Frust nach Philly-Fed & Co. Dax geht baden
21.06.2012, 17:58 Uhr
Den Versuch war's wert. Geholfen hat's nichts.
(Foto: REUTERS)
Nach einer Berg- und Talfahrt gibt der deutsche Leitindex nach. Am Ende setzt sich die Enttäuschung über eine ausgebliebene weitere geldpolitische Lockerung seitens der Fed durch. Eher schwache US-Konjunkturdaten belasten ebenfalls.
Enttäuschende Konjunkturdaten aus China, den USA und Europa sowie Aussagen von Bundespräsident Joachim Gauck haben am Donnerstag die Notierungen am deutschen Aktienmarkt belastet. Wie ein Sprecher erklärte, wolle der Bundespräsident die gesetzlichen Regelungen zum Rettungsschirm ESM vorerst nicht unterzeichnen. Damit kam er einer Bitte des Bundesverfassungsgerichts nach.
Der Dax verlor 0,8 Prozent auf 6.343 Punkte.Der MDax büßte 0,3 Prozent ein auf 10.372 Zähler. Der TecDax notierte dagegen nahezu unverändert bei 747 Punkten.
"Letztendlich wird der ESM durchgehen, aber die Nachricht sorgt für Unsicherheiten an den Märkten", hieß es von einem Händler. "Und Unsicherheiten mögen die Märkte nicht." Es war kein guter Börsentag. Die jüngsten Konjunkturdaten unterstrichen das Bild einer sich abschwächenden Weltwirtschaft.
Philly-Fed enttäuscht
Mit minus 16,6 Punkten fiel der Philadelphia-Fed-Index deutlich unter den Erwartungen von Null aus. Die Auftragskomponente brach mit einem Rückgang auf minus 18,8 regelrecht ein. Die Daten unterstreichen die konjunkturellen Risiken in den USA. Zugleich erhöht sich allerdings die Wahrscheinlichkeit eines Eingreifens der Zentralbanken.
"Die erneute Stimmungseintrübung im Verarbeitenden Gewerbe mahnt zur Vorsicht. Die Indikationen für den ISM sind per saldo negativ", sagt die Helaba. Der leichte Anstieg des ebenfalls veröffentlichten Index der Frühindikatoren signalisiere aber noch immer ein moderates US-Wachstum, schränkt Analyst Ralf Umlauf ein.
Auch die Daten aus China waren ein Schuss ins Kontor: Der vorläufige Einkaufsmanagerindex von HSBC war auf den tiefsten Stand seit sieben Monaten gefallen. Bereits den achten Monat in Folge lag der Wert unter der Marke von 50 und stand damit für ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Auch der Einkaufsmanagerindex der Eurozone stagnierte im Juni deutlich unter 50. In den USA war der Philadelphia-Fed-Index regelrecht eingebrochen.
Für Enttäuschung hatte am Morgen auch die US-Notenbank gesorgt. Sie hatte zwar angekündigt, die in diesem Monat auslaufende "Operation Twist", eine Umschichtung des Anleihenbestandes, zu verlängern und dafür rund 267 Mrd. Dollar in die Hand zu nehmen. Zugleich blickte die US-Notenbank aber deutlich skeptischer auf Arbeitsmarkt und Konjunktur als noch im Frühjahr. Börsianer hatten sich mehr erhofft, wie etwa ein neues "QE3", ein Programm zum Ankauf von Staatsanleihen.
Für Erleichterung sorgte dagegen die spanische Bond-Auktion. Spanien verkaufte Anleihen im Volumen von 2,2 Mrd. Euro. Das Interesse war so hoch, dass das Land die dreifache Menge hätte absetzen können. Allerdings lagen die Zinsen teilweise so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. "Unter den gegebenen Voraussetzungen war dies eine erfolgreiche Emission", sagte Analyst Sebastian von Koss von HSBC Trinkaus. "Spanien hat etwas mehr abgesetzt als geplant und auch die Überzeichnungsquote war recht hoch, obwohl die Renditen in den vergangenen Tagen deutlich nachgegeben haben." Vor diesem Hintergrund fielen die Renditen der bereits gehandelten, richtungsweisenden zehnjährigen Titel weiter auf 6,541 Prozent. Anfang der Woche hatten sie noch fast einen ganzen Prozentpunkt höher gelegen.
Wann kommt der Hilfsantrag aus Spanien?
Die obersten Kassenhüter der Eurozone warteten am Nachmittag immer noch auf einen Antrag aus Spanien zu Finanzhilfen für notleidende Banken. Auf die Frage, wann der Antrag kommen werde, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Luxemburg: "Das weiß ich nicht."
Es gebe zu dem mit Spanien vereinbarten Verfahren "keine Veränderungen", sagte Schäuble vor einem Treffen mit seinen Euro-Amtskollegen. "Das geht alles seinen geregelten und geordneten Gang." Sein französischer Amtskollege Pierre Moscovici sagte: "Ich vertraue Spanien, das es die nötigen Reformen durchführt."
Die Ressortchefs hatten Madrid bereits Mitte des Monats signalisiert, zur Stabilisierung des Bankensystems Notkredite von bis zu 100 Mrd. Euro zu geben.
Noch am Donnerstag wollten die Beraterunternehmen Roland Berger und Oliver Wyman der Madrider Regierung ihre Gutachten über den Finanzbedarf der spanischen Banken vorlegen. Danach könnte Madrid das Hilfegesuch einreichen.
Finanzwerte vom Winde verweht
Im europäischen Bankenindex belegten spanische und italienische Werte zunächst die Top-Plätze. Commerzbank und Deutsche Bank konnten in dem Rennen nicht mithalten. Ihre Aktien büßten am Ende 0,7 Prozent und 0,5 Prozent ein.
Die ThyssenKrupp-Titel nahmen nach anfänglichen Verlusten ein Plus von 0,9 Prozent mit in den Feierabend. Laut einem Bericht gibt es mit den beiden größten chinesischen Stahlkonzerne Hebei und Baosteel weitere Interessenten für ein Stahlwerk in Brasilien, was sich Händlern zufolge positiv auf die Aktien auswirkte.
Im MDax drehten die Aktien des Spezialchemiekonzerns Wacker Chemie trotz negativer Nachrichten zum Polysilizium-Geschäft ins Plus und gewannen 2,3 Prozent. Die Titel des Anlagen- und Maschinenbauers Dürr zogen am Nachmittag nach einer Erhöhung der Unternehmensprognosen an und verteuerten sich ebenfalls um 1,3 Prozent.
Bei den Technologiewerten schafften es SMA Solar mit 0,4 Prozent ins Plus. Laut "Handelsblatt" greift Power One aus den USA den deutschen Weltmarktführer bei Wechselrichtern an und will ihm Marktanteile abjagen.
Die Aktien des im SDax notierten Freizeitmode-Spezialisten Tom Tailor gewannen nach einer angekündigten Übernahme 4,3 Prozent hinzu.
Quelle: ntv.de, ddi/DJ/rts/dpa