Türkei Spannung vor Wahlen
11.10.2007, 11:00 UhrVon Oliver Stönner, Investment-Stratege bei Cominvest
Nach einer Phase politischer Unsicherheit, zuletzt im Zusammenhang mit der Wahl des neuen Präsidenten, ist die neue türkische Regierung als erstes vor allem finanzpolitisch gefordert. Die im Vorfeld der Parlamentswahlen gelockerte Ausgabenpolitik muss wieder gestrafft werden, um die positiven Investorenerwartungen zu bekräftigen und keine neuen Risiken entstehen zu lassen, die die Notenbank zu einer vorsichtigeren Geldpolitik zwingen würde.
Wir rechnen in diesem Jahr mit einer Ausweitung des Budgetdefizits auf rund 2,8% des BIP und im nächsten Jahr mit einer moderaten Korrektur auf 2,6%. Eine Bestätigung des soliden finanzpolitischen Kurses ist zudem wichtig, um den Zufluss an ausländischen Investitionen zu untermauern. Diesbezüglich befindet sich die Türkei in einer für Europa einmaligen Lage. Einerseits stabilisiert der auf eine weitere Annäherung und Verflechtung mit der EU ausgerichtete Reformkurs das höhere Wachstumsniveau. Andererseits profitiert die Türkei von deutlich erhöhten Investitionen aus den Golfstaaten.
Konjunkturseitig war im Juni ein weiterer Rückgang der Inflationsrate auf 8,6% zu verzeichnen, der etwas deutlicher ausfiel als erwartet. Dies war jedoch vor allem auf Sondereffekte zurückzuführen, während die Entwicklung der Kernrate bislang nur erste Anzeichen für einen deutlicheren Rückgang erkennen lässt.
Der kräftige Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen seit 2005 und die höhere binnenwirtschaftliche Dynamik haben die Investitionstätigkeit der Unternehmen auf ein deutlich höheres Niveau, d.h. über 21% des BIP, steigen lassen. Eine Stabilisierung der Investitionsquote auf diesem Niveau sollte der türkischen Wirtschaft ein Wachstum zwischen 6 und 7.5% pro Jahr ermöglichen, ohne dass neue Inflationsrisiken entstehen. Eine zentrale Voraussetzung für anhaltend kräftige Investitionen ist aber eine Fortsetzung des Zinssenkungszyklus.
Mitte September hat die Notenbank bereits eine erste Zinssenkung vorgenommen und in der kommenden Woche erscheint ein weiterer Schritt um 25 Basispunkte auf 17,0% wahrscheinlich. Eine Bekräftigung des Reformkurses im Hinblick auf die Sozialversicherungsreform und den Privatisierungskurs sowie eine weitere Zusammenarbeit mit dem IWF über das Anfang 2008 auslaufende Beistandsabkommen hinaus dürften den Weg für weitere Zinssenkungen 2008 ebnen. All dies unterstreicht die Chancen, die sich für Finanzinvestoren 2008 aus dem Strukturwandel und der wirtschaftlichen Dynamik der Türkei ergeben.
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Quelle: ntv.de