schuldenkrise auftreten.
Unfaire Sparpläne?
Monti zeigte sich nach dem Treffen mit den Gewerkschaften zu Korrekturen bereit. Sie müssten aber an anderer Stelle gegenfinanziert werden. Die Gewerkschaften lehnen eine Politik der Kürzungen nicht grundsätzlich ab. Sie halten das Programm der aus parteilosen Technokraten bestehenden Regierung Monti aber für unfair, da es aus ihrer Sicht Arbeitnehmer und Rentner stärker als die Reichen belastet.
Der Widerstand der Gewerkschaften dürfte an der Zustimmung des Parlaments zu Montis Plänen nichts ändern. Die Demokratische Partei, in deren Reihen viele Gewerkschafter sind, versicherte Monti ihrer Unterstützung.
Solide Nachfrage nach italienischen Anleihen
Einen Erfolg gibt es für Monti an der Anleihenfront zu melden: Bei der ersten Versteigerung italienischer Staatsanleihen seit den neuen EU-Sparplänen der vorigen Woche fielen die Zinsen, verharrten aber immer noch auf einem hohen Niveau. Investoren liehen dem hoch verschuldeten Staat 7 Mrd. Euro für ein Jahr. Sie lassen sich ihr Geld mit 5,952 Prozent verzinsen, wie die Regierung in Rom mitteilte. Bei der vorherigen Auktion musste Italien mit 6,087 Prozent noch die höchsten Zinsen seit Einführung des Euro zahlen. Zum Vergleich: Die Rendite der deutschen Anleihe liegt bei 0,290 Prozent. Die Nachfrage war rege: Der italienische Staat hätte auch rund 13,5 Mrd. Euro einnehmen können, so hoch waren die Gebote der Anleger.
"Die Nachfrage ist solide", sagte Analyst Marc Ostwald vom Monument Securities. "Die Zinsen aber sind unkomfortabel hoch." Der EU-Gipfel habe daran wenig geändert. Die EU-Staaten einigten sich darauf, bis März einen neuen Pakt mit strikteren Regeln zum Schuldenabbau und engerer wirtschaftspolitischer Koordination zu schließen. Den Sparverpflichtungen schließt sich nur Großbritannien nicht an.
Enormer Schuldenberg
Die Europäische Zentralbank kauft seit Sommer regelmäßig italienische Anleihen am Markt, um so die Zinsen zu drücken und damit den Staat bei der Geldbeschaffung zu entlasten. Der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zufolge kann Italien auch ein Zinsniveau von mehr als sieben Prozent verkraften, das Irland und Portugal zur Flucht unter den Euro-Rettungsschirm trieb. Liege die Rendite für die einjährige Anleihe im gesamten nächsten Jahr über dieser Marke, dann beliefen sich die Mehrkosten für den Staat auf weniger als ein Prozent der Wirtschaftsleistung.
Italien sitzt auf einem Schuldenberg von rund 1,9 Billionen Euro. Diese Summe entspricht 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Nur in Griechenland ist die sogenannte Schuldenstandsquote noch höher. Italien muss im kommenden Jahr etwa 340 Milliarden Euro an Anleihen zurückzahlen, einen großen Teil davon schon Ende Januar. Der neue Ministerpräsident Mario Monti versucht, mit Reformen das Land wieder fitzumachen. Dazu gehören die Anhebung des Renteneintrittsalters und Privatisierungen von Staatsbesitz.
Erschwert wird die Haushaltskonsolidierung von der Konjunkturflaute. Das Bruttoinlandsprodukt wird 2012 nach Prognose der EU-Kommission lediglich um 0,1 Prozent zulegen, nachdem es schon in diesem Jahr nur zu einem mageren Plus von 0,5 Prozent reichen dürfte. "Besonders der Zinsanstieg für italienische Staatsanleihen lastet auf den Wachstumsaussichten", befürchtet die EU-Kommission. Italiens Banken drohen deswegen höhere Refinanzierungskosten. "Die Kreditbedingungen für die Wirtschaft verschärfen sich deshalb."
Quelle: ntv.de, bad/rts