Leitzinsen in Ungarn steigen Notenbank fordert Orban heraus
20.12.2011, 17:45 UhrDas ist keine gute Woche für Ungarns Regierungschef Orban. Erst weist das Verfassungsgericht Teile des umstrittenen Mediengesetzes als verfassungswidrig zurück, nun erhöht die Zentralbank auch noch die Leitzinsen.
Ungarns Notenbank stemmt sich mit höheren Leitzinsen gegen die Schuldenkrise – und fordert damit Regierungschef Victor Orban heraus. Die Geldpolitiker des klammen Landes setzten den Schlüsselzins um einen halben Prozentpunkt auf sieben Prozent hoch. Bereits im November hatte die Notenbank mit einer geldpolitischen Straffung versucht, den Verfall der Landeswährung Forint und den Anstieg der Importpreise zu stoppen.
Nach der Entscheidung zog der Forint zum Euro leicht an. Das in Finanznöte geratene Land hat die Fühler zur EU-Kommission und dem IWF ausgestreckt, holte sich aber wegen eines umstrittenen, geplanten Notenbankgesetzes zunächst eine Abfuhr. Diese sorgte für Unruhe an den Märkten, die die Zentralbank mit ihrem Zinsentscheid nun dämpfen wollte.
Regierung ist zornig
Dennoch stößt der Schritt bei der Regierung auf heftige Kritik, die seit längerem im Clinch mit Notenbankchef Andras Simor liegt. "Abgesehen von der Europäischen Zentralbank senken die Notenbanken der EU-Staaten die Zinsen und stützen somit das Wachstum in ihren Ländern", erklärte das Wirtschaftsministerium. Die Regierung habe mit Simor bereits über geeignete Instrumente gesprochen, die das Wachstum ankurbeln könnten, hieß es weiter.
Der Disput über die geeignete Höhe der Leitzinsen wirft ein Schlaglicht auf die Beziehungen zwischen Regierungschef Viktor Orban und der Notenbank: In einem auch von der EZB beanstandeten Gesetzentwurf will die Regierung in Budapest die Kompetenzen des Notenbank-Gouverneurs beschneiden und einen weiteren Stellvertreter installieren. Die rechts-konservative Regierungspartei Fidesz kündigte nun zwar an, sie werde die meisten Änderungsvorschläge der EZB in die Gesetzesvorlage einfließen lassen. Dennoch soll es bei den zentralen Vorhaben bleiben, die laut Simor einer Übernahme der Notenbank durch die Regierung gleichkommen.
Der Sprecher von EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn, Amadeu Altafaj, betonte, dass die Unabhängigkeit von Zentralbanken einer der Eckpfeiler des Maastrichtvertrags sei, der verhindere, dass die Mitgliedstaaten Einfluss auf die Zentralbanken nehmen könnten. Obwohl EU und IWF erklärt hätten, die Unabhängigkeit der ungarischen Zentralbank bei den Verhandlungen über mögliche Finanzhilfen Anfang 2012 auf die Tagesordnung zu setzen, habe die ungarische Regierung bereits jetzt die Reform ins Parlament eingebracht
EU und IWF brechen Gespräche ab
Weil die Regierung gegenüber der EU-IWF-Mission "keinerlei Absicht" gezeigt habe, von dem umstrittenen Gesetzesvorhaben abzurücken, habe die Delegation Budapest am vergangenen Freitag vorzeitig verlassen, sagte Altafaj. Der für die Verhandlungen mit EU und IWF zuständige ungarische Minister, Tamas Fellegi, erklärte daraufhin, seine Regierung habe den Standpunkt der EZB übermittelt bekommen und prüfe diesen derzeit. Budapest sei weiterhin "ohne Vorbedingungen" zu Gesprächen mit EU und IWF bereit.
Zugleich ist das Land dringend auf Hilfe angewiesen. Ungarn hat Schwierigkeiten, sich zu refinanzieren. Seit einer Herabstufung durch die Ratingagentur Moody's gelten Staatsanleihen des Landes als Schrottpapiere. Für zehnjährige Anleihen werden Renditen von mehr als acht Prozent verlangt. Die Staatsverschuldung stieg vom zweiten bis zum dritten Quartal von 75 auf 82 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Ungarn, das bereits 2008 mit Notkrediten der EU und des IWF von rund 20 Mrd. Euro über Wasser gehalten wurde, hofft nun auf eine ähnlich üppige Geldspritze – will aber die üblicherweise im Gegenzug verlangten Sparmaßnahmen vermeiden.
Ungarn strebt dabei keinen Kredit an, sondern eine Art "Versicherung". Dabei könnte es sich um eine Art präventive Kreditlinie handeln. Das Geld würde dann nur im Notfall abgerufen. Ob sich EU und IWF darauf einlassen, bleibt abzuwarten. Doch auch bei der von Budapest angestrebten "Versicherungslösung" wird sich Orban wohl gefallen lassen müssen, dass alle drei Monate eine IWF-Delegation die Staatsfinanzen unter die Lupe nimmt und schmerzhafte Spar-Forderungen stellt.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa/AFP