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Loch im Kabinendach einer 737 Was heißt das für Boeing?

Stillstand am Flughafen von Phoenix, Arizona: Southwest lässt bis auf weiteres alle 79 Maschinen vom Typ 737 am Boden.

Stillstand am Flughafen von Phoenix, Arizona: Southwest lässt bis auf weiteres alle 79 Maschinen vom Typ 737 am Boden.

(Foto: REUTERS)

Die Beinahe-Katastrophe mit einer Boeing 737 der US-Fluggesellschaft Southwest Airlines bringt nicht nur den amerikanischen Flugverkehr gründlich durcheinander. Der Vorfall könnte auch dazu führen, dass Airlines rund um die Welt neue Flugzeuge kaufen müssen.

Verkaufsschlager für die Kurzstrecke: Boeing feierte im Februar 2006 mit Kunden und Gästen die Auslieferung der 5000.Boeing 737. Die Jubiläumsmaschine ging an Southwest Airlines.

Verkaufsschlager für die Kurzstrecke: Boeing feierte im Februar 2006 mit Kunden und Gästen die Auslieferung der 5000.Boeing 737. Die Jubiläumsmaschine ging an Southwest Airlines.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die aktuelle Beinahe-Katastrophe bei Southwest Airlines weckt nicht nur unter Luftfahrtexperten unangenehme Erinnerungen an frühere Zwischenfälle, in denen Materialermüdung zu einem plötzlichen Druckabfall in der Passagierkabine geführt hat. Auffällig ist, dass in mehreren Fällen Boeing-Maschinen vom Typ 737 beteiligt waren.

Erst Ende Januar war es bei einem Inlandsflug einer Boeing 737 der australischen Fluggesellschaft Quantas zu einem plötzlichen Druckabfall in der Kabine gekommen. Die Piloten konnten das Flugzeug in dem für solche Situationen vorgesehenen Standardmanöver von 11.000 auf 3.000 Meter Höhe bringen und sicher in Melbourne notlanden. Verletzt wurde niemand.

Wie knapp die Passagiere dabei einer Katastrophe entronnen sind, zeigt ein Vorfall aus dem Jahr 1988: Bei einer Boeing 737-200 der Fluggesellschaft Aloha Airlines war in knapp 7300 Metern Höhe ein großes Teil des Kabinendachs abgeplatzt. Die Piloten hatten massive Probleme, das Flugzeug sicher zu landen. Durch den explosionsartigen Zerfall der Außenhülle waren mehrere Systeme ausgefallen. Eine Stewardess war durch den plötzlichen Druckabfall aus dem Flugzeug gerissen worden. Ihre Leiche wurde nie gefunden.

Wohin fliegt die Boeing-Aktie?

Der Vorfall alarmiert nicht nur die Flugunfallermittler. Auch Analysten werden sich jetzt fragen, wer oder was genau für das Versagen von Bauteilen im Flug verantwortlich ist. Sollten sich Hinweise auf Konstruktionsfehler oder Mängel bei der Verarbeitung ergeben, drohen dem Hersteller Boeing kostspielige Schadenersatzforderungen. Die 737 gilt in der Boeing-Bilanz bislang als verlässlicher Umsatzbringer.

Wie am Fließband: Boeing-Mitarbeiter bauen die 737 am Standort in Renton im US-Bundesstaat Washington. Die neue 787, der Dreamliner, entsteht in den Hallen von Everett, ebenfalls in Washington an der Westküste.

Wie am Fließband: Boeing-Mitarbeiter bauen die 737 am Standort in Renton im US-Bundesstaat Washington. Die neue 787, der Dreamliner, entsteht in den Hallen von Everett, ebenfalls in Washington an der Westküste.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Noch ist allerdings vollkommen unklar, wie es zu dem Riss in der Außenhaut kommen konnte. Die Behörden schließen bislang lediglich terroristische Hintergründe aus. Das Loch soll also nicht durch eine Bombe oder mutwillig durch die Waffe eines Attentäters an Bord entstanden sein. Der offizielle Untersuchungsbericht - der frühestens in Wochen zu erwarten ist - wird den genauen Unfallhergang wohl erklären.

Trotzdem dürfte Boeing durch die Reihe von Zwischenfällen mit seinen Maschinen vom Typ 737 unter Druck geraten. Dabei könnte es sich tatsächlich um eine zufällige Häufung handeln.

Eine naheliegende Erklärung ergibt sich zum Beispiel schon allein aus der großen Stückzahl, in denen Maschinen dieses Typs bei Fluggesellschaften rund um die Welt im Einsatz sind.

Daneben werden diese Flugzeuge aufgrund ihrer Größe vor allem im Kurzstreckendienst eingesetzt, was die Beanspruchungen an das Material durch extrem häufige Starts und Landungen erhöht. Die luftdichte Kabinenhülle ist dabei in der Regel mehrmals am Tag großen Druckunterschieden ausgesetzt. Das erhöht zumindest die Wahrscheinlichkeit von Ermüdungsbrüchen deutlich.

Chancen für Airbus?

Nach dem Vorfall über Hawaii waren aus diesen Gründen zahlreiche altgediente Maschinen ausgemustert worden. Die Behörden hatten ihre Vorstellungen von der maximal zulässigen Nutzungsdauer deutlich nach unten korrigiert. Auch die Vorschriften wurden verschärft: Strenge Kontrollen der Schweißnähte und enge Wartungsintervalle sollten Schwachstellen in der Außenhaut frühzeitig aufdecken. Hier werden Boeing und alle beteiligten Fluggesellschaften wohl auch im aktuellen Fall ansetzen.

Die aktuell betroffene Maschine soll bereits eine Dienstzeit von 15 Jahren auf dem Buckel gehabt haben. Das und die Tatsache, dass viele weitere Fluggesellschaften betagte Maschinen im Einsatz haben, könnten dazu führen, dass sich für Boeing mittelfristig sogar ein positiver Effekt einstellt.

Denn wenn die Luftfahrtaufsicht in den USA ihre Vorschriften nach der Beinahe-Katastrophe weiter verschärfen sollte, dann wären die Airline-Manager gezwungen, viel Geld auszugeben, um ihre Flotten deutlich zu verjüngen. Southwest Airlines alleine verfügt derzeit über 81 Flugzeuge vom Typ 737. Neue Maschinen könnte dann zum Beispiel Boeing liefern - oder auch Airbus.

Quelle: ntv.de

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