Wirtschaft

"Selbstmord aus Angst vor dem Tod" Papandreou erschüttert Märkte

Griechenland schürt mit seinen Plänen für eine verbindliche Volksabstimmung über das Rettungspaket die Angst vor einem Staatsbankrott. Die Aktienmärkte brechen teils massiv ein, der Euro verliert deutlich. Ökonomen sind sich einig, dass Griechenland bei einer wahrscheinlichen Ablehnung aus dem Euro austreten müsste. Das schürt die Angst vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone.

Zeit für die Katharsis?

Zeit für die Katharsis?

(Foto: dpa)

Mit der Ankündigung einer Volksabstimmung über das Sanierungspaket hat der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou am Dienstag ein Beben an den internationalen Finanzmärkten ausgelöst. Aus Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone flüchteten viele Anleger aus Aktien und dem Euro. Sie suchten ihr Heil in "sicheren Häfen" wie Bundesanleihen.

Die Spekulationen um seine Zukunft drückten den Euro auf bis zu 1,3675 Dollar. Damit lag die Gemeinschaftswährung knapp zwei US-Cent unter dem New Yorker Vortagesschluss. Der Bund-Future stieg dagegen um bis zu 214 Ticks auf 137,61 Punkte. Gleichzeitig stiegen die Risiko-Aufschläge für Anleihen einiger europäischer Schulden-Staaten. So markierten die Spreads zwei- und zehnjähriger italienischer Bonds im Vergleich zu den entsprechenden Bundestiteln neue Rekordhochs.

Dax und EuroStoxx50 beschleunigten ihre Talfahrt und verloren jeweils mehr als 3 Prozent. Der Aktienmarkt in Athen brach nach der Ankündigung einer Volksabstimmung über das beschlossene Rettungspaket massiv ein. Zeitweise verlor der Index Athex 20 mehr als acht Prozent. Mit der geplanten Abstimmung steige die Unsicherheit über die Entwicklung des Schuldendramas, betonen Händler. "Aus Marktperspektive ist dies ein hoch riskanter Schritt, der kurzfristig die Unsicherheit erhöht", heißt es bei Alpha Finance.

Unter den Einzelwerten ragen besonders Bankenaktien mit Kursabschlägen von zum Teil über 20 Prozent hervor. Marktbeobachtern zufolge spekuliert der Markt auf eine Ablehnung der Sparpläne bei einer Volksabstimmung und damit den Staatsbankrott Griechenlands. Als Halter von Staatsanleihen sind die Banken davon besonders betroffen.

Raus aus dem Euro

"Das gesamte Rettungspaket steht nun wieder infrage und eine harte Umschuldung scheint nicht mehr abwegig", schrieb Commerzbank-Zinsstratege Benjamin Schroeder in einem Kommentar. "Sicher werden Spekulationen zunehmen, dass ein negatives Referendum der Anfang vom Austritt Griechenlands aus der Währungsunion ist."

Erhielt 2010 den Wirtschafts-Nobelpreis: Christopher Pissarides

Erhielt 2010 den Wirtschafts-Nobelpreis: Christopher Pissarides

(Foto: picture alliance / dpa)

Auch Ökonom und Nobelpreisträger Christopher Pissarides warnte vor den Folgen: "Bei einem 'Nein' müsste Griechenland sofort Bankrott erklären. Ich sehe nicht, dass Griechenland im Euro bleiben könnte." Die Folgen wären schwierig vorherzusagen. Doch es wäre schlimm genug für die EU im Allgemeinen und die Eurozone im Besonderen.

Für den Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer, ist die nach Meinungsumfragen mehrheitlich negative Stimmung unter den Griechen im Hinblick auf den durch die Reformen verursachten Schmerz verständlich. Dennoch wäre eine Ablehnung aus seiner Sicht "als Selbstmord aus Angst vor dem Tod zu klassifizieren".

Ein möglicher Austritt Griechenlands aus dem Euro wäre aus Sicht von Heino Ruland von Ruland Research sogar eine Chance für solidere Haushaltspolitik der anderen hoch verschuldeten Staaten. "Ein solcher Schlag kann die Berlusconi-Regierung und andere Regierungen disziplinieren", sagte der Analyst und Aktienstratege.

Im Fall einer Wiedereinführung der Drachme würde die Währung nach Rulands Einschätzung 50 Prozent verlieren und der Schuldenstand 190 Prozent des Bruttoinlandprodukts erreichen. "Die Folge wird vermutlich ein Schuldenschnitt von 80 Prozent sein", so Ruland. Das Referendum werde wegen der Stimmung im Land voraussichtlich zu einem Austritt führen, allein wegen der vielen Stimmen der Bediensteten im Öffentlichen Dienst, deren Stellen wegen der Sparpolitik wegfallen sollen. Sollten sich Italien und die anderen hoch verschuldeten Staaten nicht von einem Austritt Griechenlands disziplinieren lassen, stehe vermutlich das Ende der Eurozone bevor.

Messe noch nicht gesungen

Ob es jedoch überhaupt zu einer Abstimmung kommt und wie diese dann ausfiele, steht jedoch in den Sternen. "Referenden zu ökonomischen Themen sind laut griechischer Verfassung nicht zulässig", sagte Hellmeyer. Er sei daher gespannt, wie belastbar das griechische Rechtssystem sei. Auch die HSH Nordbank meldet juristische Bedenken an: "Wie so oft nach politischen Börsen dürfte sich auch dieses Mal die Verunsicherung recht schnell beruhigen und einer Analyse der Fakten weichen - darf man so ein Referendum überhaupt abhalten, wie hoch wäre die Annahmequote und was sagen aktuelle Meinungsumfragen dazu?"

Mancher Ökonom sieht sogar eine Chance in der Volksbefragung, sofern sie positiv ausfiele: "Die Situation hat sich dramatisch verschlechtert, die EU-Verantwortlichen werden auf dem falschen Fuß erwischt", kommentieren Analysten des Bankhauses Metzler zum geplanten Referendum. Allerdings bestehe auch die Chance auf ein starkes Signal - auch wenn sie wohl eher gering sei. Denn wenn es Ministerpräsident Papandreou gelinge, die Unterstützung der Massen zu erhalten, erhöhe sich die Glaubwürdigkeit der geplanten Sparmaßnahmen enorm. Zudem könne es auch ein Zeichen an andere strauchelnde Staaten wie Italien senden, dass mit dem Willen des Volkes große Dinge umsetzbar seien.

Quelle: ntv.de, nne/rts/DJ

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