Marktberichte

Die Nervosität ist wieder da Dax fällt kräftig

Am Frankfurter Aktienmarkt brechen die Kurse ein. Die Ankündigung eines Referendums in Griechenland wird im Markt mit Erschrecken aufgenommen. Vor allem Finanzwerte und Zykliker stehen unter Druck - nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Der Euro verliert massiv an Wert.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Mit der Ankündigung einer Volksabstimmung über das Sanierungspaket  hat der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou ein Beben an den internationalen Finanzmärkten ausgelöst. Der Leitindex Dax gab 4,9 Prozent auf 5834 Punkte ab. Der MDax verlor 3,8 Prozent auf 8730 Zähler, während der TecDax 4,5 Prozent auf 673Punkte einbüßte. Damit lagen die Indizes zwar kräftig im Minus, erholen sich aber deutlich von den Tiefstständen des Tages.

Der Börsenwert der im EuroStoxx50 gelisteten Unternehmen schrumpfte im Vergleich zum Vortagesschluss um 64 Mrd. Euro. Dies entspricht in etwa einem Viertel der jährlichen Wirtschaftskraft Griechenlands. Die 30 Dax-Werte waren rund 26 Mrd. Euro weniger wert als am Montag.

Die Volatilitätsindizes VDax und VStoxx, die die Nervosität der Anleger messen, schossen um jeweils 14 Prozent in die Höhe. Damit liegen sie wieder auf dem Niveau von unmittelbar vor dem Euro-Schuldengipfel vergangene Woche.

Große internationale Anleger zogen laut Marktteilnehmern Kapital aus der Euro-Zone ab und damit auch aus dem deutschen Aktienmarkt. "Das Vertrauen in eine Lösung der Euro-Zonen-Krise hat einen starken Rückschlag erlitten", so ein Händler. Der Euro fällt auf 1,3680 Dollar. Damit wird die Gemeinschaftswährung fast sechs Cents unter dem Hoch vom vergangenen Donnerstag nach dem Brüsseler Gipfel gehandelt.

Schwache Konjunkturdaten aus China trübten die ohnehin schlechte Stimmung zusätzlich ein. Die Industrie der Volksrepublik ist im Oktober mit dem langsamsten Tempo seit Februar 2009 gewachsen. Der offizielle chinesische Einkaufsmanagerindex (PMI) fiel wegen der lahmenden weltweiten Nachfrage auf 50,4 Zähler. Ein Wert über der Marke von 50 Punkten signalisiert Wachstum.

Eurozone in Gefahr?

"Das gesamte Rettungspaket steht nun wieder infrage und eine harte Umschuldung scheint nicht mehr abwegig", sagte Commerzbank-Zinsstratege Benjamin Schroeder. Aktienhändler Peter Stanhope von IG Markets bezeichnet die Ankündigung des griechischen Ministerpräsidenten als Schock. "Es sieht so aus, dass uns die Kurs-Turbulenzen noch eine ganze Weile begleiten werden." Die Umsätze beschreiben Börsianer als extrem hoch. Dies sei ein schlechtes Zeichen für den weiteren Handelsverlauf. "Die griechische Regierung überlässt diese wichtige Entscheidung der Straße", monierte ein Marktteilnehmer.

Doch andere warnen vor voreiligen Schlüssen. "Wie so oft nach politischen Börsen dürfte sich auch dieses Mal die Verunsicherung recht schnell beruhigen und einer Analyse der Fakten weichen - darf man so ein Referendum überhaupt abhalten, wie hoch wäre die Annahmequote und was sagen aktuelle Meinungsumfragen dazu?", hieß es bei der HSH Nordbank. "Wir gehen davon aus, dass der neuerliche Griechenland-Schock eher kurzlebig sein wird, denn die Regierungen der Euroland-Staaten werden weiter - und jetzt vielleicht sogar noch etwas entschlossener - an der Umsetzung der Gipfelbeschlüsse arbeiten."

"Es ist schwierig vorherzusagen, was passiert, wenn Griechenland die Pläne ablehnt", sagte Wirtschaftsnobelpreisträger Christopher Pissarides. "Es wäre schlimm genug für die EU im Allgemeinen und die Euro-Zone im Besonderen. Es wäre aber noch viel schlimmer für Griechenland. Bei einem 'Nein' müsste Griechenland sofort Bankrott erklären. Ich sehe nicht, dass Griechenland im Euro bleiben könnte."   

Nach Einschätzung von Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, ist das Risiko einer unkontrollierten Insolvenz à la Lehman Brothers mit der Ankündigung der griechischen Regierung gestiegen. Mit einem Anteil von 2,4 Prozent am Bruttoinlandsprodukt der Eurozone sei Griechenland zwar klein, allerdings verknüpften Anleger das Schicksal Griechenlands mit sehr viel größeren Ländern wie Italien und Spanien.

Ein Austritt Griechenlands könnte die Turbulenzen an den Finanzmärkten weiter verstärken wie auch die Rezession in der Eurozone, sagt Schmieding. Ein griechisches "Nein" hätte die Einstellung der Hilfszahlungen an das Land, Kapitalflucht, einen Zusammenbruch des Bankensystems und der Wirtschaft zur Folge; Pensionen und Gehälter könnten nicht länger in Euro bezahlt werden.

Aus Sicht von Paul Mortimer-Lee, Chefvolkswirt von BNP Paribas, ist es von Bedeutung, dass ein etwaiges Referendum nicht sofort, sondern erst im Januar stattfinden würde. "Die Kampagne in und außerhalb Griechenlands wird deutlich machen, dass ein 'Nein' einem Desaster gleich käme. Ich gehe davon aus, dass sich die Griechen nicht für eine noch härtere Anpassung entscheiden werden, als sie ohnehin schon vor sich haben", kalkuliert er. Papandreou werde versuchen, die Griechen auf die "Klippe" zu führen und einen Blick in den Abgrund werfen zu lassen. "Unglücklicherweise würden dabei auch die Märkte an den Abgrund geraten", merkt der Ökonom an.

Banken unter Druck

Investoren trennten sich vor allem von Finanzwerten. Deutsche Bank verloren 7,9 Prozent, Commerzbank 9,4 Prozent. Allianz verbilligten sich um 7,9 Prozent.

Noch härter als die deutschen Banken traf es Kredithäuser aus Frankreich: Der Kurs der Großbank Société Générale fiel an der Pariser Börse 16,5 Prozent. Konkurrent BNP Paribas verlor 12,9 Prozent, Crédit Agricole 13 Prozent. Am Handelsplatz in London rutschte die Royal Bank of Scotland 8 Prozent ins Minus.

Die Rezessionssorgen und die Angst um die Euro-Zone belasteten auch exportorientierte Titel wie die Auto-Aktien besonders, die als Gewinner des Euro gelten. Daimler fielen 5,9 Prozent, BMW 4,1 Prozent und VW 5,3 Prozent.

Quelle: ntv.de, jga/rts/DJ/dpa

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