Faustischer Pakt RWE dreht den Spieß um
01.04.2011, 15:45 UhrDas Atom-Moratorium geht für Bundeskanzlerin Merkel nach hinten los. Die Wahl in Baden-Württemberg ist verloren und jetzt klagt RWE gegen die Abschaltung eines Meilers. Damit erreicht das Verhältnis von Regierung und AKW-Betreibern einen neuen Tiefpunkt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Leitwarte des Atomkraftwerks Lingen zwischen RWE-Chef Jürgen Grossmann (l) und Gerd Jäger, Vorstand von RWE Power.
(Foto: picture alliance / dpa)
Im Kanzleramt hält man die Aussetzung der Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke mittlerweile wohl für keine besonders gut umgesetzte Idee. Denn das Moratorium sorgt bislang vor allem für Verdruss: bei Wählern, Koalitionspolitikern und Atomkonzernen.
Die Entfremdung zwischen Energieriesen und Bundesregierung geht mittlerweile sogar so weit, dass RWE gegen die Stilllegung seines Meilers Biblis A klagt. Damit ist Schwarz-Gelb in der Atompolitik etwas gelungen, was selbst Rot-Grün nicht schaffte: Die Kernkraftbetreiber beschreiten den Rechtsweg.
Die Chancen, dass RWE Recht bekommt, sind hoch. Denn die Regierung begründet die vorübergehende Stilllegung mit dem Atomgesetz. Demnach kann eine Abschaltung verlangt werden, wenn Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter bestehen. Doch ob diese konkrete Gefährdungslage existiert, das bezweifeln Juristen.
Viele von ihnen halten das Moratorium für verfassungswidrig, so auch Joachim Wieland, Professor für Öffentliches Recht in Speyer. "Nachdem das Parlament im letzten Herbst gerade unter Hinweis auf die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke die Laufzeitverlängerung beschlossen hat, könnte auch nur das Parlament etwas daran ändern", erklärte er. Die Regierung sei an das beschlossene Gesetz gebunden und dürfe sich nicht darüber hinwegsetzen. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sieht das ähnlich.
Teurer Irrtum
Für die Bundesregierung ist das überaus unangenehm. Hatte sie doch offensichtlich fest damit gerechnet, dass die Energiekonzerne angesichts der Bilder aus Fukushima stillhalten und sich die Lage in diesen drei Monaten beruhigt – und sich die Konzerne und Parteifreunde damit abfinden, dass in der Atompolitik ein neuer Kurs gefahren wird.
Das war ein Irrtum, der teuer werden kann. Denn für die Energieriesen steht zu viel auf dem Spiel - schließlich verdichten sich die Anzeichen, dass die Bundesregierung einen neuen Atomausstieg mit kürzeren Restlaufzeiten anstrebt. Mit einem AKW lässt sich täglich eine Million Euro verdienen, RWE hat also mit einer Klage wenig zu verlieren und geht auf Konfrontationskurs. Sollte sich der Konzern vor Gericht durchsetzen, könnte das auch bei Eon Begehrlichkeiten wecken.
Derweil denkt die Eon-Konzernführung bereits darüber nach, gegen die Brennelementesteuer zu klagen. Konzernchef Johannes Teyssen meldete bei der Bundesregierung bereits Gesprächsbedarf über die Steuer und die Zahlungen in den Ökofonds an. In diesem Jahr sollen die vier deutschen Atomkonzerne im Gegenzug zur Laufzeit-Verlängerung eigentlich 300 Millionen Euro in diesen Fonds zahlen. Mit der Atomsteuer will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jährlich 2,3 Milliarden Euro einnehmen
Vor diesem Hintergrund betont die Bundesregierung, es gebe keinen Anlass, darüber zu verhandeln. Ob die Konzernchefs das akzeptieren? "Es ergibt in meinen Augen keinen Sinn, nur einen Teil des Paktes aufzuschnüren", so Teyssen. Im Klartext: Wer den Atomkonsens aufkündigt, hat die entsprechenden Konsequenzen zu tragen.
Der Atomausstieg lässt sich nicht verhindern und so bleibt den Energieriesen nur die Möglichkeit, so viel wie möglich herauszuholen. Beschweren darf sich die Bundesregierung darüber nicht. Schließlich war es die schwarz-gelbe Koalition, die die Laufzeiten verlängerte und im Gegenzug Milliarden durch die Brennelementesteuer einnehmen wollte. Wenn die Konzerne jetzt den Spieß umdrehen, ist das nur legitim.
Quelle: ntv.de