Madrid als mahnendes Beispiel Disziplin ist nicht alles
27.04.2010, 14:16 Uhr
Die Schwierigkeiten Spaniens zeigen ein der Eurozone innewohnendes Problem auf.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Griechenland bereitet uns Kopfschmerzen. Das ist verständlich, schließlich steht das Land am Abgrund. Doch die immensen Probleme lenken uns von Wichtigerem ab.
Griechenland steckt zweifellos in ernsten Schwierigkeiten – und damit die gesamte Euro-Zone. Die Griechen sehen sich nun schweren Vorwürfen, bitterbösen Kommentaren und jeder Menge guter Ratschläge ausgesetzt. Das ist angesichts der nötigen Milliardenkredite nachvollziehbar, geht aber am Kern des Problems vorbei.
Denn nicht Griechenlands verschwenderische Haushaltspolitik bringt die Eurozone ins Wanken, so schlimm die Auswirkungen auch sein mögen. Nicht die Schulden haben die Griechenlandkrise ausgelöst, sondern der Vertrauensverlust angesichts jahrelanger Falschmeldungen der Defizitzahlen. Die viel größere Gefahr für die Währungsunion ist ein Geburtsfehler. Statt nur nach Griechenland sollten wir deshalb auch nach Spanien blicken – einem Paradebeispiel für ein grundsätzliches Problem der Eurozone.
Spaniens Schwierigkeiten haben nichts mit fiskaler Verantwortungslosigkeit zu tun. Als die Wirtschafts- und Finanzkrise am Horizont dämmerte, verzeichnete Madrid ein Haushaltsplus, im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt waren die Schulden recht gering. Spanien war in dieser Hinsicht disziplinierter als Deutschland. Das Land profitierte von einem langjährigen Boom, angefeuert durch eine Immobilienblase. Seit 2000 stiegen die Preise für Wohnungen, Häuser und Grundstücke in schwindelerregende Höhen. In das Land floss viel Kapital. Die Zuflüsse führten zu einem klassischen Problem: Die Nachfrage nach spanischen Gütern und Dienstleistungen stieg, ebenso wie die Löhne und die Inflation.
Fehler im System
Dann platzte die Blase, und Spanien geriet in ernste Schwierigkeiten. Der Binnenkonsum ging spürbar zurück, die Arbeitslosigkeit stieg – sie liegt derzeit bei knapp 20 Prozent. Plötzlich muss sich das Land mit einem großen Haushaltsdefizit herumschlagen – vor allem wegen sinkender Einnahmen. Aber auch wegen der teuren Stimulusprogramme der Regierung, mit denen die Wirtschaft angekurbelt und die Arbeitslosigkeit bekämpft werden soll. Spaniens immense Probleme sind also nicht die Folge einer verschwenderischen Regierung. Das große Defizit ist das Resultat, nicht die Ursache der Krise.
Die Schwierigkeiten Spaniens zeigen ein der Eurozone innewohnendes Problem auf. Solide Haushaltspolitik, auf die der europäische Stabilitätspakt so großen Wert legt, ist nicht alles. Mitgliedsstaaten der Eurozone können dennoch von Krisen heimgesucht werden. In Europa gibt es zwar eine Währungsgemeinschaft – allerdings ohne eine gemeinsame Fiskalpolitik. Eine wesentliche Voraussetzung, dass die Währungsunion funktioniert, ist eine koordinierte Wirtschaftspolitik. Davon kann derzeit keine Rede sein. Im Euroraum sorgt die Europäische Zentralbank zwar für eine gemeinsame Geldpolitik; eine gemeinsame Fiskalpolitik gibt es aber nicht. Sie ist reduziert auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Dass das nicht ausreicht, zeigt sich unter anderem an dem Wanken einiger Mitgliedsländer.
Der Fehler liegt also im System. Das heißt natürlich nicht, den Euro abzuschaffen. Die Kosten wären immens, die Risiken wohl unbeherrschbar. So wenig es den meisten Deutschen auch passt: Die Europäische Union muss die Fiskalpolitik harmonisieren – also eine gemeinsame Wirtschaftregierung aufbauen und die Steuer- und Ausgabenpolitik abstimmen. Es gibt keinen Weg zurück. Blicken wir also nach vorn.
Quelle: ntv.de