Die Busch-Trommel Zwischen Pest und Cholera
21.02.2010, 15:52 UhrDer griechische Ministerpräsident Papandreou zeigt sich bußfertig und verspricht der EU-Kommission, das Haushaltsdefizit seiner Regierung bis 2012 von derzeit 12,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf unter 3,0 Prozent zurückzufahren. Wie es der Maastricht-Vertrag befiehlt. Er sei bereit, Griechenland einer drastischen Sparpolitik zu unterwerfen: Die Rüstungsausgaben sollen zurückgefahren werden, ebenso die Ausgaben für Krankenhäuser. Höhere Mehrwertsteuern und Mineralölsteuern sind im Gespräch, wie auch ein späterer Beginn der Altersrente. Und im öffentlichen Dienst soll das Personal zurückgefahren und die Bezahlung ab einem Monatseinkommen von 2000 Euro eingefroren werden.
Kommission und Finanzminister der Eurozone geben sich beeindruckt und versprechen ihrerseits finanzielle Hilfen der europäischen Partner, um das Land der Griechen vor dem Staatsbankrott zu bewahren.
Aber kann auch nur ein intelligenter Mensch ernsthaft an die Verwirklichung dieser griechischen Absichtserklärungen glauben? Das griechische Haushaltsdefizit, in einem Jahrzehnt durch Lug und Trug entstanden, allein in diesem Rest-Jahr 2010 schon um 4,0 Prozentpunkte verringern! Und das in der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise, gegen den massiven Widerstand der griechischen Bürger!
Nein, natürlich nicht, aber darum geht es auch gar nicht. Die eigentliche Botschaft in Richtung Finanzmärkte lautet: Die EU lässt Griechenland nicht hängen. Einen griechischen Staatsbankrott wird es nicht geben. Basta! Und damit sind die derzeitigen Risikoaufschläge von rund 4,0 Prozent für griechische Staatsanleihen verglichen mit soliden Staaten völlig überhöht.
Zeigen sich die Märkte - wie gehofft - von diesen Hilfszusagen beeindruckt, ist Griechenland vorerst aus dem Schneider. Die allein bis Mai anstehenden Staatsanleihen für rund 20 Mrd. Euro zur Refinanzierung alter Schulden werden wohl eher um 6,0 Prozent als, wie noch vor wenigen Tagen, zu über 7,0 Prozent platziert werden können.
Nun verbieten die EU-Vorschriften derartige Finanzhilfen ausdrücklich, doch in Zeiten höchster Not zählt die reine Lehre nur wenig, das sehen selbst deutsche Politiker so. Denn auch die Bundesregierung steckt wahrlich in höchster Not, sollte Griechenland angesichts explodierender Zinslasten das Handtuch werfen. Dabei geht es gar nicht um die griechische Wirtschaft, die ist für die EU, also auch für Deutschland eher unbedeutend. Man muss auch nicht, wie in diesen Tagen manche griechische Politiker, Adolf Hitler und den 2. Weltkrieg in Erinnerung bringen, um von bußbereiten Deutschen Geld einzufordern. Oder wie der gewerkschaftsnahe deutsche Wirtschaftswissenschaftler Horn die deutsche Wirtschaft für den drohenden Staatsbankrott der Griechen mitverantwortlich machen, weil die deutschen Unternehmen mit ihren geringeren Lohnkosten den griechischen Konkurrenten das internationale Geschäft vermasselt und damit das griechische Handelsdefizit verstärkt haben. Deutsche Dumpinglöhne als Grund für Griechenlands Misere. Darauf ist bisher nicht einmal die offizielle Politik in Deutschland gekommen! Nein, wir müssen den Griechen helfen, weil wir uns selbst, genauer, die staatlich kontrollierten deutschen Kreditinstitute retten wollen. Wie das? Bei einem fortdauernden Vertrauensverlust Griechenlands werden die internationalen Geldgeber aus Angst vor einem möglichen Staatsbankrott die Risikoaufschläge für neue griechische Staatsanleihen weiter erhöhen. Das hätte bei den bisherigen Anleihen, sofern sie nicht schon bald zu 100 Prozent zurückgezahlt werden, deutliche Kursverluste zur Folge, die zu massiven Wertberichtigungen in den Bilanzen deutscher Banken und Versicherungen führen müssten, weil viele von ihnen, allen voran staatlich kontrollierte Finanzinstitute, angesichts der hohen Renditen auf griechische Staatsanleihen noch bis vor ein, zwei Jahren gesetzt hatten.
Müsste die Bundesregierung auch für diese Verluste einspringen, könnte sich Deutschland schon sehr bald zu den Griechen gesellen.
Um diese Verluste in den Bilanzen der Finanzinstitute zu verhindern, ist die Bundesregierung offenbar bereit, den Griechen zu helfen. Und macht sich damit zum Helden der griechischen Tragödie: Das, was verhindert werden soll, wird durch die Tat verursacht. Denn welches Land wird sich jetzt noch bemühen, die Kriterien von Maastricht einzuhalten, wenn die Griechen für jahrelangen Betrug und hemmungslose Schuldenpolitik im Nachhinein auch noch belohnt werden?
Mit 522 Mrd. Euro sind deutsche Banken und Versicherungen in Anleihen Spaniens, Portugals, Italiens und Irlands engagiert. Vermutlich werden wir in Kürze auch diesen Ländern beistehen müssen, um unsere eigenen Banken und Versicherungen zu retten. Am Ende werden wohl auch deutsche Staatspapiere ins Fadenkreuz der Spekulanten geraten und Hilfe von außen brauchen. Woher soll die dann kommen? Wohl kaum aus dem Euroland. Das ist dann abgebrannt. Aber vielleicht aus den USA? Der Blick auf den aktuellen Dollar-Kurs weist zumindest in diese Richtung. Die Eurogruppe steckt in einer verzweifelten Situation: Hilft sie den Griechen nicht, gerät der Euro innerhalb kürzester Zeit ins Rutschen. Hilft sie, lässt der Verfall etwas länger auf sich warten, wird dann aber umso schneller vonstattengehen. Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Quelle: ntv.de